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10. 2. 2010 - 15:18

Ebensee, Bad Ischl und das YOUZ

Junge Menschen aus Ebensee sind unzufrieden mit dem Ruf ihrer Stadt als Hochburg von Rechtsextremen. Ihre Freizeit verbringen sie im YOUZ in der Nachbarstadt Bad Ischl.

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Der Vorfall erregte 2009 auch international Aufsehen: Im Mai 2009 wird eine französische Besuchergruppe in einem Stollen des ehemaligen KZ Ebensee von uniformierten und vermummten Männern angepöbelt. Die Vermummten heben die Hand zum Hitlergruß, rufen "Sieg Heil" und schießen zwei Besuchern mit einem Airsoft-Gewehr ins Gesicht. Danach wird auch eine italienische Besuchergruppe angeschrien. Einer der Italiener reisst einem Neonazi die Sturmhaube vom Gesicht, so dass man sehen kann, dass es sich um einen jungen Menschen handelt. Alle vier Jugendlichen wurden später gefasst und wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung angeklagt. Ein Gerichtsurteil steht noch aus.

pd

Dass in den Stollen und im Gelände rund um das ehemalige KZ Ebensee immer wieder uniformierte Jugendliche "spielen", ist in Ebensee kein Geheimnis. Ein Großteil des Areals, auf dem das Konzentrationslager früher stand, wurde schon in den fünfziger Jahren neu besiedelt und repräsentiert damit wohl den Umgang des offiziellen Nachkriegsösterreich mit der Nazivergangenheit: Heute wohnen etwa 100 Familien am Gelände des früheren KZ. "Nicht alle, die dort wohnen sind glücklich, dass dort jedes Jahr Gedenkfeiern stattfinden", sagt Wolfgang Quatember, Direktor des Zeitgeschichtemuseums Ebensee. "Und manche der Älteren geben diese Unzufriedenheit an ihre Kinder weiter."

Einige Kilometer neben Ebensee liegt die Nachbarstadt Bad Ischl. Viele Jugendliche aus Ebensee verbringen ihre Freizeit im YOUZ, einem Jugendzentrum mit engagierten MitarbeiterInnen, das nicht nur gemütliche Räume zum Chillen und eine Konzertbühne hat, sondern auch immer wieder internationale Projekte veranstaltet. Oft geht der Anstoß für diese Projekte auch von den Jugendlichen selbst aus - so auch letztes Jahr nach dem Überfall auf Besucher der Gedenkfeier im Mai.

YOUZ

Lisa, 17 Jahre alt, erzählt: "Nach dem Ereignis im Mai hab ich mir gedacht: Das gibt's nicht. Mir war es peinlich. Weil ich selber aus Ebensee bin und mir gedacht hab: das gibt's nicht, dass alle Jugendlichen hier so denken. Und dass Ebensee genau durch diesen Vorfall so auffällt, hat mich sehr gestört." Lisa hat zusammen mit Freundinnen und Freunden den Anstoß für ein Projekt im YOUZ gegeben. Ausgearbeitet und realsiert wurde die Idee dann von Silvia Panzl, Leiterin des Jugendzentrums, und ihrem Team. Gäste aus anderen Ländern wurden eingeladen. Zehn Tage sollte das Projekt dauern, um über Themen wie Migration, Asyl oder Zivilcourage zu sprechen und in kreativen Workshops zu behandeln.
Pauline: "Es war interessant, zum Beispiel die Meinungen der Italiener zu hören. Ich war zum Beispiel im Theaterworkshop dabei. Jeder hat dort eine Geschichte erzählt, bei der er oder sie mit dem Thema Rassismus konfrontiert war. Da war für mich mal interessant, dass es anscheinend überall gleich ist: Überall gibt es Ausländerfeindlichkeit."

YOUZ

Von solchen Erkenntnissen abgesehen hatten Pauline und Lisa auch Aha-Erlebnisse, wenn es um schon oft gehörte Begriffe ging: "Du hörst in den Medien ständig Wörter wie Migration oder Asyl, aber ich glaube, die wenigsten Menschen denken nach, was hinter diesen Begriffen steckt. Für mich war das Projekt einfach auch wichtig um zu lernen, wovon da eigentlich immer gesprochen wird."

Auch Max verbringt viel Zeit im Bad Ischler YOUZ, obwohl er eigentlich in Ebensee lebt. "In Ebensee hört ein ziemlich großer Teil der Jugendlichen rechtsextreme Musik. Auch im Jugendzentrum dort. Sie tragen eindeutige Kleidung. Sie haben ausländerfeindliche Einstellungen." Wirklich mit rechtsextremen Jugendlichen zu arbeiten, ist aber laut Silvia Panzl auch im YOUZ in Bad Ischl kaum möglich: "Dafür sind wir nicht ausgebildet und das ist auch schwierig. Wenn Jugendliche wirklich schon in rechtsextremen Kreisen drin sind – und die gibt es in Ebensee – dann können wir bestimmt nicht mit ihnen arbeiten. Aber was wir machen können ist, den Jugendlichen hier einen Platz zu bieten, wo sie miteinander reden können. Wo man in Kontakt kommen kann auch mit 'anderen' – und darum veranstalten wir viele internationale Projekte. Viele Jugendliche hier sind noch nie gereist, es gibt Vorurteile zum Beispiel gegenüber den Polen. Und dann kommt eine Gruppe aus Polen her und man versteht sich plötzlich blendend. Dann hat das Land ein Gesicht und man braucht keine Angst mehr davor zu haben."

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Doch es ist nicht nur dem Engagement der YOUZ-MitarbeiterInnen zu verdanken, dass viele Dinge in Bad Ischl möglich sind. Nach mehreren gescheiterten Versuchen hat die Stadtverwaltung begriffen, dass sie die Politik aus der Jugendarbeit heraushalten muss. Silvia Panzl: "Wichtig sind Öffnungszeiten, die für Jugendliche attraktiv sind. Und Ressourcen, mit denen man Projekte verwirklichen kann. Und es ist ein Irrglaube, dass man allein mit ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen auskommt. Für gute Jugendarbeit sind bezahlte Mitarbeiterinnen wichtig." Und im Idealfall treffen diese MitarbeiterInnen wie hier mit Jugendlichen zusammen, die sich Gedanken über Gegenstrategien zu Ausländerhass und Rechtsextremismus machen und dazu austauschen wollen.