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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

20. 1. 2010 - 19:41

Sozialneid von oben?

Es geht ums Geld: In Österreich sollen Transferkonten für Transparenz bei staatlichen Leistungen sorgen. In Deutschland läuft die Diskussion direkter: dort werden sozial Schwache gleich als "Minderleister" beschimpft.

Mit der Transparenz ist das so eine Sache: Gern fordert man sie bei anderen ein, bei sich selbst hält man sie oft nicht für notwendig. Ein Transferkonto, so die Argumentation von Karlheinz Kopf (ÖVP) soll Transparenz herstellen über soziale Leistungen, die Einzelne bzw. Familien erhalten.

Offenheit und Transparenz

Gesellschaftspyramide

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pyramid_of_Capitalist_System.png

Transparenz, so glaubt man, ist natürlich nichts Schlechtes. Eigentlich ja sogar eine Grundlage für Demokratie. Da stellt sich natürlich die Frage, warum ausgerechnet bei den unteren Einkommen Transparenz herrschen soll, und man bekommt die Antwort gleich mitgeliefert: um die "Treffsicherheit von sozialen Maßnahmen zu erhöhen". Ganz forsch fordert der Wirtschaftsbund gleich eine "Bürgerbilanz", er will damit "Leistungs- mit Verteilungsgerechtigkeit kombinieren" und mit Transparenz "ein neue Einstellung zu Leistung und staatlicher Gegenleistung" erreichen.

Das erinnert an die deutsche Diskussion um Thilo Sarrazin und Peter Sloterdijk - die war da allerdings ein bisschen direkter. Der deutsche Sozialdemokrat Thilo Sarrazin sprach, kaum hatte er es sich auf seinem gut dotierten Versorgungsposten in der Bundesbank bequem gemacht, von "Minderleistern" und davon, dass die Unterschicht (unter ihnen natürlich auch die "nicht integrationswilligen muslimischen Ausländer", die wir aus hiesigen Debatten nur allzu gut kennen) zu wenig Leistung erbringe und im Gegensatz dazu zu viele Kinder produziere, die dann allesamt zu bildungsfernen Proletariern heranwüchsen.

Noch vor Kurzem hatte man in Deutschland - wie fast überall - darüber diskutiert, was falsch läuft in einem System, in dem die, die eine halbe Weltwirtschaft in den Abgrund stoßen, mit fetten Millionenprämien belohnt werden, und in dem der Staat zu wenig Geld für Bildung, Kultur und Soziales hat - aber wenn es die Richtigen brauchen, dann scheißt er Milliarden heraus wie ein Goldesel die Dukaten. Binnen Kurzem hat sich die Diskussion gedreht, jetzt sind die Minderleister das Problem und eine Partei sitzt in der Regierung, die nie ein Hehl daraus gemacht hat, dass sie denen dient, die von diesem falschen System am meisten profitieren.

"Leistung muss sich wieder lohnen!"

Am Anfang solcher Kampagnen steht das Missverständnis, dass in unserer Gesellschaft die Menschen das verdienen, was sie verdienen. Das wird auch nicht wahrer, wenn man es ständig wiederholt. Ein Kindergärtner leistet nicht weniger als eine Bankmanagerin, ein Bauarbeiter nicht weniger als ein Fußballer, und trotzdem werden sie völlig anders entlohnt. Von den prekären Arbeitsverhältnissen gar nicht zu reden.

Dass Marktwirtschaft Gerechtigkeit schafft, haben sich vor ein paar Jahrzehnten nicht einmal ihre größten BefürworterInnen zu behaupten getraut. Darum ging es auch gar nicht. Der große Bonus der Marktwirtschaft war das Schaffen von Wohlstand, nicht dessen gleichmäßige Verteilung. Dass der Markt jedem das gibt, was er verdient, ist ein ideologisches Konstrukt, das in den Achtziger Jahren von den Wegbereitern des Neoliberalismus, Reagan, Thatcher, Kohl, propagiert wurde, und das auf Standesdünkel aus der Frühzeit des Kapitalismus zurückgreift.

Das Perfide an der seit damals immer wieder hoch kommenden Leistungsdebatte ist, dass sie gar keine Leistungsdebatte ist. Der Slogan Leistung muss sich wieder lohnen, in den Achtziger Jahren entworfen, hatte mit Leistung eigentlich gar nichts zu tun, er meinte Weniger Steuern für Großverdiener.

Studie zum sozialen Wert von Arbeit

WissenschaftlerInnen vom britischen Think-Tank New Economics Foundation haben statt dem ökonomischen den sozialen Wert der Arbeit für bestimmte Berufsgruppen berechnet. Dabei kam heraus, dass Topmanager in Banken für jeden Euro Gehalt sieben Euro sozialen Wert vernichten, wogegen in der Kinderbetreuung für jeden verdienten Euro rund zehn Euro sozialer Mehrwert entstehen.

Legt man für Transferkonten und Bürgerbilanzen statt dem ökonomischen den sozialen Mehrwert zu Grunde, dann brächte Transparenz uns wirklich weiter. Aber so ist das alles natürlich nicht gemeint, genausowenig wie gemeint ist, die Vermögenden zu durchleuchten. Wer erinnert sich, wie vor kurzem noch das Bankgeheimnis heilig gesprochen und mit Zähnen und Klauen verteidigt wurde? Kein ÖVP-Politiker forderte hier Transparenz.

Macht braucht Kontrolle, Kontrolle braucht Transparenz

Noch auf einem anderen Feld ist die Transparenzfreudigkeit der KoalitionspolitikerInnen wenig ausgeprägt: bei der Parteienfinanzierung blocken SPÖVP trotz (oder auch wegen?) des Kärntner Hypodebakels nach wie vor ab. Missstände, die seit Jahren nicht nur von Organisationen wie Transparency International angeprangert werden, sind für deren Profiteure natürlich keine. Die Korruptionsbekämpfung hierzulande ist unterentwickelt, Abgeordnetenbestechung ist in Österreich nach wie vor keine Straftat.

Karlheinz Kopf fordert mehr Transparenz für die Unterschicht, für die Empfänger von staatlichen Leistungen, damit denen auch ganz genau auf die Finger geschaut werden kann und ja niemand auch nur einen unkontrollierten Cent zuviel bekommt. Er fordert nicht mehr Transparenz auf der anderen Seite, nicht für Subventionen an große Wirtschaftsbetriebe, nicht für die Steuererklärungen von GroßverdienerInnen, nicht für Stiftungen, nicht bei Parteispenden, nicht für weisungsgebundene Staatsanwälte.

Dabei wäre gerade dort Transparenz vonnöten. Transparenz nicht als Machtmittel, sondern um Macht kontrollierbar zu machen.