Erstellt am: 18. 1. 2010 - 16:13 Uhr
Ein Kampf fürs Dagegen
Es gibt kaum etwas, das so viel Spaß macht und so anstrengend ist, wie die Vor-Vorjury-Sitzung für den Protestsongcontest. Eigentlich fallen mir da nur die großen Festivals ein. Für beides gilt: Man freut sich vorher wochenlang darauf und ist danach froh, dass es vorbei ist.
Und so haben wir vier - Mario Rossori, Gerald Stocker, Roman Freigaßner und ich - uns das Wochenende über mit fast 200 CDs eingesperrt. Als bereits eingespieltes Team findet man schnell wieder in die Routinen der Arbeitsschritte im ständigen Abgleich von Excel-Liste, Bewerbungsbogen und nummerierten CDs, hat bald wieder die alten Handzeichen und Running-Gags rausgekramt, sucht mit Blicken nach Verbündeten für oder gegen bestimmte Songs Es ist immer gleich und trotzdem anders. Und es ist bis ganz zum Schluss unsicher, ob man den Kollegen danach noch die Hand gibt.
Protestsongcontest
Dieses Mal ist es gerade noch gut gegangen. Denn auch wenn es - wie im vergangenen Jahr auch - Einsendungen gegeben hat, die schon nach dem ersten Mal hören für alle in die Top 25 gehören, und viele, die klar ausscheiden, war dieses Jahr die zweite Reihe besonders stark. Lieder, die man öfter hören muss, bis sie plötzlich super werden, die Zeit brauchen, um zu sickern, die ihre Kritik oder ihren bitteren Witz nur langsam entfalten. Und so hatten wir am Sonntagnachmittag dann knapp 60 Songs in der engeren Auswahl. Da wird es dann unschön, die Stimmen werden lauter, die Diskussion verbissener. Und nach vier Stunden, in denen die strittigen Kandidaten dann zum fünften und sechsten Mal angehört werden, bleiben tatsächlich 25 Lieder übrig.
Wie jedes Jahr sind viele gute Lieder, deren Kritik subtil daherkommt, die um mehr als eine Ecke denken oder die reduziert, vielleicht simpel sind, auf der Strecke geblieben. Natürlich gibt es welche, um die mir leid ist: Um jenes etwa, das die Alice-Schwarzer-Seite der Porno-Diskussion hart und kompromisslos auf den Punkt bringt, habe ich alleine gekämpft und musste mich geschlagen geben. Und umgekehrt gibt es wieder ein Lied, das für mich sicher nicht in die Wertung gehört. Aber schließlich hat es noch zwei Runden zu überstehen.
Hier sind sie also, die 25 besten Protestlieder 2010 in ungeordneter Reihenfolge zum reinhören:
Weiherer - Unda Drugg
Der Bayer klingt wie Hans Söllner, war schon zwei Mal unter den Top 25 und hat diesmal ein hintergründiges Lied eingeschickt, das sich gegen die Spießbürger in uns allen richtet.
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Rotz - Draußen vor der Stadt
Ebenfalls alte Bekannte, die nach einer Kapitalistenkritik letztes Jahr heuer mit einem Song antreten, der sich langsam reinbohrt und hängen bleibt.
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Beschwerdechor St. Pölten - Wenn in Wien die Sonne scheint
Bernadette La Hengst und Mitstreiter haben in der niederösterreichischen Landeshauptstadt auf der Straße Beschwerden gesammelt, die in Liedform gebracht und gemeinsam mit den Beschwerdeführern aufgeführt.
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Max Schwab - Mhmmmmmm
Eine satirische Regierungsumbildung.
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Rotzpipn & Das Simmeringer Faustwatschenorchester - Würschtlpolka
Wer mag wohl mit dem Würschtl gemeint sein. Eigentlich ja wir alle.
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Maria Stern - Swarovski Song
Beruhend auf einer Aussage von Fiona Swarovski, dass wir doch auf der Terrasse Gemüse ziehen sollen, um in der Krise zu sparen. Die Verarschte wollte gegen das Lied klagen, hat es sich aber offenbar mangels Erfolgsaussichten nochmal überlegt.
