Erstellt am: 8. 2. 2010 - 17:58 Uhr
Fußball-Journal '10-3.
Drei Geschichten, ein gemeinsamer Nenner.
- Die Bundesliga staunt den Kalender jedes Jahr aufs Neue an wie bei einer Erstbegegnung.
- Ein Präsident ist auf dem Weg ins vorige Jahrtausend.
- Und: ein Populist überzieht.
Der gemeinsame Nenner: Österreich, und seine Weigerung sowas wie Überlegung oder gar Analyse in seine Handlungen einzubeziehen.
Hirnriss 1: die Liga und der Winter
Normalerweise folgt wenige Tage nach dem Superbowl (Bravo Saints, Solidarität mit New Orleans, ein Hoch auf wagemutige Taktik und Risiko!) die Oscar-Nacht.
Die heurigen 81. Academy Awards finden aber erst Anfang März statt. Und zwar aus gutem Grund: die Veranstalter wollen Olympia nicht in die Quere kommen.
Nun sind die Ende der Woche beginnenden Winter-Olympics in Vancouver nicht der Quotenheuler, haben die Ski/Eis-Sportarten auch nicht das vordringliche Interesse der Amerikaner oder gar der Kalifornier. Ja, Olympia findet nicht einmal wirklich zur US-TV-Primetime statt. Die Oscar-Veranstalter weichen trotzdem aus, wie immer wegen eines Mix aus Image- und Business-Gründen.
Wohlüberlegt und wohldurchdacht.
Rissschwenk über den Ozean nach Österreich, der bekannten Wintersport-Nation, der von Sports Illustrated bis zu Usain Bolt alle Kultstatus zugestehen. Wie gebannt blickt eine Nation ab Freitag rüber in die westkanadischen Berge, um ihre Helden-Buam und Teufels-Mädels siegen zu sehen. Wegen der Zeitverschiebung zur TV-Prime-Time, täglich ab 18 Uhr bis Mitternacht.
Man sollte also eigentlich meinen, dass sich der Rest des Landes (wie der schlaue Opernball) danach richtet; zumindest die anderen Sport-Ereignisse, die, wenn sie diesem fetten Koloss Olympia in die Quere kommen, einfach überrollt werden.
Einige haben das rechtzeitig geschnallt. Der ÖFB etwa hat sein erstes Länderspiel drei Tage nach Olympia-Ende. Und das Achtelfinale des ÖFB-Cups wurde vor- und nachher aufgeteilt. Diesen Mittwoch schon Sturm gegen Salzburg, der Rest dann rund um den 9. März. Was im übrigen für eine Menge Gestöhne bei den Vereinen sorgte.
Bauklötze staunen
Einzig die österreichische Bundesliga sieht sich dieser Tage den Kalender an und staunt wohl Bauklötze. Die startet nämlich just am Freitag parallel zur Olympia-Eröffnung ihre sogenannte Frühjahrssaison.
Und genauso wie sich die Verantwortlichen jedes Jahr aufs Neue die Augen reiben, weil so etwas Unerwartetes wie Kälte, Schnee oder Eis ihren Sport zwar nicht unmöglich macht, aber doch ad absurdum führt, kommt wie jedes vierte Jahr das immer neue Erstaunen über Winter-Olympia dazu. Als ob damit nicht eigentlich zu rechnen gewesen wäre.
Die Bundesliga spielt also parallel zu Olympia drei Runden; auf absurdem gefronenen Untergrund, vor halbleeren Häusern und minimalem Medien- und Publikums-Interesse.
Nicht jetzt die dumme Ausrede ("aber die Champions- und Euro-Liga läuft ja auch!") aus dem Köcher ziehen. Die sind hauptsächlich von echten Fußball-Nationen mit warmem Klima und gerüsterer Infrastruktur durchsetzt.
Österreich ist ein Bergland, die Alpen beeinflussen das Klima maßgeblich, die Wetterbedingungen sind entsprechend - und das öffentliche Interesse liegt dann, wenn es kalt ist, bei den Kaltsportlern. Fußball, ja, ist halt auch - aber keiner wird hingehen und sich das antun.
Winterstrategie? Wozu...
Die Bundesliga geht ganz bewusst zu einem idiotischen Termin in die Rückrunde und hat noch dazu nicht einmal ansatzweise eine Winter-Strategie um Fans anzuziehen.
Denn natürlich kann man sich anmaßen schlauer als die Oscar-Checker zu sein, gewitzter als der ÖFB und alle anderen Ausweicher: dann nämlich, wenn man ein unschlagbares Angebot hat, um viele Menschen auf den Platz zu locken: Stadien etwa, durch deren Ritzen nicht der Wind pfeift, die eine sinnvolle Grundversorgung fürs auch bei Minusgraden wohlige Anschauen eines Spiels bereithalten.
Denn natürlich müssen sich die Spieler mit den Bedingungen abfinden - allerdings argumentieren die Steinzeitler, die einen solchen Spielplan mit den üblichen Männer/Macho-Spruch verantworten, letztlich auch den Zuschauern gegenüber so.
So kann man's mit den Ultras machen, denen echt jedes Wetter wurscht ist, weil sie sich ja von innen befeuern. Andere, normale Zuschauer kann man sich so in die Haare schmieren.
Sich sowas wie eine Marketing-Idee für diese Februar-Hölle zu überlegen, um die Wetter-Unbillen wenigstens ansatzweise abzufedern, ist schon seit ich denken kann zuviel verlangt von den Liga-Verantwortlichen, die sich (auch in dieser Hinsicht) gerne als Profis bezeichnen, da allerdings amateurhaft agieren wie bei der Farce um die TV-Rechte, deren erzwungene Neuausschreibung jetzt noch einmal verlängert werden musste.
