Erstellt am: 6. 2. 2010 - 13:57 Uhr
Medienkunstdepression
Auch der vielseitig interessierte Mensch kann in Berlin nicht überall sein. Aber nachdem ich die Fashion Week - die ja von den Berlinern nur aus wirtschaftlichen Gründen mit stoischem Gleichmut ertragen wird - schon links liegen lassen hatte, dachte ich: "Die Transmediale kann man nicht ignorieren."
Zumal sich das Medienkunstfestival in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet hatte. Das Tochterfestival "Club Transmediale", einst als ergänzendes musikalisches Abendprogramm gedacht, hat inzwischen sein eigenes Tagesprogramm - diesjähriges Motto "Overlap-Sound & Other Media" - mit Lectures, Diskussionen, Ausstellungen und Performances an mehreren Orten der Stadt. Die Konzerte finden im neu umgezogenen Club WMF statt.

Rösinger
Nur weil es einem im Winter so schwer fällt, sich nach 22 Uhr noch vom Sofa loszumachen, beim Eröffnungsabend im WMF aber vor zwölf nichts los ging, ließ ich mich überreden, vorher noch die Ausstellungen zu besichtigen. Zuerst ging alles gut, im ehemaligem Haus Ungarn, einem Kleinod realsozialistischer Architektur, konnte man musikbezogene Computerspiele ausprobieren, im Spa einem ehemaligen Skaterladen um die Ecke dann Licht- und Klanginstallationen betrachten.

Rösinger
Meine Ausgehgruppe starrte kunstbeflissen auf Schlingpflanzen in trüben Wassergläsern – eine Pflanzen-Wasser-Loop-Feedback-Installation mit deren Hilfe man irgendwie mit Buddha kommunizieren konnte.
Bei mir hatten aber zuvor bereits die teils unbewegten, teils flimmernden Exponate eine gleichzeitige Über- und Unterforderung hervorgerufen, sodass meine apriori starke Anti-Kunst-Haltung sich zu einer regelrechten Medienkunstdepression ausweitete, bis ich mich ermattet auf die Heizkörper an der großen Glasfront setzte und mich im Gedenken an die transzendentale Ödnis der abstrakten Videokunst eine große digitale Leere erfasste. Selbst ein recht nett aussehendes, aus Lautsprechern gezimmertes Iglu, in dem junge Besucher-Nerds hockten und Geräusche in Mikrofone absonderten, löste in mir einen leichten Weltekel aus.

Rösinger
Da aber waren meine Kunststreber-Freunde endlich soweit und wir zogen weiter ins WMF. Dort sah alles mondän und chic aus, zwei Hot Chip-Musiker beschallten den eleganten Dancefloor und alles wartete gespannt auf den Auftritt von Janine Rostron alias Planningtorock. Sie baute sich als altmodisch-futuristische Hohepriesterin von mehreren Kostümschichten ummantelt auf der Bühne auf, während Videoprojektionen auf ihrem Körper herumtanzten und rorschachartige, mutierende Formen als lebendige Maske ihr Gesicht aus füllten. In den Hintergrund-Viusals flogen dann später noch Zweiglein und anderes Naturbrimborium herum, alles wirkte sehr statisch esoterisch-erhaben und man vermisste ihre früheren, energetisch-punkigen Auftritte. Und mit der Erkenntnis, dass Naturmystik und Videokunst auch ein arg ungutes Gespann sein können plus einigen Trostgetränken ging diese Nacht dann zu Ende.