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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

12. 2. 2010 - 12:27

Schwarz auf weiß

Der Undercover-Journalist Günter Wallraff läuft für seinen Dokumentarfilm schwarz angemalt durch Deutschland - und hinterlässt zwiespältige Gefühle.

Günter Wallraff ist in Deutschland eine Legende. In den Achtziger Jahren hat er in seinem Buch Ganz unten sein Leben als Türke verkleidet geschildert und damit einen Bestseller gelandet. Ganz Deutschland diskutierte damit die Situation vieler türkischer Gastarbeiter im Land. Vorher bereits hat er undercover in der Redaktion der Bild-Zeitung gearbeitet und die zwielichtigen Methoden von Deutschlands größtem Boulevardblatt aufgezeigt. Wallraff ist in Deutschland der Enthüllungs-Journalist. Auf Schwedisch heißt seine Recherchemethode wallraffen.

Aber wie das so ist mit alternden Legenden: Sie haben oft nur eine Nummer drauf. Bei Günter Wallraff ist es das Versteckspiel. Diese Woche kommt sein Film "Schwarz auf Weiß" in die österreichischen Kinos, der bereits im Herbst in Deutschland heftige Debatten ausgelöst hat. Und das nicht zu unrecht.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint...

...so sprach schon Erich Kästner, und Günter Wallraff meint es definitiv gut. "Schwarz auf Weiß" ist nicht das Gegenteil von gut, aber er hat gewaltig Luft nach oben: Mit einer Mischung aus Naivität und Eitelkeit geht Günter Wallraff an die Sache heran: als Schwarzer verkleidet nimmt er mit versteckter Kamera die Reaktionen seiner Mitmenschen auf. Vorbereitung brauche er keine, erzählt er im Interview – und so sieht der Film dann leider auch aus.

Günther Walraff in dem Film "Schwarz auf Weiss"

X-Verleih

Günter Wallraff in "Schwarz auf Weiss"

Er geht zu Discotürstehern, er geht auf Wohnungssuche, er geht zum Volksfest, zu einem Fußballspiel in Ostdeutschland, zu einem Hundeausbildungsverein und zum Seniorenwandern. Überall mit versteckter Kamera, und überall kommt nach ihm eine zweite versteckte Kamera, getragen von einem Weißen, der ganz anders behandelt wird.

Buchcover von Günter Wallraffs Buch "Aus der schönen neuen Welt"

KiWi Verlag

Günter Wallraffs Erlebnisse als Kwami Ogonno sind auch, zusammen mit anderen verdeckten Ermittlungen, als Buch erschienen.

Es ist sein Film, Günter Wallraffs Film, vom Anfang bis zum Schluss. Er will damit eine Debatte über Rassismus in Deutschland anregen sagt er, so wie er vor Jahren eine Debatte über die Methoden der Bild-Zeitung angeregt hat oder über die Situation der Gastarbeiter in Deutschland. Aber "Schwarz auf Weiß" ist kein Film über die Diskriminierung von Schwarzen in Deutschland, es ist ein Reality-Film über Günter Wallraff, der sich als Schwarzer verkleidet. Der provoziert und den Menschen so lange auf die Nerven geht bis er gehasst wird. Natürlich braucht es dazu oft gar nicht viel, etwa bei der Kölner Wohnungsvermieterin oder am Schäferhundeübungsplatz. Aber in etlichen Szenen ist deutlich zu spüren, dass Wallraff eigentlich gar nicht weiß, was er dort will, wo er ist – außer schauen was passiert, weil er doch jetzt schwarz ist. Und wenn nichts passiert, dann hilft er eben nach.

Schwarz sein allein ist nicht genug

Als Kwami Ogonno ist Wallraff Somalier, mal deutscher Staatsbürger, meistens aber doch auch Flüchtling, jedenfalls irgendwie arm, mit Plastiktüte in der Hand und eigentlich überall fehl am Platz – die Figur Kwami Ogonne ist so wenig stimmig wie der ganze Film, nicht schwarz, sondern schwarz angemalt, ein unbestimmter Afrikanerhybrid aus Wallraffs Fantasie.

Trotzdem enthält der Film einige erhellende Szenen, die für Wallraffs Zweck durchaus genügt hätten: die Ungeschminktheit, mit der manche Bürger ihre Ablehnung auch dort zeigen, wo Wallraff eben nicht nachhelfen muss, die Aggression, die ihm entgegenschlägt, auch wenn er sich normal verhält – das zeigt der Film in einigen Szenen, und das sind die Momente des Films, in denen er seinen Zweck erfüllt. Leider ist der Zweck nicht mehr als zu sagen, dass es in Deutschland Alltagsrassismus gibt – und wie sich das für einen verkleideten Weißen anfühlt.

Umso unverständlicher also, dass Wallraff der Meinung ist, er könnte mit seinem Film eine Debatte über Rassismus auslösen – eine Debatte, die in Deutschland seit 25 Jahren geführt wird, wenn auch nicht immer in der breiten Öffentlichkeit. Und die auch schon viel weiter ist als die naive Position eines Günter Wallraff. Er hätte die Debatte in den Mainstream tragen können, doch dazu ist der Film nicht gut genug.

Günter Walraff in dem Film "Schwarz auf Weiss"

X-Verleih

Es ist Eitelkeit und Selbstüberschätzung, nicht Rassismus, die Wallraff dazu verleitet hat, nur den eigenen Erfahrungen, denen des verkleideten Weißen, zu vertrauen. Darum bleibt der stärkste Moment des Films auch der, als Wallraff im Kreise seiner geborgten, "echt" schwarzen Familie – Nancy, Ludi und der kleinen Elisabeth – abgeschminkt wird. Ludi darf kurz von ihren Erfahrungen erzählen, und in diesen wenigen Sätzen steckt so viel mehr als in Wallraffs gesamter Maskerade, dass sie nicht nur den Film, sondern den ganzen Wallraff in Frage stellen.

Günter Wallraff hätte seiner gut gemeinten Sache einen besseren Dienst erwiesen, wenn er nicht einzig und allein sich selbst vertraut hätte. Zum Beispiel hätte eine Dramaturgie dem Film gut getan; Interviews mit schwarzen Deutschen hätten dem Film Authentizität verliehen; Menschen, die schon lange in der Anti-Rassismus-Arbeit tätig sind hätten die Debatte auf dem Niveau des Jahres 2009 führen können, und nicht auf dem der 50er Jahre, als es genügte, die Existenz von Alltagsrassismus anzuprangern. Aber ein solcher Ansatz wäre wohl mit seinem Ego kollidiert. Im Interview sagt er, es wäre dann ein anderer Film geworden. Sicher ein besserer.