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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

11. 2. 2010 - 17:38

Nicht velwechsern!

Warum Rechte manchmal wie Linke ausschauen, Linke manchmal wie Rechte reden und was für versteckte Botschaften in harmlos klingenden Begriffen lauern.

Manche meinen rinks und lechts kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!

  • Die neuen Gesichter des Rechtsextremismus. Ein FM4 Schwerpunkt zu rechten Strategien und Gegenstrategien. Das genaue Programm gibt es hier.
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Der Spruch von Ernst Jandl war damals, als er ihn sagte, schon nicht ganz frei von politischen Untertönen und heute klingt er aktueller denn je. Rechte haben Glatzen oder strenge Scheitel? Linke haben lange oder bunte Haare? Dass man die politische Gesinnung schon an der Frisur erkennt, das ist lange her – wenn es überhaupt jemals gestimmt hat. Und nicht nur, was das Äußere betrifft – auch die Parolen, die Methoden und die Themen sind häufig kaum mehr voneinander zu unterscheiden.

Heute gibt es rechte Hausbesetzer, Nazi-Autonome und, nach Eigendefinition linke, Gruppierungen, die die Wiederwahl des bekennenden Antisemiten Mahmud Ahmadinedjad im Iran bejubeln. Sozialdemokratische Bundeskanzler lassen sich Genosse der Bosse nennen, während die FPÖ mit klassisch sozialdemokratischen Themen Wahlen gewinnt.

Was ist Rinks, was ist Lechts? Ein Interview mit Heribert Schiedel vom Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstands (DÖW):

Rechte übernehmen die Formen der Linken - inzwischen gibt es sogar schon "Autonome Nationalisten", das ist in Deutschland jetzt häufig in den Medien. Gibt es das in Österreich auch?

Das gibt es in Ansätzen auch in Österreich, aber noch nicht in solchen Ausmaßen wie in Deutschland. Wir haben in Österreich bisher zwei Gruppen beobachtet, in Tirol, und in Wien. Allerdings bezieht sich autononom nationalistisch nicht nur auf den Gruppenbildungsprozess, sondern auch auf den Lifestyle, der auch in der österreichischen Neonaziszene hegemonial ist. Wir erkennen den Neonazi heute nicht mehr am Äußeren – wenn es je gestimmt hat, dann war das früher bequemer. Diese Gleichung Neonazi = Skinhead und umgekehrt triffts nicht mehr, vom Outfit nicht mehr und auch von der Übernahme der Parolen – also z.B. Kampf dem Kapital. Wobei die Rechten nicht Kampf dem Kapital sagen, sondern Kampf dem internationalen Finanzkapital, denn rechtsextremer Antikapitalismus kommt nie ohne diese Beiwörter aus wie international, Casino, Hyäne oder Heuschrecke – das sind die Attribute, die sie mit Kapitalismus verbinden müssen, um ihn bekämpfen zu können.

Es ist auch zu beobachten, dass die Themen von Linken und Rechten seit einiger Zeit gar nicht viel anders sind.

Leider sind auch Rechtsextreme und Neonazis zu strategischem Denken fähig. Die haben ganz genau erkannt, was die Themen nach der Jahrtausendwende sind - ein ganz großes Thema ist die Globalisierung. Es geht aber hier bei den Rechten nicht darum, die Globalisierung zu begreifen und zu kritisieren, sondern es geht um Ressentiment. Und rechtes Ressentiment gegen Globalisierung ist immer personalisierend. Kritisiert werden nicht Strukturen und Verhältnisse, sondern einzelne Personen oder Gruppen, und denen wird im nächsten Schritt so was wie ein moralisches Versagen angehängt. Es ist keine ökonomische, keine rationale Kritik. Sie arbeitet sehr oft nicht nur mit den moralischen Werthaltungen, die die angeblichen Akteure vertreten, sondern auch mit ihrem kulturellen Hintergrund.

Es bleibt nicht bei dieser Personalisierung, denn wenn ich ein komplexes Phänomen wie Globalisierung mit Personen erkläre, dann brauche ich notwendigerweise die Verschwörungstheorie. Sonst kann ich nicht erklären, wie einzelne Personen so etwas Komplexes wie die Globalisierung in Gang setzen können.

Und der letzte in diesem rechtsextremen Dreischritt des Ressentiments ist der Antisemitismus - der ist aber schon im ersten enthalten und spiegelt sich sehr oft in der Personalisierung wieder, indem man zum Beispiel angebliche oder tatsächlich typisch klingende jüdische Namen präsentiert. Wer sind die prototypischen Verschwörer, wer hat sich gegen die Christen, gegen die westliche Welt verschworen? Natürlich die Juden und die Jüdinnen, die heute aber gar nicht mehr so oft direkt beim Namen genannt werden. Das ist ein wichtiges Kennzeichen des Antisemitismus nach Auschwitz, dass er einer ist, der mit Codes, mit Tarnwörtern operiert. Zum Beispiel das internationale Judentum oder Weltjudentum, wie man früher unter den Nazis oder im Neonazismus gesagt hat, da ist heute nur mehr noch die Rede von internationaler Hochfinanz oder Wallstreet-Finanzhyänen etc.

Codes und Tabubrüche

Codes sind ein wichtiges Mittel der rechten Szene beim Versuch, Elemente ihrer Ideologie in der Mitte der Gesellschaft zu platzieren. Symbole und Zeichen wie die Zahl 88 stärken das Gruppengefühl, sprachliche Codes helfen, rechtes Gedankengut unauffällig in den Alltag einzustreuen.
Ein Plan der internationalen Hochfinanz klingt erstmal harmloser und realiätsnäher als eine Verschwörung des Weltjudentums, um beim obigen Beispiel von Heribert Schiedel zu bleiben. Und mit gezielten Tabubrüchen werden Elemente der diskreditierten Naziideologie wieder salonfähig gemacht. Den Nationalsozialismus selbst oder seine Elemente zu verharmlosen wäre zu auffällig - und ist außerdem in vielen Ländern strafbar. Bedient man sich anderer Begriffe und Symbolik, kann man sich schnell auf ein "Ist ja alles gar nicht so schlimm" oder "Man wird wohl noch drüber reden dürfen" zurückziehen.

Ein Beispiel, wie rechtsradikale Öffentlichkeitsarbeit funktioniert, hat dieser Tage die Burschenschaft „Olympia" geliefert. Die deutschnationale Burschenschaft, der auch der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf angehört, lädt immer wieder Gäste ein, die ihre Ideologie verbreiten - vom Nazi-Liedermacher aus Deutschland bis zum selbst ernannten Historiker und Holocaustleugner David Irving.

Diesmal haben sie einen kanadischen "Rassenforscher" eingeladen.