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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 1. 2010 - 20:19

Journal '09. Noch ein Appendix.

Heute ist erschienen, wovon ich vor sechseinhalb Wochen erzählt habe. Im SZ-Magazin. Mit mir als Zwölftel-Coverboy. Das schließt das letzte Jahr endgültig ab.

Und, fragt mich Hurch quer durch den Raum, als wir uns unlängst bei einem Geburtstagsfest über den Weg laufen, wann, glaubst, erscheint es endlich, das deutsche Heft mit uns am Cover?

Die Umstehenden lachen, weil sie es für einen Witz halten.
Ich sage, was ich auch schon damals, Anfang Dezember gesagt und gedacht habe: dass ich doch einen Rest-Zweifel daran habe, ob sie, die Deutschen, die Redaktion des SZ-Magazins, das, was sie da mit uns 12 ÖsterreicherInnen fabriziert haben an diesem Kaffeehaus-Tag, in eine adäquate Form bringen können. Und die umstehenden und -sitzenden Lacher merken, dass wir zwei gar keine Witze machen und fragen nach, wovon wir reden.

Jetzt müssen wir nicht mehr mit Händen und Füßen das wenig gut Erklärbare erklären, heute ist es erschienen, im Magazin der Süddeutschen Zeitung.

Das SZ-Magazin ist nicht nur Fundgrube sondern auch Auslöser für Debatten, die dann viel weiter reichen und auch der Auftraggeber für die originellste Chronik der Popmusikkultur.

Wenn die einen aufrufen, dann kommt man.
Also kamen ein Filmregisseur, ein bildender Künstler, eine Grande Dame, eine Schauspielerin, ein Kabarettist, ein Festival-Chef, eine Autorin/Philosophin, ein Physiker, ein Philosoph, eine Musikerin und ein Schriftsteller. Und ich.

Was dann passiert ist, steht hier.

Wir müssen reden

Ich möchte nur die Versuchsanordnung zitieren ("Die Idee: Ein Experiment. Der Ort: Das Café Engländer in Wien. Die Gäste: 12 Menschen, die uns interessieren. Die Zeit: 4. Dezember, Mittag bis Mitternacht. Die Themen: Adorno, Deutschland, Burn-out, Haider, Demenz, Fußball, Kehlmann, die RAF, Zahnärzte, Selbstmord, Cordon bleu, Österreich. Das Ergebnis: ... ein Experiment.") und auf meinen anderntägigen Versuch das Erlebte in einen Gesamtzusammenhang zu bringen verweisen.

SZ-Magazin-Cover

sz

Klar, einiges, was ich als interessanter empfunden habe, kommt in dieser extrem geschickt verknappten Zusammenfassung/Komprimierung deutlich zu kurz, anderes, vor allem die mich leise annervenden raumgreifenden Versuchsanordnungs-Verbal-Nachstellungen des Physikers Gruber hat zuviel an Präsenz.
Interessant ist es allemal, weil jetzt auch ich mitbekomme, was auf der anderen Seite des Tisches (Streeruwitz, Glavinic...) passiert ist.
Die insgesamt freundliche, aber nicht verhaberte Atmosphäre (die meisten der 12 kannten sich nicht oder nur kaum, es gab keine zwei, die irgendwie verkumpelt sind) ist gut eingefangen; der ironische Unterton, der durchlief, wenn die Österreicher über das Deutsche sprachen, ist hingegen nur für Empathen spürbar.

Ich hab immer noch keine Ahnung, ob das Experiment aufgegangen ist, aber ich weiß jetzt wenigstens, was ich bei der nächsten Gelegenheit, wenn ich irgendwo zufällig über einen anderen Teilnehmer stolpere, besprechen werde.

Und dann noch die Küblböck-Sache

Das ist (und die SZ merkt es völlig richtig an) so ein klassischer Fehler von mir. So wie ich bis zu meinem etwa 35. Lebensjahr immer Pabst statt Papst geschrieben habe, wohl wegen G.W. oder auch weil mir das Batzweiche angemessener schien.

Man hat es mir schon einige Male gesagt, dass Daniel Küblböck (der Prototyp der dümmlichen Casting-Superstar-Sternschnuppe) Niederbayer ist. Ich hab ihn als Franken im Ohr. Dazu gibt es eine Geschichte, und da sie mit dem Journal zu tun hat, erzähl ich sie jetzt einfach.

Vor mittlerweile auch schon sechs oder so Jahren habe ich in der Redaktion einen Anruf bekommen, von einem der Web-Trolle, die ich mir wegen der immer recht direkten Ansagen in den Journalen ab 2003 eingetreten hatte. Damals, so rund um 2005 waren die auf ihrem Höhepunkt, schossen unter Ausnutzung der damals neuen Technologien ihre Hate- oder Scherz-Postings in den virtuellen Orbit und amüsierten sich über den oft hilflosen Umgang der digitalen Immigranten - der zum Großteil in Angst und Überschätzung bestand.

Armin Thurnher befindet sich heute, Jahre und eine ganze digitale Punkt-Nuller-Welt später immer noch auf diesem Emotions-Level. Mittlerweile sind diese Trolle aber unwichtige Randerscheinungen, die von Digital Natives einfach ausgeblendet werden und aufgrund der raffinierteren Struktur von Social Networks dort einfach keinen Fuß auf die Erde bringen.

Der bewusste Troll mit dem Kampfnamen "morb" ist heute auch noch hin und wieder auf der FM4-Site umtriebig, wird aber - wegen seines fantasielosen Einsatzes alter Techniken, ödem Geflame und seiner abgestandenen neoliberalen Plattheiten - von den anderen Usern sofort erkannt und verlacht (nur ein paar Frischlinge fallen noch auf ihn rein).

Damals, auf dem Höhepunkt seiner Wirkung, raffte er seinen ganzen Mut zusammen und rief einmal an - was Trolle, die sich anonym halten, ja sonst nie tun.
Als er sich zu erkennen gab, musste ich aus vollem Hals loslachen: der sich als gefährlich und wild gebende Poster verfügte über ein Stimmchen, das sich in der fränkischen Variante des Rotkäppchens für die Titelrolle empfehlen würde. Da piepste mir also eine kieksige Küblböck-Parodie mit Lothar Matthäuschem Idiom Worte ins Ohr, die ich nicht verstand, weil die Form so lustig war.
Ich weiß, das ist gemein: Leute wegen Äußerlichkeiten verlachen. Aber: mir als Radiomenschen und Stimmarbeiter ist die Stimme natürlich wichtig. Und: jemand, der sich schon zuvor inhaltlich als regel-rechter Dreckspatz erwiesen hat, verdient diesen Spott allemal.

Ich habe das Trollchen also fürchterlich ausgelacht.
Er hat nie wieder angerufen oder sich irgendwie aus seiner Deckung getraut - was ich für eine Fehler halte. Der berühmte Fußball-Schiedsrichter Markus Merk etwa hat mit einer entsprechenden Behandlung/Kur aus seiner heiser-überschlagenden-pubertierenden-Knaben-Stimme, die ihn dem Spott der Kicker aussetzte, herausgefunden; es geht also.

Resultat dieses telefonischen Begegnung. Immer wenn die Stichworte "Franke" oder "Küblböck" fallen, bringe ich sie als Assoziation ein. Und zwar zusammen; was falsch ist.
Meine trollige Küblböck-Parodie ist Franke, der echte nicht. Vielleicht merk ich mir's jetzt. Exkurs Ende.