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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

14. 2. 2010 - 10:49

Kinosterben: Avatar ist schuld

Am Donnerstag wurde in Berlin die 60. Berlinale eröffnet und zuvor hat man ausführlich ihrer sechzigjährigen Geschichte gedacht.

Dabei wird immer wieder darauf hin gewiesen, dass die Berlinale, anders als die A-Festivals in Cannes und Venedig auch ein Besucherfestival ist, und wie begeistert und enthusiastisch die Berliner ihre Filmfestspiele feiern. Diese Begeisterung ist aber nicht der Qualität des Festivals, seiner politischen Ausrichtung und den Filmen an sich geschuldet, sondern geht noch auf Kalte-Krieg - und Mauerzeiten zurück, als man sich hier, eingeschlossen und vergessen vom Rest der Welt, halb tot freute, wenn überhaupt mal „Internationale Stars“ in die Stadt kamen. Und vielleicht ist deshalb heute noch die regionale Berichterstattung provinziell, starverliebt und starbesessen, sodass man nach wenigen Tagen schon das Wort „roter Teppich“ nicht mehr hören mag.

Gleichzeitig wird die Berlinale immer mehr zum Event, zum Mittel der Standortförderung und des Stadtmarketing. Als die Berlinale vor 60 Jahren von den Alliirten gegründet wurde gab es ein Filmfest plus Retrospektive.
Inzwischen sind die Reihen Forum, Panorama, Perspektive Deutsches Kino, Kinderfilmfest, Berlinale Shorts, Hommage, Generation und Kulinarisches Kino dazu gekommen. Dieses Jahr neu: „Berlinale goes Kiez“. In ausgewählten kleineren Kinos gibt es Galavorstellungen mit rotem Teppich und Filmcrew, so will man die kleinen Programmkinos stärken und das haben sie auch bitter nötig.

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In Berlin ist man zwar verwöhnt, an die 100 Kinos gibt es darunter 55 Arthouse- und Filmkunstkinos. Doch diese Vielfalt ist nun bedroht und schuld daran ist mal wieder die Digitalisierung, eigentlich Avatar. Denn obwohl der erfolgreichste Film aller Zeiten haufenweise Geld in die Kinokassen gebracht hat, blieben Kinos ohne digitale Abspieltechnik außen vor. Da aber nun mal die Zukunft des Kinos Digitalisierung heißt, soll umgerüstet werden, das kann sich keiner leisten, ein millionenschwerer Zuschuss wird von der Stadt Berlin gefordert, die wiederum pleite ist und so weiter und so fort. Der marktliberale Pragmatiker könnte nun sagen, eine so große Kinodichte sei halt unnötig, aber für uns Städtebewohner sieht das ganz anders aus:
Es ist manchmal ganz schön hart in Berlin zu leben und da braucht es kulturellen Luxus. Man muss sich abends überlegen können, welchen Film schau ich denn in welchem Bezirk an? Lieber im funktionalen Multiplex, oder im prächtigen DDR-Kinopalast oder im Off-Kino? Originalfassung oder OmU oder synchronisiert, um acht oder früher oder zur Spätvorstellung? Soviel Auswahl muss sein, man hat ja sonst nix vom Leben.

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... und Kinoprachtbauten der Berliner Ostmoderne können wir uns entscheiden