Erstellt am: 27. 1. 2010 - 10:49 Uhr
Pacemaker
Überrascht war ich auf alle Fälle, als ich die ersten Töne von Maditas neuem Album gehört habe. Wo sind sie hin, die zurückgelehnte Lounge-Atmospähre, die sanfte Melodieführung, die jazzigen Referenzen, die ruhige Ausstrahlung? Was bei dem Debüt und dem Nachfolgewerk 'Too' noch recht verspielt und durchwachsen klingt, wird auf 'Pacemaker' zu einem Gewitter aus digitalen Beats.

Madita
Die erste Single "ET" gibt schon die extraterrestrische Richtung vor, wobei sein lautmalerischer Refrain durchaus einen Anküpfungspunkt an das frühere Madita-Sounduniversum bietet. Das einzige, was hier "organisch" bleibt, ist der halb angezerrte, schnurrende Bass, der mit einer Lässigkeit gespielt wird, die an New Order erinnert - und natürlich die Stimme der Wiener Sängerin und Schauspielerin. Aber auch hier generiert der etwas düstere Grundsound eine gewisse Distanziertheit.
Die Nummer "Runaway" verbreitet trotz Vocoder mit den zarten, gehauchten Gesangslinien eine intimere und zugänglichere Atmosphäre. Zwar wird man hier an "Better Brother" vom Vorgänger-Album erinnert, doch die zerlegten, verhallten Gitarrenakkorde, der stampfende Durmmachine-Beat und die sphärischen Keyboardflächen halten uns im 80er Jahre-Discofeeling gefangen. Und selbst wenn bei "Take Me" das Tempo erheblich gedrosselt wird, eröffnet sich dadurch bei der fremdartigen Soundlandschaft ein weiterer Horizont, der von seiner Reduktion und Detailverliebtheit zugleich lebt.
Im Großen und Ganzen ist die Geschwindigkeit, die Madita mit 'Pacemaker' vorgibt, jedoch ungewohnt hoch. Mit fast an Zorn grenzender Energie wird bei "Hey You" wohl das düsterste Kapitel von Beziehungen aufgeschlagen. Zwischen totaler Abhängigkeit und brutalem Befreiungsschlag pendelt Madita getrieben von künstlichen Drumbeats, krachenden Synthies und spitzen Soundeffektsplittern hin und her.

Madita
'Pacemaker' hat unzählige Ecken und Kanten. Auch wenn sie meist aus anorganischen Soundgeneratoren zu bestehen scheinen, kann man sich an ihnen nicht selten das Trommelfell blutig schlagen. Ein Song wie "Too Dark" scheint vom Übersteuern sämtlicher Grooveboxen und analogen Keyboards zu leben, wobei Maditas starke Stimme sich immer noch genug Platz erkämpft, um präsent zu sein und einen hypnotischen Effekt zu erziehlen.
Vielleich sind es die unberhörbaren Referenzen an die Achtziger Jahre, die bei jedem Song auftauchen, die bei mir Bilder längst vergessener Filme auftauchen lassen. So ist der seltsam schwebende und unheilvoll wirkende Track "Til' I" für mich der perfekte Soundtrack für Snake Plissken alias "Die Klapperschlange", der mit einer tickenden Zeitbombe im Körper den Präsidenten der Vereinigten Staaten aus dem Hochsicherheitsgefängnis Manhattan befreien muss, bevor es ihm den Kopf zerfetzt. Regisseur und Filmkomponist John Carpenter hätte mit diesem Stück sicherlich seine Freude gehabt.

Madita
Mit ihrem dritten Album beweist Madita eindeutig Mut. Es ist nicht leicht, sich aus dem gewohnten Fahrwasser zu begeben, um Neues zu probieren. Die musikalische Zeitreise hat eindeutig Vlado dZihan, Couch Records Labelmitbegründer und ein Teil von dZihan&Kamien, initiiert, ist er doch in dieser Zeit soundtechnisch sozialisiert worden. Jedoch verstecken sich dZihan und Madita nicht hinter den unterkühlten und glitzernden Klängen von 'Pacemaker'. In dem Song "Timeless" beispiesweise ist in einem Break zu hören, wie Madita ganz alleine und trocken die Nummer einsingt. Es sind diese kleinen Skizzen, Notizen und Versuche einer Aufnahme, die meist geheimgehalten werden. Mit ihnen gibt Madita Preis, wie sie arbeitet und lässt uns ein Stück mehr in ihre Welt, die sich auf diesem Album sonst oft mal zu versperren scheint.
- Madita ist am 28. 1. in Connected (15-19) zu Gast und am 31.1. mit einer ausführlichen Listening Session im FM4 Soundpark (01:00-06:00) zu hören.
Dass hier ein ausgeklügeltes Klangspektrum präsentiert wird, zeigt sich bei einem Track wie "Sip Of Milk", das als einfache und karge Ballade beginnt und sich gegen Ende zu einem breiten, hymnenhaften Song aufschwingt. Wobei das anschließende "Crusing" wieder den dunklen Pop-Appeal hervorkehrt, der nicht nur unweigerlich an Roisin Murphy erinnert, sondern dessen Begleitgitarren sogar einen Hauch Pink Floyd verbreiten. Wie gesagt, eine gewagte Mischung aller persönlichen Vorlieben, die sich bei Vlado dZihan und Madita über die letzten Jahre und Jahrzehnte angesammelt haben. Allerdings setzt dieses Bekennen zu den musikalischen Herzensangelegenheiten auch viel Freiheit voraus. Sowohl im Kopf, als auch im markttechnischen Sinne. Mit dem Song "Liberty" scheint Madita gegen Ende des Album sich und uns zu fragen, wie frei wir alle wirklich sind. Und da kommt mir ein Satz in den Kopf, der seit meiner Teenagerzeit bei solchen Fragen immer wieder auftaucht: "Freiheit ist, zwischen seinen Abhängigteiten wählen zu können". Die musikalischen Abhängigkeiten, die Madita für 'Pacemaker' gewählt hat, sind auf alle Fälle frisch und spannend.