Erstellt am: 3. 2. 2010 - 14:48 Uhr
Bling - A Planet Rock
Die New Yorker Regisseurin und Journalistin Raquel Cepeda ist vor ein paar Jahren nach Sierra Leone gereist, um der Frage auf den Grund zu gehen, wo die edlen Steine für die teuren Schmuckstücke vieler US-Rapper herkommen.
Raquel Cepeda
Außerdem wollte sie darauf aufmerksam machen, wie groß der Einfluss amerikanischer Rap-Musik in Afrika ist.
Als Reisebegleitung hat sie drei kommerziell erfolgreiche Künstler mitgenommen: Raekwon vom Wu Tang Clan, den Texaner Paul Wall, der vor seiner Karriere als Rapper Schmuckdesigner und Fachmann für Grills (Zahnschmuck) war und Tego Calderon, den Reggaeton-Superstar aus Puerto Rico.
Gemeinsam fliegen sie in das von Bürgerkrieg, Ausbeutung und Korruption geplagte Land in Westafrika. Begleitet wird die Gruppe von Ishmael Beah, einem ehemaligen Kindersoldaten aus Sierra Leone, der dank eines internationalen Austauschprogramms von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde und nun selbst in den USA lebt.
Von den Projects nach Freetown
Alle an der Reise beteiligten Künstler kommen selbst aus armen Verhältnissen. Dass sie es mit Musik geschafft haben, die Tristesse amerikanischer Ghettos hinter sich zu lassen, verdanken sie einer Mischung aus purem Glück, Talent und Zufall. In Afrika waren sie davor noch nie. Paul Wall verlässt für die Dreharbeiten zu "Bling" überhaupt zum ersten Mal Amerika.
In Freetown angekommen, werden sie sofort mit der dort herrschenden Armut konfrontiert. Sie hören von Milizen, die in 2Pac- und 50 Cent-Shirts Massaker verübt haben. Von Soldaten, die sich selbst Method Man oder Ice-T nennen und das berühmte N-Wort in jedem Satz verwenden.
In einem Gespräch mit Sierra Leones erfolgreichstem Rapper Jimmy B. Bangura, erklärt der, wie groß der Einfluss amerikanischer Rapper in Afrika ist. Viele Jugendliche imitieren das, was sie sehen oder hören. Sie empfinden die US Rap-Stars als Brüder, die es im Westen geschafft haben. Mit der Symbolik ihrer Musikvideos können sich viele Afrikaner identifizieren: Waffen und Gewalt sind auch in ihrem Leben allgegenwärtig. Rap-Musik ist ihr Soundtrack.
Raekwon und Paul Wall sind erschüttert. Sie fühlen sich missverstanden. Tego Calderon verschlägt es die Sprache. Später trifft die Gruppe auf Frauen, die während des Bürgerkriegs vergewaltigt wurden.
Ishmael Beah, der als Kind selbst in eine Miliz gezwungen wurde, erklärt im Film die Hintergründe des Konflikts und mit welchen Taktiken die Rebellen arbeiten. So genanntes "Brown Brown", eine Mischung aus Schießpulver und Kokain, betäubt jedes menschliche Mitgefühl in den Kindersoldaten. Es macht sie zu Robotern, die wochenlang nicht schlafen dürfen und von einem Massaker zum nächsten geschickt werden.
Verlierer und Gewinner
Eine der beklemmendsten Szenen des Films ist die Begegnung mit Opfern systematischer Amputationen. Die Künstler reisen in ein Camp, das von Menschen bewohnt wird, deren Gliedmassen abgetrennt wurden, um sie zu stigmatisieren. Raekwon muss von einem UN-Mitarbeiter überredet werden, um sich dieser Situation überhaupt zu stellen.
Dass es in vielen Regionen zu Konflikten kam, hängt mit den Diamantenminen und Bodenschätzen des Landes zusammen. Verschiedene Gruppen kämpften in dem 10 Jahre lang andauernden Bürgerkrieg um Vormachtstellungen und Landbesitz.
Raquel Cepeda
Heute, Jahre nach den Kämpfen in Sierra Leone, sind die Spuren noch immer deutlich sichtbar. Für die Einwohner des Landes hat sich die Lage nicht wesentlich verbessert. Afrikaner arbeiten für Hungerlöhne oder Kost und Logis in den Diamantenminen, die Gewinne gehen an westliche Firmen. Als die Rapper schließlich eine dieser Minen besichtigen und auf den weißen Betreiber treffen, eskaliert die Lage fast.
Etwas später im Film, zurück in Freetown, einer Stadt, die früher Drehscheibe des Sklavenhandels war, werden sie von obdachlosen Jugendlichen belagert und beschimpft.
Ein paar Stunden nach diesem Zwischenfall, es ist ihr letzter Abend in dem afrikansichen Land, werden die Amerikaner in einen Club eingeladen, der von innen aussieht, als wäre er in New York oder L.A: Die Menschen tanzen in Markenkleidung zu den Klängen von Dr. Dre und Eminem und vergessen für einen Moment, dass draußen wieder die harte Realität auf sie wartet. Raekwon greift zum Mikrofon und gibt spontan ein Konzert: Er wird dadurch der erste US-Rapper, der jemals in Sierra Leone aufgetreten ist. Zu seinem Erstaunen können die Leute alle Texte mitrappen.
Die Konsequenzen der Reise
Raquel Cepeda, die ihren Film im Sommer 2009 erstmals in Österreich, im Rahmen des Four Elements-Festivals in Graz gezeigt hat, erzählt im Interview, dass die Reise Spuren hinterlassen hat: Tego Calderon verzichtet mittlerweile komplett auf Schmuck und thematisiert die Problematik in seinen Texten. Seine Worte werden in weiten Teilen Südamerikas und der Karibik gehört.
Paul Wall, der neben seiner Rap-Karriere weiterhin als Schmuckdesigner für Stars tätig ist, hat die Zusammenarbeit mit seinen bisherigen Diamanten-Lieferanten gekündigt. Er verwendet nur noch Steine, die eine Art Fair Trade-Gütesiegel haben.
Kanye West hat, nachdem er mit Raquel über den Film gesprochen hat, den Song "Diamonds from Sierra Leone" aufgenommen. Der Track avancierte vor einigen Jahren zu einem Hit und löste hitzige Debatte innerhalb der Hip Hop-Community aus. Genau darum geht es Raquel Cepeda. Sie wünscht sich, dass mehr erfolgreiche Künstler sozial aktiv werden und ihren Einfluss nutzen, um gesellschaftliche Verbesserungen zu erwirken.
Zur Zeit arbeitet sie an einem neuen Dokumentarfilm "Blow us up", der sich mit den Folgen des Irak-Krieges und Parallelen zu Vietnam befasst.
Obwohl "Bling - A Planet Rock" bereits vor ein paar Jahren gedreht wurde, ist die Thematik immer noch aktuell. Diesen Sonntag kann man ihn im Rahmen des ab Donnerstag stattfindenden KAPU Filmfestivals in Linz, zum zweiten Mal in Österreich, auf großer Leinwand sehen. Auf DVD ist er auch erhältlich.