Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Das geht schlichtweg zu weit""

18. 1. 2010 - 16:40

"Das geht schlichtweg zu weit"

Der Entwurf für das Terrorismuspräventionsgesetz ruft heftige Kritik auf den Plan. FM4 hat bei Justizministerium und Amnesty International nachgefragt.

Die geplante Abänderung des Strafgesetzbuches "zur Verhinderung von Terrorismus" (Terrorismuspräventionsgesetz 2010) soll eine Handhabe gegen die "Teilnahme an einem Terrorcamp im In- oder Ausland" schaffen. Doch an der Umsetzung des Vorhabens scheiden sich die Geister. Amnesty International, der Österreichische Journalistenclub, der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, der Verein gegen Tierfabriken und die Grünen äußern heftige Kritik am Plan der Justizministerin, die mit dem Gesetz einen EU-Rahmenbeschluss umsetzen will. Mit dem Gesetz könnte ziviler Ungehorsam kriminalisiert werden, so Amnesty International, und etwa die jüngste Audimax-Besetzung locker unter Terrorismusverdacht geraten.

Amnesty International-Generalsekretär Heinz Patzelt im Interview mit Esther Csapo

Heinz Patzelt

Stefan Liewehr

Heinz Patzelt

Übertreiben Sie mit ihrer Kritik nicht ein bisschen?

Ich bin mir ganz sicher, dass wir nicht übertreiben, sondern dass wir, wie es angemessen ist für eine Menschenrechtsorganisation, besorgt sind. Wir haben das mit der Übertreibung schon vor vier Jahren gehört, wie dieser Gesetzesentwurf das erste Mal Realität wurde - da hat's auch geheißen, "lächerlich, übertrieben", und dann wurden in der bekannten Tierschützercausa, Tierschützer, die vielleicht nicht immer legal agiert haben - das mag sein - plötzlich als kriminelle Organisation, als Mafia angeklagt. Mafia - Mädchenhandel, Frauenhandel, Waffenhandel, Drogenhandel - das sind die Delikte, die dorthin gehören. Das zeigt glaube ich, dass unsere Besorgnis nicht ganz an den Haaren herbeigezogen ist.

Sie haben jetzt gerade von dem Mafia-Paragraphen gesprochen.

Ganz genau, und das ist einer der Punkte, die uns so stören. Terrorismus muss konsequent bekämpft werden, und auch das Umfeld des Terrorismus ist natürlich strafrechtlich entsprechend zu verfolgen. Das, was uns sehr irritiert hier, ist, dass ein anderer wichtiger Bereich - Bekämpfung der organisierten Kriminalität - damals im Gesetz so formuliert worden ist, dass man plötzlich auch eine - vielleicht extrem handelnde - Tierschutzorganisation in einen Bereich hineinräumt, wo Waffenschieber und Frauenhändler eigentlich richtig untergebracht sind.

Welche konkreten Aktionen könnten bedroht sein, wenn dieses Gesetz so durchgeht, wie es jetzt gerade aussieht?

So wie es der Gesetzgeber meint, geht es glaube ich ganz klar darum, Terrorismus und Umfeldvorbereitungen zu bekämpfen, aber das ist ein bisschen zu ideal und theoretisch gedacht, wenn man in der Realität weiß, dass auch Staatsanwälte natürlich einseitig anklagen können, wenn auch nicht gesetzeswidrig. Und dass Richter einseitig, wenn auch nicht gesetzeswidrig, entscheiden können. Da gibt es die sogenannten Verkettungen, wo am Anfang ein kleines Delikt steht, Nötigung zum Beispiel, etwas, das für die Audimax-Proteste genauso gilt wie es für die Hainburger Au gegolten hat. Und am Schluss, wenn das entsprechend viel Publizität hat, wenn das wirksam wird, wenn man tatsächlich in der Hainburger Au den Staat in die Knie zwingt, ist man mit diesem Gesetz bei einseitiger Auslegung plötzlich in einer terroristischen Organisation. Und das kann's wohl nicht sein, was Österreich haben will.

Was sind die konkreten Punkte und Formulierungen, die Sie an diesem Gesetzesentwurf stören?

Damit man nur jede Aktivität, die vielleicht was mit Terrorismus zu tun hat, ganz sicher erwischen kann, schüttet man das Kind mit dem Bad aus. Jede Ausbildungsmaßnahme, auch Lesen und Schreiben, auch, wie man ein Flugblatt entwirft, auch, wie man mit einem Grafikprogramm arbeitet, ist plötzlich Bestandteil einer terroristischen Organisation. Wenn denn der Ausbildner weiß, er will einen Terroristen ausbilden. Das geht schlichtweg zu weit, das schafft Rechtsunsicherheit, das schafft Missbrauchbarkeit.