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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

19. 2. 2010 - 13:03

Die lichte Seite des Black Metal

Die wundersame Reise der norwegischen Band Ulver. Vom Black Metal über Folk, Kammermusik, Ambient bis zu Drum 'n' Bass-Dekonstruktionen.

Ende der 80er, Anfang der 90er formierte sich in Norwegen ein Musikstil, der in seiner Konsequenz Underground und Mainstream gleichermaßen schockierte und bis heute in seiner Radikalität ein Novum darstellt. Black Metal.

Die Protagonisten dieser neuen Musik befreiten feisten Thrash und Speed Metal von seiner verkopften musikalischen Virtuosität und setzten primär auf monotone Gitarrenriff-Mantras. Das Schlagzeug darf nur Blastbeats spielen. Der Gesang pendelt zwischen hysterischem Gekreische und gutturaler Kehlenakrobatik. Diese musikalische Radikalisierung von Metal zahlte sich bizarrerweise sogar ökonomisch aus. Black Metal vermag es in seiner simplen Form oft leichter zu stimulieren als viele andere, oft barock anmutende, Metalspielarten.

Gorgoroth

Gorgoroth

Black Metal war musikalisch für den Heavy Metal wie Punk für den Rock 'n' Roll. Ein aggressiver Vitaminstoß. Aber was dieses Genre zu einem popkulturellen Flächenbrand machte, war das radikal-glamouröse Image der neuen wilden Horde. Ikonografierte Misanthropie.

Nun kannte man das auch schon vor 1990 im Popmusikzirkus, aber Black Metal kannte keinen Spaß, keine Party, keine Kompromisse.

Bands wie Burzum, Mayhem oder Gorgoroth erarbeiteten sich mit Eifer einen übel beleumundeten Ruf. Die darstellende Gewalt wurde Realität. Das Spielen mit faschistischer Ästhetik ging weit über Provokationen hinaus. Anfang der Neunziger brannten in Norwegen Kirchen, brachten sich rivalisierende Musiker gegenseitig um, gab es landesweit eine Flut von Grabschändungen und eine breite Masse musste stöhnend erkennen, dass die martialischen Posen nicht nur pubertärer Schabernack, sondern auch bittere Realität wurden.

Ulver

Ulver

Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Count Grishnackh von Burzum ist wieder aus dem Gefängnis draußen und bestellt einen kleinen Bauernhof, Bernd Eichinger verfilmt das Leben eines Pornorappers aus dem Bravoheftl und Gorgoroth-Sänger Gaahl hat sich als homosexuell geoutet und designt an seiner eigenen Modelinie herum. Spätestens da begann der altersbedingte Haarausfall orthodoxer Black Metal- Jünger.

Metamorphosis

Aber reisen wir noch einmal zurück in das Jahr 1993. Da veröffentlicht die norwegische Band Ulver (norwegisch für Wölfe) ihr erstes Demo. Ästhetisch und zu einem gewissen Grad auch ideologisch ganz klar im gerade dahin brausenden Black-Metal-Sturm verwurzelt und doch ganz anders. Ein Jahr später verblüffen Ulver mit ihrem monumentalen Werk Bergtatt. Ulver vermählen auf dieser Platte den stoischen Riff-Fetischismus des Black Metal mit Folklore und epischen Prog-Elementen. Sehr hymnische Musik, die aber niemals Gefahr läuft pathetisch zu sein.

1995 lassen Ulver mit dem akustischen Neo-Klassik-Album Kveldssanger dann überhaupt Fans und Kollegen Kopf stehen. Aber nicht nur musikalisch brechen Ulver die ungeschriebenen Gesetze des Black Metal. Auch ideologisch distanzieren sie sich von der Szene.

Ulver

Ulver

Für ihre Pressephotos posiert die norwegische Band in schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen. Kein Corpsepaint, keine mittelalterlichen Waffen. Der ideologische Unterbau ihrer Musik ist okkult, über den spekulativen Splatter-Satanismus ihrer Kollegen wird im Hause Ulver aber zynisch gelacht.

Ulver entwickeln sich ähnlich wie die englische Band Coil zu einer nüchtern okkult interessierten Band, die ihre Musik oft nach strenger Mathematik-Magie baut. Überhaupt ist im Gesamtkonzept Ulver nur der Vergleich mit den fantastischen Zauberern Coil zulässig.

Ulver werden kontinuierlich experimentierfreudiger und verweben in ihren Werken den anarchistischen Geist von Black Metal mit vielen elektronischen Nischen wie Ambient oder Drum 'n' Bass. Und immer wieder Kammermusik. Und sogar Jazz und dann sogar HipHop-Elemente. Auch eine Kooperation mit dem österreichischen Klangmaler Fennesz findet man in der bunten Biografie von Ulver.

Erst letztes Jahr feierten Ulver ihr erstes Konzert. Die norwegische Presse schrieb über das Live-Debüt von Ulver auf dem Norwegian Festival of Literature : "Es war viel mehr als nur Musik, es war eine künstlerische Bereicherung und ein historisches Ereignis zugleich".

Um so sensationeller ist es deshalb, dass Ulver am 23. Februar 2010 eines ihrer seltenen Konzerte in der Arena Wien spielen werden. Am 24. Februar werden Ulver dann ausführliches Thema im House Of Pain sein.