Erstellt am: 1. 2. 2010 - 15:10 Uhr
Das politische Erbe von Schwarz-Blau
Am 1. Februar 2000, kurz nach zehn Uhr abends haben Wolfgang Schüssel und Jörg Haider nach nur acht Tagen offiziellen Koalitionsverhandlungen die Sache fixiert: In einer Pressekonferenz geben sie die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ bekannt.
FM4 Schwerpunkt: "10 Jahre Schwarz-Blau"
Vorausgegangen ist dieser Entscheidung eine Wahlniederlage in der ÖVP bei den Nationalratswahlen im Herbst 1999. Mit einem Ergebnis von 26,9 Prozent hat sie nicht nur das schlechteste Ergebnis in der Zweiten Republik erreicht, mit einem Abstand von nur 415 Stimmen ist sie auch hinter der FPÖ auf Platz drei gefallen. Der Herbst und Winter 1999/2000 war von sogenannten "Sondierungsgesprächen" und schließlich auch Regierungsverhandlungen zwischen der SPÖ und der ÖVP geprägt, während sich hartnäckig die Gerüchte halten, dass Wolfgang Schüssel und Jörg Haider längst Schwarz-Blau planen. Die Verhandlungen über eine große Koalition scheitern.
apa
Als die ÖVP-FPÖ-Regierung am vierten Februar vom sich bis zum letzten Moment dagegen wehrenden Bundespräsidenten Thomas Klestil angelobt wird, stehen auf dem Ballhausplatz schon tausende Demonstranten. Bei der Großdemo am 19. Februar sind zwischen 150.000 und 300.000 am Heldenplatz. Doch die Regierung hat die Massendemos und die wöchentlichen Donnerstagsdemos ausgesessen. Das ist - zumindest in den Grundzügen - Teil des kollektiven Gedächtnisses Österreichs. Aber was waren die politischen Ziele der Koalition und was wirkt bis heute nach?
Wie die Wenderegierung Österreich geprägt hat
In der Sozialpartnerschaft verständigen sich InteressensvertreterInnen der Wirtschaft und der ArbeitnehmerInnen gemeinsam mit der Regierung über soziale und wirtschaftliche Fragen, verhandeln zum Beispiel Kollektivlohnerhöhungen. Auch weil sie hauptsächlich rot-schwarz geprägt ist, passt sie nicht besonders gut in die Pläne der schwarz-blauen Regierung.
Angetreten ist Schwarz-Blau mit großen Plänen: Reduktion des Budgetdefizits, Staats- und Verwaltungsreform, ein neues Abfertigungssystem. Aus manchen Plänen, der großen Staatsreform etwa, ist nichts geworden. Hans Rauscher, Kommentator beim Standard, sieht im FM4-Interview die Hauptvorhaben vor allem im wirtschaftspolitschen Bereich: "Die Pensionsreform, da ging es um die Eindämmung von Frühpensionen, dann die Privatisierung der verstaatlichten Industrie, und auf einer philosophischen Ebene die Ausschaltung der Sozialpartnerschaft."
Pensionsreform
Gerade die Pensionsreform, ein großes, schrittweise umgesetztes Projekt der Regierung, hat großen Einfluss auf die heutige, viel mehr noch auf die zukünftige Gesellschaft. Die Pensionen werden nicht mehr anhand des Gehalts der letzten 15 Arbeitsjahre, sondern nach und nach anhand der gesamten Lebensarbeitszeit berechnet. Das bringt niedrigere Pensionen für jüngere Menschen und soll dafür das überbelastete Pensionssystem entlasten. Außerdem sind Frühpensionen erschwert und das Pensionsalter angehoben worden- allerdings nicht für alle. Es gibt weiterhin Sonderbestimmungen für Beamte und die sogenannte "Hacklerregelung".
