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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 1. 2010 - 16:19

Fußball-Journal '10-2.

Über den TV-Vertrag und die wirtschaftliche Zukunft der österreichischen Fußball-Bundesliga. Beides hat morgen nämlich einen Stichtag.

Österreichs Vereins-Fußball ist gerade wieder in der Mittelklasse angekommen, wirtschaftlich steht er aber (nicht nur wegen der Krise, sondern auch wegen der Altlasten einer fahrlässigen Vergangenheit) auf wackeligen Beinen. Einige kleine, einige schlecht geführte Klubs stehen vor einem sportlichen Ausverkauf, auch einige der Groß-Klubs müssen ihre Kalkulationen neu tunen.

Just in dieser schwierigen Lage werden nun die TV-Übertragungs-Rechte für die Bundesliga neu ausgeschrieben. Das heißt, sie wurden das gar nicht wirklich, aber das ist eine der Wadelbeißer-Zusatz-Konflikte, auf die ich hier gar nicht näher eingehen möchte, weil sie nur den Blick aufs Wesentliche vernebeln.

Mehr als in anderen europäischen Ligen ist man bei Österreichs Vereinen auf das TV-Geld angewiesen. Die zweite Leistungsstufe, die Totgeburt "1.Liga" (der mit Saisonende der Generalsponsor wohl weglaufen wird) etwa könnte sonst gar nicht existieren.

Der Fernseh-Vertrag und die Sponsoren

Noch wichtiger ist die TV-Präsenz für die Sponsoren der Vereine. Denen sind das Werbeband, das Trikot oder die gebetsmühlenartige Erwähnung der Präsentatoren unglaublich viel wert: das können Print, Web oder Radio allesamt nicht leisten.

Und genau da liegt der Hund begraben.

Die Bundesliga will den aktuellen Deal dergestalt ändern, dass das Abo-TV "Sky" (formerly known as Premiere) alles bekommt und die Zahl der Live-Spiele, die in den frei empfangbaren Stationen laufen dürfen, auf 12 begrenzen. Dafür würde man mehr zahlen, was die ökonomischen Probleme der Klubs ein wenig lindern dürfte. Dem ORF, der bislang in jeder Runde ein Spiel übertragen durfte, ist das wiederum zu wenig. Die anderen (ATV, Puls) haben eh kein Geld, Mateschitz' Servus-TV hält sich interessanterweise total zurück.

Nun ist es international kein Problem, dass der Fußball nicht im Free-TV zu sehen ist. Bloß: sonstwo erreicht das Abo-TV eine seriöse kritische Masse an Fans. Hierzulande sind das nur 180.000. Die Zahl ist geschätzt, weil Premiere/Sky seit Jahren keine Abo-Ziffern für Österreich mehr bekanntgeben - so gering sind sie. Aber mit dieser Kennzahl operiert auch die Bundesliga.

Der Fernseh-Vertrag und Rapid

Das wiederum ist nun Rapid Wien zu wenig. Präsident Edlinger spricht von sozialer Verantwortung: 1,5 Millionen Österreicher haben weniger als 900 Euro Monats-Budget. Und: "Die sollen wenigstens Rapid gratis sehen."

Nun kalkuliert natürlich auch Rapid ökonomisch beinhart. Und die General-Sponsoren des Klubs sind mit der Sky-Kennzahl sehr unglücklich, sehen den Massen-Appeal, dessentwegen sie in den Fußball eingestiegen sind, gefährdet.

Das geht nicht nur Rapid so, das ist auch bei den anderen Vereinen aktuell das größte Problem - und auch bei der Liga selbst, die ja von den Sponsoren tipp3 und T-Mobile getragen wird.

Diese Geldgeber machen aus ihrer ablehnenden Haltung keinerlei Hehl (hier ein Rundruf, den Michael Fiala fürs Medianet unternommen hat) und lobbyieren im Hintergrund ordentlich gegen eine reine Sky-Lösung.

Im Vordergrund laufen derweil bizarre Debatten. Rapid droht mit einem Alleingang, also einem De Facto-Ausstieg aus der Solidargemeinschaft, BL-Präsident Rinner droht seinerseits mit Ausschluss, die Sponsoren setzen den ORF unter Druck - aber alle diese für die Außenwirksamkeit durchgeführten Gesten sind Ballyhoo, reines Getöse.

Rapid kann nicht ohne die Liga, die Liga kann nicht ohne Rapid, die Vereine können nicht ohne TV, die Sponsoren nicht ohne hohe Quoten - die Lage scheint unlösbar.

Der Fernseh-Vertrag und Sky/ORF

Dass an der Nebenfront ORF auch gleich politisches Kleingeld gewechselt wird, versteht sich: am gleichen Tag wie das oben zitierte Gespräch mit dem als ORF-hörigen hoffnungslos-sozialistischen Träumer dargestellten Edlinger erschien auch etwa ein aussagekräftiges Selbst-Interview der Presse mit ihrem Vorstandschef Horst Pirker, in dem er seine machtpolitischen Interessen zum Ausdruck bringt. Dass dazu auch der kostengünstige Kauf von ORF 1 gehört, ist kein Geheimnis; dass dafür der ORF strategisch geschwächt werden muss, wäre Vorbedingung.

Das ist nur ein kleines Beispiel, wie vielschichtig und vertrackt die TV-Rechte-Debatte läuft, wieviele, teilweise unfassbar kleingeistigen Interessen da im Spiel sind. Auch die Nicht-Bestellung von Tipp3-Chef Hoscher zum BL-Chef spielt da rein, das stille Aussitzen des Geldkaisers in Salzburg, die bereits erwähnte völlige Abhängigkeit der kleinen Clubs vom Sky-Geld.

Dabei wäre die Situation wahrscheinlich mit einem Kompromiss lösbar.
Ein Beispiel: Der ORF könnte (nach Vorbild der ARD) z.B. die Rechte für eine Zusammenfassungs-Show aller Spiele am Sonntag Abend bekommen - damit wären der soziale Faktor und die Sponsor-Präsenz berücksichtigt. Das würde halt einen fast völligen Verzicht auf Live-Spiele bedeuten (in Deutschland sind das zwei oder drei) die dann fast allesamt bei Sky wären; die Relevanz des Liga-Live-Spiels im TV-Hauptrabend wird aber, so meine ich, ohnehin überschätzt: Champions-, Euro-League, Länderspiele und Großereignisse reichen doch völlig, oder?

Ob an einer solchen oder anderen sinnhaften Lösung aktuell gearbeitet wird und wurde, werden wir morgen Nachmittag nach der außerordentlichen Hauptversammlung der Liga erfahren.
Es wird in jeder Hinsicht eine Weichenstellung sein.