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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

30. 1. 2010 - 13:03

Star Trek Online

Nach sechsjähriger Entwicklungs-Odyssee - inklusive Wechsel des Entwicklerstudios - nimmt "Star Trek Online" den Betrieb auf.

Mein Onlinekumpel Josh liebt wie ich Science Fiction, er spielt EVE, er ist in meiner Skype-Kontaktliste und ich treffe ihn ein- bis zweimal pro Woche in Second Life, wo wir gemeinsam an 3D-Konstruktionen arbeiten. Im Dezember hat Josh mich daran erinnert, dass der Betatest von Star Trek Online demnächst auch mal losgehen müsste, und unsere Trekker-Hirne begannen, Pläne zu schmieden. Ein halbes Dutzend Freunde würde mit uns eine Flotte bilden. Wir entwickelten PvP-Strategien. Wir malten uns aus, wie wir mit den Character-Tools des Spiels eine eigene Alien-Spezies erschaffen würden und schmiedeten Pläne für die galaktische Herrschaft. Wir lachten über die Namen, die wir unseren Raumschiffen geben würden - ich würde die USS Roflcopter fliegen, Josh die USS Shotacat.

Cryptic

Josh und ich werteten es als gutes Vorzeichen, dass wir rechtzeitig zum Start des Betatests unsere Keys erhalten hatten. Gedämpft wurde meine Stimmung dann ein wenig, weil ich Testversion des Spiels und diverse Patches im Umfang von acht Gigaybte herunterladen musste - über einen Server, der das nach mehreren Abbrüchen nur quälend langsam bewerkstelligte. Als es endlich losgeht, wähle ich ungeduldig einen Standard-Character und finde mich auf dem Aussichtsdeck eines Raumschiffs wieder. Alarmsirenen heulen, vor dem Fenster tobt eine Raumschlacht mit den Borg, explodierende Würfel draußen, ein Dutzend Noobs drinnen. Alle laufen genauso verwirrt herum wie ich, doch ich entdecke eine Tür - aha, ein Turbolift. Ich finde mich auf der Brücke wieder.

Paramount

Der Captain befiehlt mir, zur Kommunikationskonsole zu gehen, ich spreche mit dem medizinischen Notfallhologramm eines havarierten Föderations-Schiffs. Ich laufe zum Transporterraum, beame rüber, untersuche Verwundete, unterstütze Techniker dabei, Borg-Eindringlinge vom Schiff zu beamen. Es gibt ein Phasergefecht, der Captain stirbt und ich übernehme das Kommando. Ich zerstöre Borgwürfel. Zerstöre. Borgwürfel. Ein halbes Dutzend davon. Im Tutorial. Was Captain Picard mit Müh und Not einmal in einer ganzen Fernsehserie schafft, mache ich als junger Fähnrich so nebenbei, wie man in Final Fantasy als Newbie kleine Ratten erschlägt.

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Im Lauf der nächsten Stunde verliere ich mehrmals die Verbindung zum Server und bin schließlich in einer Tutorial-Mission gefangen, die sich weder neustarten, noch abbrechen lässt. Ich sende mehrere Bug-Reports an die Administratoren des Spiels, erhalte aber keine Antwort und kreiere nach zwei Tagen einen neuen Character, um von vorn zu beginnen. Diesmal bleibt die Verbindung stabil, die Newbie-Mission lässt sich fertigspielen und ich werde schließlich eingeladen, in einer Raumstation im Erd-Orbit mit einem Admiral der Föderationsflotte zu sprechen, der mich befördert. Ich erkunde die Raumstation, lese Informationen über die politische Lage in der Star Trek Galaxis, über Exploration, Karrierewege und Raumschiffmodifikationen. Bisher habe ich ausschließlich mit NPCs kommuniziert und ich beschließe, Kontakt zu Josh und anderen Spielern aufzunehmen.

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Wie in MMORPGs üblich, findet ein Großteil der Kommunikation in globalen, lokalen oder gruppenbezogenen Chatfenstern statt. Freundeslisten und Flottenstrukturen ermöglichen die Organisation der Kontakte, die man auf Raumstationen, auf Planetenoberflächen oder im Weltraum geknüpft hat. Gerade in der Struktur des Weltraums aber offenbart sich eine der Schwächen des Spiels: Reisen zu entfernten Sonnensystemen erfolgen auf einem merkwürdigen, würfelförmigen Raster, das nun gar nicht das Gefühl aufkommen lässt, unendliche Weiten zu erkunden.

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Dazu kommt, dass Star Trek Online das Geschehen auf sogenannte Instanzen verteilt - obwohl alle Spieler auf einem einzigen Server online sind, fühlt sich die virtuelle Star Trek Welt zerteilt an. Dass es auch anders geht, beweist schon seit 2005 EVE Online, das durch seine zusammenhängende Struktur tatsächlich das Gefühl erzeugt, mit hunderttausenden Spielern eine Welt zu bewohnen, in der das Handeln eines einzelnen das Geschehen und die Welt für tausende Mitspieler schwerwiegend verändern kann.

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Star Trek Online versagt aber nicht nur in dieser Hinsicht. Seine Entwickler haben auch übersehen, dass das Wesen aller Star Trek Fernsehserien in der Interaktion von Menschen, die auf einem Raumschiff oder einer Raumstation leben, besteht. Der Fokus des Onlinespiels aber liegt im Absolvieren von Weltraumschlachten und Phaser-Duellen auf Planetenoberflächen (beides in in Third-Person-Perspektive). Die Steuerung, WASD und Nummerntasten, entspricht dem bekannten Schema von World of Warcraft oder Champions Online. Für Trekker gibt es viel zu entdecken, weil die Kulisse und viele Details wie Soundeffekte, Raumschiffe oder Bekleidung oder Aliens detailgetreu gestaltet wurden. Die technischen Schwierigkeiten, die ich erlebt habe, mögen auf meine frühe Teilnahme in der Betatest-Phase zurückzuführen sein, und die fehlende Interaktion von Spielern auf Raumschiffen könnte durch die umso kreativere Spielweise der Community wettgemacht werden - das bleibt abzuwarten. Lässt man die Liebhaberei für das Franchise aber außen vor und betrachtet Star Trek Online nüchtern als MMORPG im Jahr 2010, dann hebt es sich zuwenig von der Masse des schon Dagewesenen ab.

Star Trek Online geht offiziell am Dienstag, 2. Feber 2010 in Betrieb.