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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

20. 1. 2010 - 13:13

Karneval der Hipster

Berlin Fashion Week. Der Tag davor. Put on your Keilabsatz.

Sven Loth

Ui, fesch! Bunny Lake im Foto von Sven Loth.

"Ja was glaubst du denn, die drehen alle am Rad", sagt mein Gastgeber, angesprochen auf die geistig-seelische Verfassung des Berliner Hipstervolkes während der Fashion Week. "Karneval der Hipster! Und dazu noch die, die von überall her mit Airberlin angeflogen kommen!"
Das bin ja dann wohl ich. Schon im Flugzeug trifft sich die österreichische Modemischpoche.

Magdalena, die dank ihrer Arbeit im Wiener Wood Wood Laden eine riesige Tasche voller Schuhe vom Gepäckband zerrt, die zur Berliner Dependance gebracht werden müssen. Katha, die als Managerin von Bunny Lake in der Stadt ist und ihrerseits in ihrem Koffer ein Kettenhemd für die Sängerin von Bunny Lake bringt.

Die Band spielt abends ein irrsinnig wichtiges Showcase vor einer großen deutschen Plattenfirma und den BerlinerInnen natürlich. Auch die Truppe vom Indie Magazine ist angereist. Ja und die Idee, Martens anzuziehen, die hatten tatsächlich zirka 4 von 6 Modetouristinnen.
Magda trägt zusätzlich noch eine schwarze Pelzkappe mit Ohrenklappen, die sie einen Meter größer macht.

Sven Loth

Bild: Sven Loth

In Berlin herrscht nämlich, ich liebe den Ausdruck, den man in Deutschland dafür hat, Schmuddelwetter. Es ist kalt und feucht, es liegt Schnee, aber alles nicht so schlimm wie vor einer Woche, beteuert man mir, 30 Zentimeter Schnee und die Stadt zu bankrott, um ihn wegzuräumen.

Das Taxi ist langsam, der Verkehr ist dicht und der erste Programmpunkt fällt schon mal flach: Café Palermo auf der sogenannten Show Meile (ja, die Berliner Fashion Week hat viiiiele Schauplätze und ihr Namen sind absurder als die von lustigen österreichischen Frisörsalons) hat eingeladen, TextilforscherInnen zu bestaunen.

"So ist u.a. Gregor Hohn, Preisträger des "Innovationspreis textil+mode 2009", vergeben vom Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, vertreten. Seine Arbeit: eine therapeutisch-aktive Wundauflage mit drug delivery Funktion."

Ja, schade dann. Deshalb auf dorthin, wo Mitte am mittigsten ist. Zur Buchpräsentation und selbstdeklarierten "Opening Party" der Fashion Week. Fotograf Marc Schuhmann hat die Berlin Fashion Week 2009 aufgenommen, vermutlich selbst mit Zwirn und Nadel geheftet und nun als auf fünfzig(!) Stück limitiertes Buch herausgebracht.

Marc schuhmann

"I'm interested in the special moments; the look in the eyes of a model just before she steps out onto the runway, the chaos backstage, an unusual perspective of the front row", gibt sich Schumann im Pressetext auf English interessant.

gerlinde lang/fm4

Knips mit Kopfschal.

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Im Publikum tragen zwei Drittel der BesucherInnen Kameras um den Hals, so auch dieser junger Herr mit dem momentan in Berlin sehr gern genommenen Männerdekolleté.

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"Become a mother today", fordert der Shop zur Taschenadoption auf. Ja, das sind Heuballen.

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Reisiginstallation à la "Wo die wilden Kerle wohnen" knistern, ein Klavierspieler spielt Klaviertechno, ein kleiner Popup-Shop tut sich nach einem Tunnel voller ausgesprochen ausgewachsener Orchideen von Grün der Zeit auf. DJ Josefin Jander spielt erst zwei Mal Joy Division und dann The Cure.

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Dann und wann sieht man eine junge Frau vorsichtig durch die Menge gehen, sie trägt eine kleine schwarze Schachtel, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, und darin das kleine schwarze Buch. Hier mal Off Duty, mit voller Hipster-Checklist: Haarknoten, Ledershort, vorne offene geschnürte Keilschühchen. Ja, zur Modewoche zeigt man sich gern understated in schwarz. Btw, hier ist auch die Hipsterchecklist voll! Brille, Pilzhaare, Russenmütze. Der Mann mit rätselhafter Tuch-unter-Mütze Situation. Morgen mehr!

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