Erstellt am: 1. 2. 2010 - 18:45 Uhr
Grammy Knödel im Pornoladen
Je verzweifelter eine Industrie, desto greller das Licht. Nächstes Jahr dann bitte in Mörbisch. Und die späte Bestätigung von Mutters Pop Theorie: das klingt tatsächlich ALLES gleich - Bon Beyonce Pink Eyed Swift.
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Hat´s jemand gesehen?
Hat´s jemanden interessiert? Die Krise der Musikindustrie, sie ist vorbei! Einfach weggefegt, gestern bei der Verleihung der Grammys. Motto: Schau nicht dort hin, wenn du da hinschauen kannst: Opulenz, Operette, gleißendes Licht. Gitarren wie Dildos, Muskeln überall, Lack und Leder, Alien Combos, 3D Michael, Orchester Armeen, Kanonenrohre und Zirkusattraktionen. Pop als Opera Buffa. Glamour mit Maschinengewehr. Sex von braven VorzeigeschülerInnnen. Mit Disziplin und Furor vorgetragen. Dann wird das schon. Trotz Umsatzminus.
Amerika kämpft drei Kriege. Auch diesen lässt es sich etwas kosten. Selbst im Jahr des großen Jackson Abtritts und der zwei unerwarteten Außenseiter-Erfolge durch Susan Boyle und Lady Gaga ist der Eisberg wieder ein großes Stück geschmolzen. Über 12% Umsatzrückgang im Bereich des Tonträgerhandels waren es laut Nielsen Soundscan 2009. Auch der digitale Verkauf ist ins Stocken geraten. Also sammelte man die großen 300 zum letzten Gefecht. Angeführt vom R&B Terminator Beyoncè Knowles stürmte gestern Abend eine Angriffswelle um die andere über die Bühne des Staple Center in LA.
APA
Im gleißenden Licht der Zweckbündnisse war dabei nicht mehr auszumachen von welchem Pop-Panzer man gerade überfahren wurde. Hauptsache mächtig. Pink, Peas, Pon (Jovi)? Rock, Rap, R&B? Autotune, Autotune, Autotune? Country Schlager oder Punk Musical? Eiserne Arien der Betroffenheit, von den Bühnen geschmettert wie Sperrfeuer. Das Timbre des Todes aus dutzenden Kehlen. Herr Wagner hätte seine Freude daran gehabt. Sein größter Fan möglicherweise auch.
Der Trend zur Konvergenz der Styles im Mainstream Pop, er wurde dieses Jahr auf die Spitze getrieben und führte auch im Bereich der Mode direkt in die Tiefgarage.
Die Alpen glühn im Burgenland
Diese nah an Mörbisch gebaute Leistungsschau des schlechten Geschmacks und der großen Verzweiflung verdeutlichte auch eins: selbst Pop, der immer auch von der Übertreibung, dem Glamour, dem "Larger than life"-Prinzip lebt, hat seine Schmerzgrenzen, lässt sich nicht beliebig um sich selbst potentieren, wenn dahinter tatsächlich nichts als das große Nichts lauert.
Bezeichnend auch, dass die „Industrie“ offenbar ausgerechnet jener Artistin misstraut (und sie mit Nebenpreisen abspeiste), die im vergangenen Jahr mit ihren ausgeklügelten Pop-Designs den Mainstream auf den Kopf stellte und darüber hinaus den Beweis erbrachte, dass eine globale Karriere aus dem Nirgendwo auch in diesen Zeiten durchaus möglich ist, wenn man denn auch ihre Zeichen richtig lesen kann.
Für den erhellensten Moment des Abends sorgten allerdings die notorischen Black Eyed Peas. Ich kann mich an diesen Alpentraum von einem Auftritt nur insofern erinnern, als dass er frappant die Ski-Verhüttelung des Amerikanischen Mainstream Pops versinnbildlichte. Dieses Ballermann meets Apres Ski Spektakel, vorgetragen in Kostümen, die es nie in die original Star Wars-Saga der 70er Jahre schafften, klang tatsächlich nach DJ Ötzi – sä one and only - insofern ein virtuller Ehren-Grammy für Österreichs größten Popstar. Grammy Knödel im Pop Pornoladen. Schmecks!