Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Diskostyle war vorgestern"

Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

13. 2. 2010 - 15:19

Diskostyle war vorgestern

Beim ersten großen Snowboardcontest in Linz, dem Red Bull Upside Down, waren nicht nur die Tricks, sondern auch der Puls der Fahrer enorm stylisch.

Es leuchtet und blinkt wie im Vergnügungspark – hell und in bunten Farben. Nur, dass hier statt einer Hochschaubahn und einem Tagada eine Schanze aus Schnee, ein paar Stiegengeländer und ein Holztisch stehen. Auf die Stufen des Futurelab, hinter dem Ars Electronica Center in Linz, hat man einen Snowboardpark gebaut, in dem sechzehn Shredmeister gestern Abend ihre Tricks gezeigt haben. Der Red Bull Upside Down, der erste Snowboard Contest in der oberösterreichischen Landeshauptstadt, war aber nicht nur ein sportliches, sondern auch ein künstlerisches Event.

RB Upside Down Puls - Wojtek Pawlusiak

Erwin Polanc/Red Bull Photofiles

Wojtek Pawlusiak im Pulslabor

Marc Swoboda, Basti Rittig, Darek Bergmann – sie alle tragen, versteckt unter dicken Jacken, einen Pulsmesser auf der Brust. Während des gesamten Runs, der links neben dem Ars Electronica Center losgeht, wird ihr Puls gemessen und für jeden sichtbar auf die Fassade des Gebäudes übertragen. 40.000 LED-Leuchten dokumentieren was im Körper der Boarder vor sich geht. „Ein niedriger Puls ist schöner anzuschauen,“ meint eine der rund 5.500 Zuschauerinnen und Zuschauer. „Wenn er sehr hoch ist, blinkt nämlich alles so schnell, und man kommt sich vor wie in der Disko“.

Zwischen 32 und 45 Schläge pro Minute beträgt der Ruhepuls eines trainierten Ausdauersportlers. Mit Ruhe hat das, was beim Contest vor sich geht, aber rein gar nichts zu tun. „182, 194, 176“, gibt der Moderator die Herzschlagfrequenzen der Fahrer durch. „Mein Puls muss extrem hoch gewesen sein. Als ich da nämlich das erste Mal raus bin und die vielen Leute gesehen hab, hat mich das richtig gestresst“, sagt der Steirer Fips Gruber. Aber auch das Contest Format hat den Adrenalinspiegel des 23-jährigen und den der anderen Boarder gehörig in die Höhe schnellen lassen.

Anfahrt Winch

Erwin Polanc/Red Bull Photofiles

Mit rund 80km/h rasen die Rider auf einen Step-Up Kicker zu, also bergauf, und werden dabei von einer Seilwinde gezogen. Das kennt man vor allem vom Wakeboarden, einer Sportart, in der die sechzehn Upside Down-Teilnehmer keine Experten sind. „Der Dude, der da oben steht und Gas gibt, muss ein Gefühl dafür haben, und du selbst musst im richtigen Moment die Lenkstange loslassen“, erklärt Fips Gruber und der Slowake Roman Roth fügt hinzu: „Actually, when I did it the first time, I was pretty scared“. Schön auch mal sowas wie Unsicherheit und Emotionalität aus dem Mund eines Snowboard-Pros zu hören, einer Gattung, die vor allem für Coolness steht. Beim Linzer In-City Contest menschelt es aber generell gewaltig. Konkurrenzkampf ist unter den Boardern, von denen keiner älter als 24 Jahre ist, nicht zu spüren. Und auch das Publikum wirkt wie eine große Sippschaft – da steht der junge Vater mit seinem Kind auf den Schultern neben dem Opa mit Gehstock und einem Snowboard-Girlie.

Herby Thaler (AUT) am Rail.

Erwin Polanc/Red Bull Photofiles

Cool ist das, was man im Hof des Ars Electronica Centers zu sehen bekommt, aber auf jeden Fall. Urbanität gepaart mit Bergsport. Schon nach wenigen Minuten hat man das Gefühl, dass Snowboarden schon immer in der Stadt zu Hause war, genauso wie die Stiegengeländer in der Innenstadt und die Picknicktische entlang der Donau. Statt zum Festhalten und als Jausenunterlage, nutzt man sie heute eben zum Rumturnen mit dem Brett.

Wojtek Pawlusiak (POL) am Rail.

Erwin Polanc/Red Bull Photofiles

Railmeister Wojtek Pawlusiak

Jeder der sechzehn Shredder kann so oft fahren wie er will. Orgienhaft wird gehüpft und gerutscht. Manchmal sind sogar bis zu drei Fahrer gleichzeitig am Parcours. Die Judges, u.a. der letztjährige Big-Air Gesamtsieger im FIS-Weltcup, Stefan Gimpl haben es nicht leicht den Überblick zu behalten. Und auch als Zuschauer fühlt man sich nahe einer Eindrucksüberdosis - da ist das Ars Electronica Center, das immer wieder stroboskopartig blinkt und dort sind die Snowboarder, die auf die Stiegen des Futurelab zugeschossen kommen und Schnee aufwirbeln. "Schöner ist das Ars Gebäude, aber aufregender sind defintiv die Sportler", fasst es ein ein junger Fan ganz gut zusammen.

Ergebnis des Red Bull Upside Down:
1. Wojtek Pawlusiak (POL)
2. Gerben Vervej (NED)
3. Dani Raycsani (GER)

Gegen 22 Uhr haben auch die Judges die gezeigten Leistungen für sich zusammengefasst und bewertet, sodass der Sieger gekürt werden kann. Wojtek Pawlusiak aus Polen hat alle anderen Contestfahrer ausgestochen, auch die acht Österreicher, die deutlich in der Überzahl waren. „In Poland we don’t have so many good snowparks on the mountains, so we use what we have and that’s usually a rail”, erklärt der 23-jährige seine überzeugende Performance. Und wie hat er innerlich performt? „Oh, I think my pulse was pretty average“ - was, übertragen auf die Digitalkunst, so viel heißt wie: die Fassade des Ars Electronica Centers hat bei Wojteks Runs nur ganz entspannt geblinkt. Diskostyle war augenscheinlich vorgestern, zumindest wenn es nach dem ersten In-City Snowboard Contest in Linz geht.

Judge Stefan Gimpl, der Sieger Wojtek Pawlusiak (POL),

Marcel Lämmerhirt/Red Bull Photofiles

Der Sieger mit Snowboard-Profi und Judge Stefan Gimpl