Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mauern und Gärten"

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

28. 1. 2010 - 15:42

Mauern und Gärten

Enttäuschung und Enthusiasmus. Firlefanz und Revolution. Das iPad polarisiert nach dem Vorschuss-Hype, 60 Tage vor seinem Erscheinen.

"Schnickschnack für Bobos, Medienleute und Gadgetnerds" – ausgerechnet Freund P., Apple-Jünger seit zehn Jahren, sagt es. Ich staune. Auch im Netz scheint sich die Stimmung hauptsächlich an den beiden Polen Enttäuschung und Enthusiasmus abzuspielen. Setzt sich Steve Jobs mit seinem "Bindeglied zwischen iPhone und Laptop" zwischen die Stühle, oder ist es tatsächlich sein wichtigstes Vermächtnis an die IT-Welt, wie er zuletzt gerne behauptet hat?

Steve Jobs und das iPad

APA

Mit der Digitalisierung der Inhalte geht seit Jahren auch eine Diversifizierung der Hardware einher. 2010 ist es nichts Besonderes, mehrere "Computer" im Haushalt zu haben: Spielkonsole, Laptop, Smartphone und Desktop-PC: vier spezialisierte Rechner. Zumindest bei zweien davon (der Konsole und dem Smartphone) ist die Chance groß, dass sie "Walled Gardens" sind, proprietäre Systeme mit Kopierschutzmechanismen. Die Games-Entwickler haben verstanden, dass Menschen bereit sind, 20 Euro mehr für ein Konsolenspiel auszugeben als für dasselbe Spiel am PC, wenn die Konsole dafür bequem und schnell zu bedienen ist. Steve Jobs hat verstanden, dass die Menschen mit Gängelung und Zensur (im AppStore) zu leben bereit sind, wenn sie dafür einen bequemen und schnellen Onlineshop kriegen. Steve, der schlaue Fuchs, jubelt uns mit dem iPad einen weiteren ummauerten Garten unter, für den wir Eintritt bezahlen und uns in einem exklusiven Club wähnen dürfen.

Steve Jobs und das iPad

APA

Gut ist das für Kreative, denn: Die Frage vieler Musiker, Grafiker und Programmierer, wie mit Musik, Design und Computerprogrammen online Geld zu verdienen sei, weicht der Frage: "Wenn iTunes der größte Plattenladen der Welt ist, und iPhone Apps sich verkaufen wie Sau, was könnte ich dann auf diesem iPad verscherbeln?" Die Kreativen seufzen und finden sich damit ab, dass sie ihre Kunst von Big Brother Apple genehmigen lassen müssen, bevor sie verkauft werden darf - aber sie freuen sich darüber, dass sie mit Trivialitäten wie dem iBier ein Zubrot verdienen, ja sogar reich werden, können - jetzt auch bald auf dem großen Screen. iPizza irgendwer?

Steve Jobs und das iPad

APA

Gewiss wird jenseits der millionenfach auf uns zukommenden Trivialitäten auch Intelligentes auf dem iPad landen: Fachmagazine, Bücher und Tageszeitungen. Lad dir die Zeitungs-App runter, kauf dir das Buch. Klick auf das Bild und es verwandelt sich in ein Video. Verlage wittern die Chance auf einen Massenmarkt für den Onlinevertrieb. Dass es funktionieren könnte, liegt an einem Konzept, das auch Google bei der Ankündigung seines Betriebssystems stets hervorgehoben hat, das Apple nun aber früher umgesetzt hat: Ein Lese- und Surfgerät soll schnell verfügbar sein, auf Knopfdruck. Man will es nicht langwierig hochfahren. "Das Web" soll auf dem Couchtisch liegen und griffbereit sein wie die Zeitung.
Diesem Bedürfnis wird das iPad gerecht, weil es mit dem Betriebssystem des Telefons arbeitet und 10 Stunden Akulaufzeit bei 30 Tage Standbyzeit bietet. Das ist der wirkliche Grund, warum auf OS X, USB-Anschlüsse oder eine Kamera verzichtet wurde, und es ist der wahre Vorteil des Gerätes gegenüber seinem vermeintlichen Konkurrenten, dem Netbook.

iPad

Apple

"Vermeintlich", weil der tatsächliche Konkurrent für das iPad Kindle heißt – auch wenn derzeit noch freundliche Töne zwischen Apple und Amazon erklingen: Steve Jobs lobte den Kindle in seiner iPad-Vorstellungsrede, im AppStore gibt es einen Amazon Kindle Reader zum Runterladen, und bei Amazon kann man... das iPad kaufen. Alle haben sich lieb. Noch. Wie mächtig Apple tatsächlich schon ist, zeigt sich an vermeintlichen Kleinigkeiten: An der Sabotage von Google-Software im AppStore, oder an der Weigerung des Konzerns, die Entwicklungsumgebung Flash in die iPad-Software einzubauen. Mit Flash werden nicht nur Animationsfilmchen oder Browserspiele, sondern auch Werbeeinblendungen gemacht. Das Fehlen von Flash ist eine Machtdemonstration: Womit geworben wird, womit Filme gemacht und Applikationen geschrieben werden, bestimmen die Apple-Manager, nicht Google, Werber oder gar die User.