Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Hetzerei ums Asyl"

Claus Pirschner

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12. 1. 2010 - 20:05

Hetzerei ums Asyl

Flüchtlinge erst mal einen Monat in ein Lager sperren, damit die Anrainer keine Angst mehr vor ihnen haben. