Erstellt am: 18. 2. 2010 - 15:34 Uhr
Matthew Herberts Schwein ist tot
Die Arbeitsprämisse
matthew herbert
In 2010 i will release a record entitled 'one pig'. it will be made up entirely of sounds made during the life cycle of a pig. I will be there at its birth during its life present at its death and during the butchery process.
Its body will then be given to chefs new and old, there will be a feast and maybe a pair of shoes and a drum from the skin and a toothbrush from its bristles and ink from its blood. It will all be recorded and then turned in to music.
Ich halte den Konsum von jeglicher Art von tierischen Produkten für falsch und auf unserer zivilisatorischen Entwicklungsstufe für entbehrlich. Ich habe nach 23 Jahren auch keine Lust mehr auf "Es liegt aber in der Natur des Menschen", "Pflanzen sind auch Lebewesen" und "Soja macht den Regenwald kaputt"-Diskussionen. Ich habe keine Lust zu missionieren, aber ich sehe auch keinen Grund, mich gegenüber irgendjemandem dafür zu rechtfertigen.
chris friel
Hin und wieder, wenn mir einfällt, dass es legale Praxis ist, Teile von toten Tieren in an und für sich vegetarische Produkte (wie zum Beispiel Apfelsäfte) zu rühren und nicht auszuweisen, welche Produkte für Vegetarier und Veganer geeignet sind, bekomme ich Fantasien von in die Luft gesprengten Schlachhöfen, Pelztierfarmen und Tierfabriken. Ich habe nicht die distanzierte Subitilität des Denkens von Matthew Herbert. Jetzt wisst ihr also, wer euch die Geschichte von Herberts Schwein erzählt.
Große Fragen
Herbert ist übrigens einer von uns, wenn ich mich recht erinnere. Er konsumiert keine Leichenteile und Körperausscheidungen. Im Zusammenhang mit "The Pig" wird das aber nicht kommuniziert. Matthew Herbert wählt seine Klangquellen stets sehr bewusst und konzeptuell und schafft so politische Implikationen. Er reißt große Fragen auf.
Ich war damals sprachlos (was für Interviews immer schlecht ist) als er mir die Geschichte zu dem Track "One Life" auf seiner letzen Platte 'There Is Me And There Is You' erzählte. "One Life" besteht aus dem Piepsen des Brutkastens, in dem Matthew Herberts zu früh geborener Sohn liegt. Ein jeder Pieps steht dabei für hundert Menschen, die im Irak-Krieg gestorben sind.
Das geht schon sehr tief. Bei "One Pig" ist der Tod noch ein Stück näher und unmittelbarer. Wenn das Projekt funktioniert hätte, wären die Klänge sind nicht mehr Metaphern für Sterben und Mord sondern deren tatsächlicher Sound.
Mir wird schlecht, wenn ich die Projekt-Seite aufmache und mich Herbert dazu bringt, darüber nachzudenken was für ein Schicksal Schweinen zugedacht wird. Ich kann nicht verstehen, wie man ein Lebewesen, mit dem man sich auseinandergesetzt hat, aus Ignoranz, Routine, Geschäft oder welchen Gründen auch immer ermorden kann.
matthew herbeert
Herberts Pig-Album war nur eine Versuchsanordung im Kleinen. Er folgte dem Schwein mit Blogeinträgen seit seiner Geburt. Er beschreibt die Entwicklung seiner Eigenschaften und seiner Individualität und wie es mit seinen Geschwistern spielt.
Am Ende durfte er die Schlachtung nicht aufzeichnen. Es war ihm nicht möglich einen Schlachter zu finden, der die Exekution aufnehmen ließ. "Obszön", "krank" und "pervers" lauteten die Argumente dagegen. Argumente, die ich selten beim passieren einer Wursttheke gehört habe. Es ist kein Problem, Fleisch zu konsumieren, aber zu thematisieren, dass es ein Lebewesen war, ist - sieht man sich die Kommentare im Netz an - schockierend und obszön.
One Pig ist Teil der ONE Trilogie von Matthew Herbert. Ach ja, der Mann macht auch saugute Musik.