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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

10. 2. 2010 - 10:31

Transmediale: Am Ende ein paar Fragezeichen

Zum Abschluss der Transmediale gab ich mir selbst zur Lösung eine Frage auf: Soll ich Medienkunst jetzt doof finden oder nicht? Es spricht so vieles dafür und manch tolles dagegen.

Bevor’s zu spät ist noch ein Nachschlag vom letzten Transmediale-Tag: Die "Liquid Democracy"-Diskussion war nicht der Rede wert – eine kleine Hacktivismus-Schau von Steve Lambert, ein Was-ist-Internet von Sascha Lobo, eine marxistische Kritk an den Internetverhältnissen (Neofeudalismus) von Matteo Pasquinelli und ein Vortrag Tiziana Terranovas, an den ich mich einfach nicht erinnern kann (und der auch nicht im tollen Videoarchiv der Transmediale aufzufinden ist).

Der "Invisible Cities"-Salontalk zeigte ein paar Projekte, welche die unsichtbare Stadt, jenseits der alltäglich benutzten Stadt erfahrbar machen sollen – etwa die Strahlungssensoren, mit deren Hilfe man sich in Funklöchern verbergen kann und die Wifi-Kamera, die Funkwellen von WLAN-Routern auffängt und in ein verwaschenes Pixelbild überführt. Neues aus der Gadget-Bastelstunde, lustig aber langweilig.

Um so interessanter fand ich die, in diesem faden Rahmen vorgestellte, Arbeit Julius von Bismarcks, den man vielleicht von seinem Geisterbild-Projektor "Image Fulgurator" kennt. Von Bismarck stellten einen neuen “Apparatus” vor, der den Aufnahmeprozess und die Bildrezeption eines Filmes umkehren und dadurch das innere Bild, das sich durch Filmbetrachtung aufbaut, darstellen können soll.

@transmediale.de

Wer einen Film sehe, konstruiere daraus eine zwar diffuse, aber trotzdem irgendwie vollständige Welt. Die hat nur mehr Ähnlichkeit mit der persistenten 3D-Welt, die einst eine Filmkamera ausschnittsweise in 2D-Bildchen plus Zeitinformation (eins nach dem anderen) übertrug. Der Apparatus nun besteht zum einen aus einer Software, die Kamerabewegungen aus einem digitalisierten Film herausliest und einer zum Projektor umgebauten Filmkamera, der den Bildinformationen entsprechend gesteuert wird. Die Projektion des analysierten Films brennt sich verblassend in einer rundum aufgespannten phosphorizierenden Folie ein, die der Zuschauer als Dome/Iglu begehen kann.

Von Bismarck legt dabei nach eigener Aussage Wert darauf, dass dieser Apparatus trotz Softwarekomponente möglichst mechanisch die empfangenen Informationen verarbeitet, sich selbst also möglichst wenig in das Ergebnis einmischt – damit sei auch eine Information, wie etwa die “Handschrift” unterschiedlicher Kameraleute, übertragbar.

Von den beiden nachfolgenden Kurzfilmvorstellungen – The Sucession of Future, Filme über die Überreste der kommunistischen Utopie; Hypno Media, Filme über Medien – blieb mir dann vor allem “Bitch Academy” hängen, eine Doku über eine russische Brautschule, in der Frauen und Mädchen sich zu verführerischen Partnerinnen erziehen lassen wollen.

Was dann aber doch am letzten Tag übrigblieb, war eine gewisse Ratlosigkeit, wie ich denn jetzt zu Medienkunst stehen soll. Zum einen stehe ich ganz auf Seiten der Kritiker, die Medienkunst für ein Relikt der vergangenen Euphorie anlässlich den Möglichkeiten eines neuen Mediums ansehen, etwa Carsten Probst, der treffsicher schreibt: “Netzwerke sind offenkundig keine konspirativen Angelegenheiten mehr, sondern Teil der Banalität des Bösen, heißt: der Massen- und Konsumkultur.”

Dann finde ich Hacktivismus, Gadgetbastelei und die ganze Mashupperei zwar oft gerade noch unterhaltsam, aber ansonsten furchtbar langweilig. Symptomatisch am innhaltsleeren “Fuck Google-”-Stand der Transmediale, in der die Fat Labs fleißig pseudoprovokant gegen Google wetterten und zur Krönung einem gerade (angeblich, war nur ein Fake) durch Berlin kreisenden Google-Kamerawagen ein GPS-Peilgerät anhefteten und sich nicht entblödeten, in all der Selbstaufgeregtheit etwas zu schreiben, wie “And the Tranny Oscar went to …” Das alles ist ja nicht sooo weit weg von einer schlimmen Betroffenheitskunst – oder gar dem Kunsthandwerk.

Zilvinas Kempinas: White Noise (2007-2008, Magnetband, Ventilatoren, Sperrholz, Scheinwerfer, Dimensionen variabel) from nothinglefttoadjust on Vimeo.

Ich schließe mich aber auch nur teilweise einem Zielinski an, der keine Beiträge zur medialen Entwicklung mehr von Medientheoretikern– und -künstlern sehen will, da diese ja sowieso nichts neues hinzuzufügen haben; zu nah dran und so. Zum einen sind da eben auch die von Bismarcks, die abstraktere Vorgänge in und um Medien zu verstehen und abzubilden versuchen. Zum anderen waren auf der Transmediale auch Ryoji Ikeda und Zilvinas Kempinas, die mit ihren Installationen irgendeine gewaltige Wahrheit entdeckt zu scheinen haben – und sei es irgendeine Essenz von Bildgewalt. Ikeda visualisierte Information nahe am weißen Rauschen, Kempinas schuf aus alten Filmrollen, hellem Licht und einem Ventilator ein organisch klapperndes, digital blinkende Rauschebild, das irgendwas vermochte – keine Ahnung was, ich hab mir jede wilde Interpretation verboten um mir offen zu lassen, dass es vielleicht einfach nur ein wunderschöner Reiz war.