Apropos unprofessioneller Vereins-Präsident:
Hirnriss 2: der Präsident auf dem Weg ins 19. Jahrhundert
Ich habe ja angenommen, dass es vorbei ist.
Dass nach dem strafrechtlichen Ende der Ära Kartnig, nach dem Versagen und Versacken des Stronachismus und nach der endgültigen Beiersdorferisierung bzw. Professionalisierung des bis dahin nach schlampiger Gutsherren-Art geführten Mateschitz-Reichs die ahnungslosen Mäzene, die überkandidelten Herrenbauern, die despotischen Portokassenkaiser in die zweite Reihe zurückgedrängt waren, wo sie als Südstadt-Fürsten oder als Kärnter-Anzug-Rebellen selbst den willfährigsten Regionalmedien lästig fallen.
Ich hatte nicht mit Peter-Michael Reichel gerechnet, dem Mann, der den LASK wie ein Wirtshaus führt, mit sehr engen familiären Strukturen und absolutem Durchgriffsrecht.
Das führt dann zu Aussendungen wie dieser, die ihren Zweck, nämlich die Demontage eines eben gefeuerten Trainers, klar verfehlen und sich ein klassisches Eigentor ballern. Eines, das das Unwissen, die Fehleinschätzung sportlicher, menschlicher und strategischer Belange klarer macht, als jede mir hier mögliche Ätzung.
Das tragische am LASK unter Reichel ist die Berechenbarkeit der Absurditäten. Mit der Installation des coachingtechnisch völlig unerfahrenen Poseurs Toni Polster als "Zuständiger für viele Sachen halt" war klar, dass Trainer Mathias Hamanns Tage gezählt sind. Die darauffolgenden Wochen Schlammschlacht hätte man sich sparen können. So geht man (nachdem der Neo-Auch-Manager Polster fast vergessen hatte, ein Trainingslager zu buchen) wieder mit einem nicht eingespielten Team in eine Halbsaison. Und wieder folgt auf einen Coach, der Input von außen bringt (und dabei gar nicht so schlecht aussieht) und versucht mittelfristig, also mit einer Übergangs-Saison in der man nicht nach vorne spekulieren sollte, einen Stamm, ein System, eine Philosophie aufzubauen (Panadic, Hamann), ein populistischer Zerstörer (Lindenberger, Krankl, Polster). Und der, der den Ballerwatsch jetzt umgehängt bekommen hat, der gute, von einem anderen Mäzen voller Sachunkenntnis, nämlich Frank Stronach, entlassene Heli Kraft muss wieder mit einem Kader arbeiten, der nicht der seine ist. Mit notdürftigen Flicken wie einem im letzten Moment zugekauften zweiten Stürmer versehen.
Gut, dass die Fans derlei nicht protestfrei hinnehmen und ihre Meinung auch formulieren.
Das ist im übrigen auch im dritten Fall gegeben.
Hirnriss 3: ein Populist übernimmt sich
Stell dir vor, du bist Teamchef eines nationalen Verbandes und willst bei einer öffentlichen Trainertagung aus dem Nähkästchen plaudern.
Wie legst du das an? Deutest du - ohne Namensnennung aber für Insider klar erkennbar - an, wen und was du meinst? Oder machst du, was du seit Monaten bei anderen als "unerhört!" bezeichnest und plauderst konkrete Details aus?
Wenn du Dietmar Constantini heißt und dich wegen der Unterstützung der Boulevard-Presse für unangreifbar hältst, tust du zweiteres. Allerdings nur dann.
Bloß: die völlig überzogenen und ohne Not gestarteten Attacken, die der Teamchef gegen Gyuri Garics ritt, brachten nicht den gewünschten Erfolg. In den diversen Spalten blökte man das Gemecker zwar nach, bei den Fans kam dieses diesmal auch noch so peinlich öffentlich gemachte Messen mit zweierlei Maß ganz schlecht an.
In einer Umfrage des breit gestreuten und Fans aller Art genutzten Forums Transfermarkt.at bezeichnete eine große Mehrheit von 75 Prozent die Aussagen von Constantini als untragbar. Der Begriff "untragbar" geht über eine dezente Kritik weit hinaus.
Mit ein Grund für diese deutliche Watschn: Constantinis zynisches Argumentieren mit der Statistik, konkret mit der für Torvorlagen. Dass Garics der einzige Legionär in der Serie A ist, der regelmäßig spielt, und somit neben Scharner, Fuchs, Ibertsberger und Ivanschitz der einzige der in einer großen Liga stammspielt, kam nicht vor.
Da hat ein Populist, der glaubt, dass er sich alles erlauben kann, wenn er nur bärbeißig charmant genug ist und sich auf seine Hofschranzenschreiber (die er im Gegenzug mit Gschichtln versorgt) verlässt, überzogen. Und ist dort, wo er seine Mehrheiten sucht, nämlich unter den Fans, abgestürzt.
Die Fans als einziges Korrektiv?
Die sind, wie zwei der drei heutigen Fälle zeigen, mittlerweile das einzige Korrektiv einer durchaus als verludert zu bezeichnenden Szenerie, der es massiv an Professionalität mangelt; von neuen Ideen gar nicht erst zu sprechen. Und mit Amateuren in den Spitzenpositionen (egal ob ein Kälteanlagenbauer, ein Energiewirtschafter oder ein Bauunternehmer) wird sich das auch nicht ändern. Denen werden die Poseure immer auf der Nase herumtanzen und (im ureigenen Interesse) verhindern, dass der österreichische Fußball seinen Weg ins 21. Jahrhundert findet.