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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

10. 2. 2010 - 11:00

Tatort Schweden

Nach der "Verblendung" kommt die "Verdammnis". Der zweite Teil von Stieg Larssons Millennium-Trilogie läuft in den Kinos.

Wenn F. von seinen Erlebnissen bei einem Filmfestival berichtet, wo er beinahe die wichtigsten Streifen verpasst hätte, weil ihn dieser Stieg Larsson so ungemein fesselte, wenn H. von Langstreckenflügen erzählt, in denen er in einen fiebrigen Leserausch kippte, wenn zuletzt C. sich mit der Millennium-Trilogie einbunkerte und beinahe aufs Essen vergessen hätte, dann kann ich leider nicht mitreden.

Entschuldigung, ich habe es verpasst, in die Megabestseller von Stieg Larsson einzutauchen. Obwohl deren Spannungsgrad laut Fanaussagen wohl vieles Dagewesene schlägt. Überhaupt Schwedenkrimis. Auch dieser Nesser oder der Mankell, irgendwie reizte mich der extrem erfolgreiche Lesestoff aus dem hohen Norden nie so sehr.

Was mir auf der anderen Seite, wie bei vielen Literaturverfilmungen in der letzten Zeit, einen unvoreingenommenen Blick auf die Kinovarianten von Larssons Büchern beschert.

Und die hörten sich in der Theorie zunächst ziemlich gut an. Schleichende skandinavische Spannung statt gehetztem Ami-Action-Rambazamba. Sinistre Verknüpfungen zwischen Politik und Wirtschaft. Melancholische Landschaften, unverbrauchte Gesichter, der tolle Klang der schwedischen Sprache in der untertitelten Fassung.

Verblendung

Polyfilm

"Verblendung", im Original "Män som hatar kvinnor", heißt der erste Teil der berühmten Millennium-Trilogie, die in Buchform sagenhafte 15 Millionen Exemplare verkaufte. Die Filmversion, dieser Tage auf DVD erschienen, erfüllte durchaus noch einige meiner Erwartungen.

Im Mittelpunkt stehen zwei gegensätzliche Antihelden, bei deren Namen Krimifans wohl ganz kribbelig werden: Mikael Blomkvist, ein linker Enthüllungsjournalist, und vor allem Lisbeth Salander, eine junge Hackerin im schwarzen Gothic-Look. Zwei Klischeefiguren, gewiss, die aber immerhin noch subversiver angehaucht und sympathischer wirken als die Protagonisten in den Bestsellern von Dan Brown und Konsorten.

Nachdem Blomkvist und Salander durch eine Kette von Zufällen aufeinandertreffen, jagen sie einer spurlos verschwundenen Industriellentochter hinterher. Dabei gerät das seltsame Detektivpaar immer tiefer in die politischen und privaten Verstrickungen des Vanger-Konzerns.

Regisseur Niels Arden Oplev verdichtet die 700-Seiten-Vorlage zu einem konventionellen, aber dichten Thriller. Wenn Larsson-Leser von der eindringlichen Personenzeichnung schwärmen, von den gähnenden Abgründen hinter dem Vorzeige-Sozialstaat Schweden, dann flackern davon zwar nur Bruchstücke auf der Leinwand auf.

Aber in den besten Momenten ist "Verblendung" zumindest eine düstere Milieustudie, die an ambitionierte "Tatort"-Krimis im TV erinnert. Und Noomi Rapace, die Darstellerin der Lisbeth Salander, erweist sich hinter ihrem etwas stereotypen Grufti-Look als kleine Sensation des Films.

Verblendung

Polyfilm

Ohne "Verblendung" jedenfalls keine "Verdammnis". Wer die Bücher von Stieg Larsson oder das erste Kinoabenteuer nicht kennt, sollte in den nächsten Buchladen oder in die Videothek eilen.

Denn Regisseur Daniel Alfredson spart sich Rückblenden und gar Erklärungen. Ganz nahtlos schließt "Flickan som lekte med elden", das den schönen englischen Titel "The Girl Who Played with Fire" trägt, an den Vorgängerfilm an.

Mikael Blomkvist sitzt wieder in der Redaktion des "Millennium"-Magazins, Lisbeth Salander, die beinahe ins Zentrum der Story rückt, ist von einem geheimen Auslandsaufenthalt zurückgekehrt.

Zunächst völlig unabhängig voneinander werden die beiden erneut in eine gefährliche Verschwörung gezogen, die diesmal um Mädchenhandel, Prostitution und Mord kreist. Für Blomkvist wird klar, dass der Schlüssel zur Auflösung des Falls ausgerechnet zu der mysteriösen Lisbeth führt.

Verdammnis

Polyfilm

"Verdammnis", schwärmen manche Larsson-Anhänger, sei das ultimative Thriller-Suchtmittel, das eiskalte Highlight der Millennium-Trilogie. Davon merkt man im Kino leider wenig.

Der Film versucht, die Action zu steigern, bemüht sich stellenweise, an die Schauwerte amerikanischer Blockbuster anzuschließen - und tritt gerade dadurch auf der Stelle. Denn im Grunde sind es ohnehin nur die Figuren, die bei Stieg Larsson zählen. Allen voran die toughe, zerrissene, verschlossene Lisbeth Salander.

Noomi Rapace beweist in dieser Rolle erneut Starqualitäten, leider hetzt ihre Lisbeth aber durch ein immer trashiger anmutendes Szenario voller Anklänge an Dan Brown, Edgar Wallace und groteske Jean-Christophe Grangé-Verfilmungen. Der eindringlichen Gesellschaftskritik, die dem Autor Larsson anscheinend so wichtig war, wird durch diesen überhand nehmenden Schlockaspekt jeglicher Biss genommen.

Weil "Verdammnis" aber nicht nur ohne Einleitung beginnt, sondern auch mit einem gewaltigen Cliffhanger endet, bleibt einem der dritte Teil nicht erspart. Dabei ist, soviel sei verraten, der im Sommer anlaufende "Vergebung" wieder sehenswerter geraten.

Vielleicht breche ich ja doch mit meinem Dogma und wage mich noch an die Bücher ran, mal sehen.

Verdammnis

Polyfilm