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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

16. 1. 2010 - 06:00

Die Brüder Kafka

Gewinn Tickets für die FM4 Kinopremiere von "A Serious Man", den neuen rabenschwarzen Streich der Coen-Brothers.

Was macht man eigentlich als verschrobenes Filmemacherduo, wenn sich nach langer Zeit der breite Erfolg einstellt? Wenn es nach vielen goldenen Palmen und anderen Auszeichnungen endlich Oscars hagelt? Wenn Hollywood mit Geld winkt und Schauspielerfreunde wie George Clooney oder Brad Pitt für jeden filmischen Unfug bereit stehen?

Die Antwort im Fall der Coen-Brothers heißt zunächst: lakonisch mit den Schultern zucken. Und dann einen ganz persönlichen kleinen Streifen drehen, der erstmals seit ihrem Debüt "Blood Simple" auf Stars gänzlich verzichtet.

"Unser neuer Film steht uns in dem Sinn näher als andere, als dass wir auf unsere Erfahrungen zurückgreifen, was das Milieu betrifft, auf unsere Kindheit", sagen Joel und Ethan Coen, als ich ihnen beim Interview gegenüber sitze. Die beiden unzertrennlichen Brüder sind in den Sixties in einer ähnlichen jüdischen Community in Kalifornien aufgewachsen, wie der Antiheld ihres neuen Films "A Serious Man".

A Serious Man

Tobis Film

Wie viele andere Protagonisten in Coen-Brothers-Filmen wird dieser Larry Gobnik von seinen Schöpfern heftig gequält. Ohne jede Vorwarnung bricht das Vorstadt-Bilderbuchleben des Physikprofessors wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Seine Ehefrau gesteht ihm, dass sie sich in einen schmierigen alten Gigolo verliebt hat, sein Sohn interessiert sich mehr für Rock'n'Roll und lustige Zigaretten als schulische Leistungen.

Da ist auch noch Larrys sozial unfähiger Bruder, der als ungebetener Gast die ganze Familie nervt und mit seinem Hang zum Glückspiel die Aufmerksamkeit der Behörden anzieht. Und das alles ist erst der Anfang einer schwindelerregenden Kette des Unglücks. Es ist, als ob sich eine bedrohliche Wolke über Larry Gobnik (großartig gespielt vom Theaterakteur Michael Stuhlbarg) zusammenbraut.

Solchen Szenarien des ausweglosen Entgleitens, die wie kafkaeske Verschwörungen des Schicksals gegen die Figuren anmuten, verdanken die Coen-Brothers ihre besten Momente.

A Serious Man

Tobis Film

Wenn etwa der Drehbuchautor "Barton Fink" in eine endlose Abwartsspirale gesaugt wird, die einfältigen Provinzler in "Fargo" in fatale Fallen tapsen oder sich über dem Vietnamveteran in "No Country For Old Man" unaufhaltsam die Schlinge zuzieht, dann vergisst man die bisweilen nervige Cleverness der beiden Regiebrüder, man verzeiht ihren manchmal übertrieben abstrusen Humor.

Gleichzeitig schimmert, in "A Serious Man" überdeutlich, bei all der existentiellen Tragik auch so etwas wie ein Hauch von Kaltschnäuzigkeit durch. Ich stelle mir die Coens wie zwei fiese Wissenschafter vor, die ihre Laborratte Larry Grobnik durch ein Labyrinth hetzen, an dessen Ende grausame Bestrafungen lauern.

Genießt ihr es, frage ich Joel und Ethan, eure Figuren ins Messer laufen zu lassen? "Nein", grinsen die Brüder milde, "du quälst deine Figuren, weil das eine spannendere Handlung ergibt. Wenn es ihnen zu gut geht, wird es langweilig. Es sind Figuren in einer erfundenen Geschichte und es geht darum, das diese Geschichte funktioniert".

Story, Story, Story. Wenn man mit den Coen-Brothers redet, kann man jegliche tiefergehende Statements vergessen. Es geht nicht um emotionale Bezüge, sagen sie, Statements zu Politik oder Sozialem werden ohnehin abgeblockt. Es geht um die Lust am perfekten Drehbuch, nicht mehr und nicht weniger.

A Serious Man

Tobis Film

Der Vergleich mit den eisigen Mad Scientists mag also zu weit greifen, weil er eine Bösartigkeit impliziert, die diesen beiden ewigen Collegebuben gänzlich fremd ist. Als ich nachhake und vorsichtig einen zumindest herzlosen Umgang mit ihrem Repertoire an Losern und Gestrauchelten andeute, sind sie fassungslos. "Hey, das sind fiktive Charaktere, die gibt es nur auf dem Papier, wie kann man da irgendeine Haltung hineininterpretieren?"

Diese Verweigerung ist typisch für die Coens, sagt mir nach dem Pressegespräch ein Journalistenkollege, der sie schon öfter vor dem Mikrophon hatte.

Gut, ich gebe es auf, in diesem Fall mein Lieblingsspiel zu betreiben und die Künstler mit ihrem Werk kurzzuschließen. Joel und Ethan Coen mögen zwei Intellektuelle sein, die sich mit diebischer Freunde ganz naiv geben, die ihre bedauernswerten jüdischen Professoren, Schriftsteller oder Kleinkriminellen wie Schachfiguren herumschieben.

A Serious Man

Tobis Film

Was zählt, ist das Endergebnis. Und das ist im Fall von "A Serious Man" keine belangslose Klamauk-Fingerübung mehr wie der Vorgänger "Burn After Reading". Sondern eine Erzählung von biblischer Härte, verpackt in eine rabenschwarze Low Budget-Komödie.

Ein düsterer Film, der einem spätestens beim Finale den Boden im Kinosaal unter den Füßen schwanken lässt. Und der gleichzeitig beweist, dass der jüdische Humor unschlagbar ist, weil er - Hallo, Woody Allen! - keine Gefangenen nimmt, weder was die Gojim betrifft noch in den eigenen Reihen.

Mazel tov!

A Serious Man

Tobis Film

Tickets verlost

Die FM4 Kinopremiere von "A Serious Man" (OmU) findet am 21. Jänner 2010 um 20 Uhr im Urania Kino Wien statt statt.

Wir haben 65x2 Ticktes verlost. Die richtige Antwort auf die Frage: Wie heißt die Nihilisten-Band aus dem Film "The Big Lebowski"? Lautete: Autobahn. Die GewinnerInnen wurden bereits per Mail verständigt. Vielen Dank allen fürs Mitmachen!