Erstellt am: 11. 2. 2010 - 14:30 Uhr
Strategien gegen Rassismus
- Die neuen Gesichter des Rechtsextremismus. Ein FM4 Schwerpunkt zu rechten Strategien und Gegenstrategien. Das genaue Programm gibt es hier.
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Die eine oder andere Situation kennt wahrscheinlich jeder: Der Onkel Fritz erzählt am Kaffeetisch einen islamfeindlichen Witz. Und man hat jetzt gerade nicht das schlüssige Gegenargument parat. An der Mauer des Supermarkts befindet sich seit Wochen ein Graffiti mit rassistischem Inhalt und offensichtlich fühlt sich niemand zuständig, es zu entfernen. An der Bushaltestelle wird neben einem jemand rassistisch angepöbelt oder sogar tätlich angegriffen und man weißt nicht: Solls man eingreifen, die Polizei rufen, schnell weglaufen?
In solchen Situationen überfordert zu sein, ist normal. Man kann sich aber darauf vorbereiten, um zu wissen, wie man am besten reagiert. Denn es gibt zahlreiche Initiativen und Vereine, die einem/r helfen, Strategien zu entwickeln, sich gegen Rechte bzw. gegen rassistische oder ausländerInnen-feindliche Übergriffe zu wehren. Hier drei Beispiele, wie es funktionieren könnte.
Für Deutschland gibt es mit dem Netz gegen Nazis eine gute Sammlung an Wissen, Links und Handlungsstrategien, die mit Sicherheit auch in Österreich funktionieren
Darf ich Hakenkreuze oder rassistische Schmierereien eigentlich übermalen?
"Es ist strittig", meint Philipp Sonderegger von der Initiative Rassismus Streichen. "Im Streitfall entscheidet ein Gericht, ob eine Sachbeschädigung vorliegt oder nicht, wenn man selbst zum Farbtopf greift und solche Schmierereien übermalt." Denn zwar gibt es einen Konsens, dass etwas bereits verunstaltetes nicht weiter verunstaltet werden kann. Wird das Ganze angezeigt, kann man unter Umständen auch verurteilt werden.
rassismusstreichen.at
Die Alternative: die Schmiererei fotografieren und an Rassismus streichen schicken "Wir geben das dann weiter an ZARA, die es dokumentieren und Kontakt mit dem oder der HausbesitzerIn aufnehmen und die Entfernung urgieren." Denn diese sind nach der Bauordnung immerhin verantwortlich, das Haus in einem guten Zustand zu halten. "Und man kann durchaus argumentieren, dass es der Öffentlichkeit nicht zumutbar ist, dass rassistische Beschmierungen an der Wand prangen und es deshalb auch eine Verpflichtung gibt, die zu entfernen."
Die Kosten dafür müssen die HausbesitzerInnen bisher selber tragen. Daher appelliert Rassismus streichen an die Stadt Wien, eine Entschädigung für HausbesitzerInnen einzuführen, etwa in Form einer Versicherung. Solche Modelle gibt es zum Beispiel bereits in Zürich und in einigen britischen Städten. "In Wien ist man hier leider auf Freiwilligkeit angewiesen" meint Philipp Sonderegger. "Es gibt aber immerhin die Beschmierungsambulanz (eine Privatinitiative, Anm.), die Hilfe leistet, wenn man sich das einfach nicht mehr leisten kann, wenn man schon öfter Opfer solcher rassistischen Beschmierungen geworden ist."
ZARA
Schmierereien der Polizei zu melden bleibt unmittelbar oft folgenlos, meint Sonderegger: "Im Jahr 2006 haben wir zum Beispiel 1000 rassistische Beschmierungen gemeldet, im Verfassungsschutz sind dann ganze 36 solcher Schmier- und Klebeaktionen übergeblieben." Vor allem auch deswegen, weil Anzeigen gegen Unbekannt recht schnell wieder fallengelassen werden. Sinn macht das Melden aber trotzdem: "Weil die Polizei so etwas wie eine Antenne für die Behörden ist. Und wenn dort oft Leute vorstellig werden und sich über solche Schmierereien aufregen, dann dringt das früher oder später auch bis zur Spitze der Polizei und schlussendlich in die Politik vor." Und das Öffentlichmachen durch Initiativen wie "Rassismus streichen" und das Sich-Aufregen hat immerhin schon Wirkung gezeigt: "Im ersten Jahr, 2005 haben wir an die 1000 solcher Beschmierungen dokumentiert, mittlerweile ist es so, dass wir etwa drei oder vier neue Beschmierungen im Monat gemeldet bekommen. "
Soll man mit Nazis überhaupt reden? Und kann man das lernen?
Das Argumentationstraining gegen Stammtischparolen findet ein bis zweimal im Monat in der Asylkoordination statt. Ist für Vereine oder Gruppen auch jederzeit buchbar.
"Naja, da stellt sich einmal die Frage, was man will und um welche Situation es sich handelt", meint Rassismusexperte Herbert Langthaler, der bei der Asylkoordination ein so genanntes Stammtischparolentraining anbietet. Denn gefestigte Nazis wird man mit rationalen Argumenten wohl nicht umkrempeln können. "Bei Pöbeleien im öffentlichen Raum zum Beispiel, da geht es wohl erst einmal darum, Widerstand zu leisten. Durch Zwischenrufe oder ähnliches zu zeigen, es sind Leute anderer Meinung bzw. auch den Betroffenen zu zeigen: Es haben nicht alle Österreicherinnen und Österreicher diese Positionen. Ihr seid nicht alleine."
