Erstellt am: 12. 2. 2010 - 15:49 Uhr
Griechischer Wein(krampf)
„Griechenland steht vor dem Staatsbankrott, und muss von den anderen Euro-Staaten aufgefangen werden“ („Euros nach Athen tragen“ nannte der Kurier das vor einigen Tagen recht witzig), „sonst bricht der ganze Währungsraum zusammen“ – so lautet ungefähr die Story, die in den letzten Tagen die Wirtschaftspresse beherrschte. Was steckt dahinter?
Über die Verhältnisse gelebt?
Radio FM4
Griechenland hat jahrelang mit den Budgetzahlen getrickst, die an Brüssel gemeldet wurden, deshalb wurde erst nach und nach deutlich, dass die Budgetdefizite schon länger weit über den Richtwerten der EU-Regeln liegen. Gemeinsam mit den Geschichten eines von Korruption und sozialen Konflikten geschüttelten Landes ergibt das in der internationalen Wahrnehmung das Bild eines notorischen Betrügers, der nun verantwortungslos andere für seine Fehlleistungen bezahlen zu lassen versucht. Parallelen zum Verhalten der Kärntner Landesregierung in der Hypo-Causa scheinen sich aufzudrängen.
Länder wie Deutschland pflegen hingegen das Selbstbild einer Wirtschaft, die leistungsfähig ist und ihren Haushalt in Ordnung gehalten hat, während Griechenland und andere „PIIGS“ (plakativ-pejoratives Kürzel für die hochverschuldeten Euro-Mitgliedstaaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Sie müssten nun endlich das tun, was sie die längste Zeit verabsäumt hätten: Eisern sparen und härter arbeiten für weniger Geld – so die amtliche Linie.
In der Tat haben Deutschland (und in seinem Windschatten Länder wie Österreich) Griechenland und andere südliche Staaten Europas wirtschaftlich abgehängt – die Lohnstückkosten stiegen im Süden stärker, was zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führte, mit der Folge steigender Leistungsbilanzdefizite (es konnte also grob gesagt weniger ins Ausland verkauft werden als vom Ausland gekauft wurde) und Staatsverschuldung.
Doch diese Defizit-Position hat ein Spiegelbild: Die Überschüsse des „Exportweltmeisters“ (und seiner Zulieferanten in den Alpen und anderswo), die mit einer nobel „Lohnzurückhaltung“ genannten Dumpingstrategie die anderen Staaten auf den Exportmärkten überflügeln und zu Abnehmern ihrer Exportprodukte machen. Statt den heimischen Lohnabhängigen Löhne zu zahlen, mit denen diese sich kräftig als KonsumentInnen betätigen können, wird in deutschsprachigen Unternehmen bei den Löhnen zunehmend gespart und stattdessen darauf gebaut, im Ausland KäuferInnen zu finden, die notfalls auf Pump kaufen. Die Rolle des weltweiten Hauptabnehmers in dieser weltweiten Aufgabenteilung spielten bis zum Ausbruch der Krise 2008 die USA, in kleineren Nebenrollen spielten aber auch Defizitländer wie Griechenland und andere Länder des Euroraums wohl oder übel mit.
Wer jetzt zahlen muss
Eine Unterstützung für die Bewältigung der griechischen Budgetprobleme durch die Nutznießer dieser asymmetrischen Aufgabenteilung könnte man als angemessene Kompensation betrachten. Doch die anderen Staaten zieren sich, und drängen darauf, Griechenland müsse zuerst massive Einsparungen vornehmen. Vielfach wird behauptet, die anderen Staaten seien jedoch zur Unterstützung quasi gezwungen, weil ein Bankrott Griechenlands den Euro zum Zusammenbrechen brächte. Wie realistisch ist das?
Ein Bankrott Griechenlands steht nicht zur Debatte, weil ein echter Bankrott – also, dass ein Schuldner Zahlungsunfähigkeit erklärt, woraufhin die Gläubiger seine Besitzstände liquidieren lassen – bei Staaten nicht möglich ist. Staaten haben für ihre Schulden allerdings immer eine gewisse Laufzeit (eine Staatsanleihe läuft ein paar Monate bis ein paar Jahre, dann wird sie zurückgezahlt). Alle paar Monate wird ein Teil der Gesamtschulden zur Rückzahlung fällig, und muss durch neue Schuldpapiere erneuert werden. Wenn Griechenland es beim nächsten Mal nicht schafft, neue Schuldpapiere zu verkaufen, weil die Gläubiger so misstrauisch sind oder angesichts des Risikos astronomische Zinsen verlangen, dann wird der Staat mit den Altgläubigern über einen Schuldennachlass verhandeln müssen. Das würde Verluste für europäische (auch österreichische) Banken bedeuten, die griechische Staatsanleihen halten. Um das zu vermeiden, könnten andere europäische Staaten ein Interesse haben, dem griechischen Staat im Ernstfall Überbrückungskredite zu gewähren.
Müssen sie es machen, um den Euro zu retten? Eigentlich nein, weil mit 3% Anteil an der Wirtschaftsleistung des Euroraums ist Griechenland eigentlich nur ein kleiner Fisch in diesem Club. Und die Budgetschwierigkeiten eines Staates haben eigentlich keine direkte Konsequenz für den Rest (außer die Griechenland-Affäre führt in weiterer Folge dazu, dass die Gläubiger dauerhaft von anderen Eurostaaten auch höhere Zinsen verlangen, weil sie ein höheres Risiko sehen), von einem „Zusammenbruch des Euroraums“ ganz zu schweigen. Dass auf den internationalen Währungsmärkten jetzt Spekulationen um den Euro einsetzen, ist kein wirkliches Drama: Eine Abwertung des Euro gegenüber anderen Währungen hilft in der Wirtschaftskrise den Unternehmen im Euroraum, billiger zu exportieren – was nicht zuletzt für Griechenlands Wirtschaft momentan ziemlich günstig wäre.
coto
Wie geht’s weiter? Hilfen für Griechenland werden laut jüngster Verlautbarung des Europäischen Rats als allerletzte Möglichkeit nicht ausgeschlossen, aber vorerst noch nicht gewährt. Und statt die Krise zum Anlass zu nehmen, über eine andere europäische bzw. internationale Arbeits- und Lastenteilung zu reden, wird jetzt der griechischen Bevölkerung die komplette Anpassungslast aufgebürdet. Die Proteste der Bevölkerung folgen prompt.