Finanzen
apa
2001 konnte Karl-Heinz Grasser mit den Worten "Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget" das sogenannte Nulldefizit verkünden. Möglich ist das durch die Privatisierung von Staatsbeteiligungen an Unternehmen und einer hohen Steuer- und Abgabenquote geworden. Im Jahr darauf war es damit aber auch schon wieder vorbei. Trotz hoher Steuern waren das Nulldefizit und Slogans wie "Mehr privat, weniger Staat" akzeptiert, meint der Politologe Peter Filzmaier im Interview: "Damals waren Maßnahmen wie ein Sparpaket populär und es wurde anerkannt, dass staatliche Eingriffe zurückgenommen wurden."
Die Privatisierung von Staatsbeteiligungen an Unternehmen wie der Austria Tabak, der VOEST oder der Telekom haben dem Staat nicht nur kurzfristig Geld gebracht, manche der privatisierten Firmen sind dadurch auch saniert worden. Andererseits hat sich der Staat vor allem die eher defizitären Teile behalten, zum Beispiel die Post, aus der die Telekom ausgegliedert worden ist. Und vermutete Freundschaftsdienste im Zuge des Verkaufs der Bundeswohnungsgesellschaft beschäftigen momentan die Staatsanwaltschaft. Hans Rauscher: "Dieses System des wir Privatisieren an unsere Freunde wurde im Fall Buwog zu einer absoluten Hochblüte getrieben, das ist einer der großen Vorwürfe, die an schwarz-blau zu machen sind."
Bildung
Bei den Unis ist 2001 die umstrittene Studiengebühr eingeführt worden, die 2008 wieder "abgeschafft" wurde. Diskutiert wird sie aber immer noch, eine Wiedereinführung ist für die ÖVP denkbar. Ein Punkt, den Hans Rauscher herausstreicht, ist die Schulpolitik: "Zehn Jahre Elisabeth Gerer haben bedeutet, es ändert sich praktisch nichts." Die Pisa-Studie hat eine Diskussion um die Schulpolitik ausgelöst und hat Reformen wie das Modell der Neuen Mittelschule wohl erst ermöglicht.
Asylpolitik
In der Asyl- und Ausländerpolitk hat Schwarz-Blau Österreich wohl am stärksten geprägt. Die Asylgesetze sind laufend verschärft worden, der politische Ton und die gesellschaftliche Einstellung hat sich geändert. Auch wenn die FPÖ mit dem Aufstieg Jörg Haiders zum Parteichef "Ausländer" immer stärker zum Thema gemacht hat, die großen Auswirkungen auf die Realpolitik sind mit der Wenderegierung gekommen. Rauscher: "Während des Bosnienkrieges haben wir 90.000 Flüchtlinge aufgenommen, ohne einen Pieps. Das sich der Ton bis heute so verschärft hat, dass es oft ins Untergriffige geht, das ist sicher eine Folge von Schwarz-blau." Die Asylgesetze sind seither strenger geworden, der Ton rauher. Bei der Diskussion um das Asylzentrum Eberau kamen typisch rechtspopulistische Aussagen auch aus den Reihen der SPÖ. Peter Filzmaier kommt zu einem interessanten Schluss: "Rechtspopulistische aber auch linkspopulistische Themen haben an Dominanz gewonnen und sind salonfähiger geworden. Paradoxerweise wird linkspopulistische Politik, etwa bei sozialpolitischen Forderungen, ebenfalls von der FPÖ betrieben. Deshalb hat ja auch die SPÖ Wähler an die Freiheitlichen verloren."
Zerbrochen ist Schwarz-Blau an einem Streit zwischen der Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, Stichwort Knittelfeld. Bei der darauffolgenden Wahl 2002 hat die FPÖ fast zwei Drittel ihrer Wähler verloren, ist aber trotzdem noch eine zweite Koalition mit der ÖVP eingegangen. In der hat sich dann das BZÖ von der FPÖ abgespalten und die Koalition fortgeführt. Seither ist die FPÖ als Protestpartei wieder im Aufwind.