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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

20. 1. 2010 - 17:22

Soul Kitchen

Vor dem Film ist nach dem Film. Jasmin Ramadan schreibt die Vorgeschichte zum Film von Fatih Akin. Einmal mehr Hamburg, Party, Sex, Drugs und massig Kocherei.

"Ein Mann, der um seine Existenz fürchtet, fickt nicht gut."
Na, das ist doch mal ein erster Satz, der gleich auf den Punkt kommt.
Und doch eröffnen sich in diesem Satz schon zwei wesentliche Motive, die im Roman immer wiederkehren – eine gewisse Existenzfurcht des Protagonisten und die fehlende Frau für befriedigende sexuelle Erlebnisse.

Hamburg davor

Jasmin Ramadan Portrait

Ali Salehi

Foto: Ali Salehi

Jasmin Ramadan, geb. 1974, lebt in Hamburg-Altona. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Ägypter. Sie studierte Germanistik und Philosophie. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für Literatur. "Soul Kitchen. Der Geschichte erster Teil - das Buch vor dem Film" ist ihr Debütroman.

Wir befinden uns in Hamburg. Dort lebt Jasmin Ramadan und dort lebt auch Fatih Akin. Erstere schreibt gern, sucht aber noch nach einem Verlag, Zweiterer schreibt Drehbücher, verfilmt diese auch und erntet internationalen Erfolg. Die zwei sind befreundet und Fatih Akin soll Jasmin Ramadan irgendwann sein Drehbuch zu "Soul Kitchen" gegeben und gemeint haben, sie solle die Geschichte schreiben, die davor spielt. Wenn möglich in flockigen zehn Monaten.

Hamburg dazwischen

Jasmin Ramadan muss also recht schnell geschrieben haben – was sich äußerst positiv in ihrem Stil widerspiegelt. Langes Drumherumerzählen ist ihre Sache nicht. Während in anderen Debüts die Protagonisten erst ewig eine Zigarette aus der Schachtel fummeln, ist diese bei Jasmin Ramadan schon längst wieder ausgedrückt.

Eben noch ist Zinos Kazantzakis ein Bub, der seinem Meerschweinchen Rummenigge nachtrauert, schon ist er ein fettelnder Pubertierender, dessen Akne mit kaltem Nudelauflauf auch nicht weniger wird. Der ältere Bruder im Knast, die Eltern ziehen zurück nach Griechenland, er erhält eine kleine Wohnung und den Auftrag, das Beste daraus zu machen. "'Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.' Er wusste nicht so recht, was das bedeutete. Aber er brach die Schule ab, um sich einen Job zu suchen."

buchcober von soulkitchen

blumenbar verlag

Jasmin Ramadan: Soul Kitchen. Der Geschichte erster Teil - das Buch vor dem Film, Blumenbar Verlag, Berlin 2009.

Was dann folgt, ist vergleichbar mit einem großen Fressen, leichte Vorspeisen, durchaus fette Hauptgänge mit massig Beilagen, schwerer Wein, süß-saure Snacks, immer wieder einen Kurzen zwischendurch, Espresso, Rauchpausen, Nachtische und wenn dann gar nichts mehr geht, müssen noch kandierte Früchte probiert werden. Gegessen wird international – auf jedes Kapitel folgt tatsächlich ein Rezept – in Hamburg – Griechenland und der Karibik.

Zinos will Koch werden, findet nur ganz schwer Jobs, aber umso häufiger komplizierte Frauen und stolpert mit denen von einer Party zur nächsten. Man will erwachsen werden und weiß auch ganz genau, was das heißt:

"Erwachsensein bedeutet, man kann seine Verletzbarkeit besser verstecken und verdient Geld."

Nun, mit derartigen Sätzen gewinnt man wohl weniger Nobelpreise, kann aber immerhin die eine oder andere Jennifer so beeindrucken, dass sie diese Lebensweisheit noch Jahre später bei einem zufälligen Treffen rezitieren kann.
Es geht hier nicht um Weltliteratur, sondern um das raue Hamburg. Die Welt der Club- und Partygänger, die unterhaltsam und amüsant beschrieben ist und in deren Mittelpunkt Zinos irrt – mit all seinen Vorstellungen und Träumen – ein eigenes Restaurant strebt er an. Den Namen weiß er auch schon. Schwer zu erraten: "Soul Kitchen". "Naja, irgendwie griechisch, irgendwie mit Seele, kurios, heilig, unorthodox, aber bodenständig."

Hamburg vermissend

Nachdem Zinos im Zuge seiner Job- und Geldsuche auf einem Schiff anheuert und in die Karibik fährt, wird die Geschichte immer abstruser. Denn, um beim Essen zu bleiben, auf dieser Reise verkocht Jasmin Ramadan alles, was nur irgendwie zu finden ist. Das Ergebnis ist ein opulenter Eintopf mit Vampiren und Zombies, mit investigativen Journalistinnen, Kebabverkäufern in der Karibik, Sextouristinnen und Surfgöttinnen. Ach ja, und weil das fast jedem schmeckt, noch massig Sex, Drugs und Rock'n'Roll bzw. Prince.

Mag sein, dass Jasmin Ramadan mit dieser Überfülle an Figuren, Szenen und Begebenheiten schon mal Fährten legen wollte für etliche andere Drehbücher. Ach, wär sie doch mit ihrem Roman in Hamburg geblieben und hätte stattdessen länger an der Überleitung zum Film geschrieben, denn die ist sehr knapp und teilweise bemüht.

Hamburg gegenwärtig

In einem FM4-Interview zum Film "Soul Kitchen" hat Fatih Akim erzählt, er wollte nicht in die Verlegenheit kommen, irgendwann ein alter Sack zu werden und dann nur mehr einen nostalgischen Film über seine Kindheit oder Jugend zu machen. "Ich find's immer in Ordnung, so auf einer Augenhöhe mit meinen Helden zu sein. Ich hab das Gefühl, jetzt werd ich fast zu alt, von dem, was ich erzähle, um wahrhaftig genug zu sein."
Es war ein schlauer Zug von ihm, Jasmin Ramadan als Autorin zu bitten. Bei ihr wirken die Leute, die Szene, die Dialoge authentisch. Das ist Hamburg, Digger.
Bleibt die Frage, ob und wie sich der Film geändert hätte, wäre das Buch vor dem Drehbuch geschrieben worden.

Jasmin Ramadan liest am Donnerstag aus "Soul Kitchen" in der Hauptbücherei Wien
Am Gürtel, Urban-Loritz-Platz 2a, 1070 Wien

Beginn ist um 19:00 Uhr, Eintritt frei

Das kann Jasmin Ramadan am besten selbst erzählen, kommt sie doch am Donnerstag, 21. Jänner nach Wien in die Hauptbücherei, um dort zu Lesen. Schon am Nachmittag wird sie Gast bei FM4 sein.

Ach ja, bevor jemand übermütig wird:
"Ein Mann, der um seine Existenz fürchtet, fickt nicht gut, aber ein Mann, der sich vor gar nichts mehr fürchtet, auch nicht."