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Zukunftsmusik - Ich esse meine Suppe nicht
Ein Anti-Suppen-Lied hatten wir doch schon. Das hier ist aber ganz anders und wer nicht auf die PC-Sprachausgabe steht, hat schon verloren.
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Benedikt Büchler - Ich war´s nicht
Der Deutsche will´s wieder nicht gewesen sein. Wir glauben ihm mal.
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Dame - Revolution war gestern
Protest gegen den Protest? Nicht wirklich.
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bonbonblack - Starlet
Intelligenter Elektropop Sprechgesang einer Stimme, der man das Starlet abnimmt und die dann ja wohl gegen sich selbst protestiert. Was ist schon ein Orgasmus im Gegensatz zu einem Blitzlichtgewitter ohne Regenguss?
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Petsch Moser - Argumente (Lalalalalalalala)
Die kennen wir doch. Das hatte aber keinen Einfluss auf die Entscheidung. Ein Protestlied gegen die Besserwisser, denen wir argumentativ nicht beikommen, war einfach schon lange nötig.
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Big Sime & Dark Poet - §27 SMG
Ein selbstkritisches Pro-Drogenlied, bei dessen intelligentem Text manche wohl nicht glauben werden, dass es ein Kiffer geschrieben hat.
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There is Something to be Learned - Traumwäscherei
Die Abrechnung mit den Schönfärbern, die sich gerne als Künstler sehen und für einen Gutteil des Bösen auf der Welt verantwortlich sind.
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kè - Kindergartenpathos
Gleich noch eine Abrechnung, nämlich die einer anonym bleibenden Kindergärtnerin mit dem Umgang der Politik mit Kindern und Pädagogen.
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Modula Nation - Start the Revolution
Depeche Mode lässt grüßen, der Titel spricht für sich.
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Binder & Krieglstein - Fahradfahr´n ist schadstoffarm
Ebenfalls alte Bekannte mit einem Protestlied für ... na so schwer ist das ja nicht.
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Die Cremeschnitten - Nichts
Die Schanitten wehren sich, biatch: Dieser Chanson ist feministischer Natur.
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Karin Rabhansl - Arbeitsamt
Die vermutlich wahre Geschichte einer Musikerin, die Herz und Verstand an Sex, Drugs und Rock´n´Roll verloren hat.
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pauT - sepp haT gesagT, wir müssen alles anzünden
GebT dem verhalTensauffälligen jungen Mann miT inTeressanTer CI bloß kein Feuerzeug. BiTTe.
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RISE-O - Sisyphus
Hier wird die Wut über all die Knüppel, die einem das System zwischen die Speichen schmeisst, knallhart rausgelassen. Reiss o!
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Mad Town Dogs - Lokalverbot
Rock´n´Roll gegen Rechts. Karottenbraun ist mein neues Solariumorange.
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Ljiljana Petkovic Orchestra - Immer so tun als ob
Der falsche griechische Volkstanz grüßt aus dem Hintergrund, Hildegard Knef schwingt die Stimmbänder und die Kritik schwelt fast unbemerkt unter der Oberfläche.
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Café Olga Sánchez - Schwarza Ma
Ich habe mich schon mal nur wegen des Vorarlberger Dialektes verliebt, der hätte dem Café aber auch nichts gebracht, wenn das Lied nicht wirklich gut wäre.
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Er ist tot, Jim - Le ROI c'est moi
Das sind auch schon Berufsprotestierer, diesmal mit einer klugen Kapitalismus- und Egoismuskritik.
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Jeroscha - Praktische Theorien
Was zum Nachdenken aus der Hamburger Schule. Laut Refrain können sie aber echt nichts dafür.
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Das weitere Programm
Am Freitag, den 29. Jänner 2010, findet ab 19.30 Uhr das Vorfinale im Haus der Begegnung Rudolfsheim im 15. Wiener Gemeindebezirk (Schwendergasse 41) statt. Der Eintritt ist frei. Da werden dann vor Publikum alle 25 Songs durchgehört und von einer Fachjury die 10 endgültigen FinalistInnen ermittelt.
Die treten dann am 12. Februar live im Rabenhof gegeneinander an (das Finale wird auch live auf FM4 übertragen), um den Protestsong 2010 zu ermitteln.