Bei Personen, die man nicht wirklich als gefestigte Rechtsextreme einschätzt, bzw. die man persönlich schätzt, die aber auf einmal mit eigenartigen Aussagen auffallen, stellt sich die Situation anders dar: "Da geht’s darum zu schauen: Woher kommt das überhaupt? Was hat der oder die wirklich für Probleme?" Denn meistens sind ausländerfeindliche Aussagen oft Sündenbock-Phänomene. "Da wird wohl das Gespräch unter vier Augen und ein persönlich verstehender Kommunikationsstil etwas nützen. " Und den/ die andere eben nicht als IdiotIn bloßzustellen. Denn wenn man versucht, die Positionen des/der anderen zu verstehen, dann wird man auch eher gehört.
flickr.com/xiaojiecha
Ähnliches bietet auch das Bündnis gegen den Rechtsruck mit der Gesprächsreihe Backtalk. Hier wird am 23. Februar Corinna Milborn mit Hikmet Kayahan über die Ursachen des "Rechtsrucks" und Möglichkeiten dagegen zu steuern diskutieren.
Auch bei den klassischen Stammtischaussagen, etwa "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg" wird man mit einem detaillierten und komplexen Faktenreferat, wie der Arbeitsmarkt funktioniert, wenig ausrichten können. "Das ist eher für einen selber wichtig, da sattelfest zu sein. Zu wissen, das stimmt so einfach nicht." mein Langthaler "Bei diesen Stammtischparolen kommt man mit rationalen Argumenten meistens einfach nicht durch. Da geht es eher darum, die Position ein bisschen zu erschüttern und zu unterminieren." Dies geht mit Sich-Dumm-Stellen und Nachfragen. Nach konkreten Beispielen oder die RedenschwingerInnen durch Fragen wie "Wen meinst du denn mit 'uns'?" ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Oder einfach auch durch Geschichten erzählen: "Das ist eine gute Methode, weil sie Raum schafft. Eine Geschichte hat einen Anfang und eine Ende und zwingt die Leute zuzuhören. Wenn man jetzt wirklich von einer Stammtischsituation ausgeht, wo mehrere Leute an einem Tisch sitzen und miteinander reden, dann hat der, der die Geschichte erzählt erstmal die Zuhörer bei sich. Und hat damit auch eine gewissen Raum, Argumente zu entwickeln."
Ich werde ZeugIn eines rassistischen Übergriffs, was soll ich tun?
ZARA bietet Opfern und ZeugInnen von Rassismus rechtliche Unterstützung. Außerdem gibt es die Möglichkeit Zivilcourage-Trainings zu absolvieren.
"Wenn schon eine körperliche Attacke erfolgt, dann ist für mich die einzig sinnvolle Reaktion, die Polizei zu rufen.", meint Stefan Radinger, er ist Jurist bei ZARA und berät in dieser Funktion Opfer und ZeugInnen rassistischer Übergriffe. Natürlich könne man in speziellen Fällen, etwa wenn man sich an einem öffentlichen Platz mit vielen anderen Personen befindet, versuchen, gemeinsam einzugreifen. "Aber generell ist es niemandem zuzumuten, dass er oder sie sich in eine Gefahrensituation begibt."
Aber: ZeugInnenschaft ist in solchen Situationen wichtig."Man sollte also auch warten bis die Polizei eintrifft. Denn wenn die schlussendlich die Täter schnappt, dann ist es wichtig, dass auch Zeugen da sind, die aussagen und das bezeugen könne, was passiert ist." Denn die Opfer sind oft emotional aufgewühlt beziehungsweise so damit beschäftigt sich irgendwie zu schützen, indem sie zum Beispiel ihre Hände vors Gesicht halten, dass sie oft gar nicht sagen können wie die Täter ausgesehen haben oder wie der Ablauf genau war. "Da braucht es dann eben Zeugen, die das alles ganz genau beschreiben können." Damit man, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, auch dort als Zeuge oder Zeugin aussagen kann, sollte man der Polizei daher auch auf alle Fälle die Kontaktdaten hinterlassen. Für eineN selbst kann es oft hilfreich sein, unmittelbar nach dem Vorfall ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen, auf das man später zurückgreifen kann.
KiWi Verlag
Auch hilfreich: Das Buch gegen Nazis.
Kiepenheuer & Witsch Paperbacks
Es kommt immer wieder vor, dass ZeugInnen Angst haben, vor Gericht auszusagen oder zu einer Gegenüberstellung zu kommen, da sie befürchten, selbst von Rechtsextremen verfolgt zu werden. Dazu meint Stefan Radinger: "Uns ist grundsätzlich kein Fall bekannt, wo es dann Repressalien gegeben hätte." Pauschal ausschließen könne man so etwas natürlich nie. Er rät dazu, sich die Situation genau anzusehen: "Wer ist der Täter bzw. wie gefährlich ist er tatsächlich? Hat er aus Überzeugung gehandelt oder war er vielleicht nur betrunken und hat aus der Situation heraus gehandelt? Generell, würde ich aber sagen, kann einem Zeugen nicht viel passieren, wenn er vor Gericht aussagt."
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Etwa wie ich gegen Rechtsextremismus in Internet vorgehen kann, was tun, wenn in meiner Straße ein rechtsextremes Geschäft eröffnet wird oder ob auch Nazis Bioessen produzieren gibt's zum Beispiel auf netz-gegen-nazis.de.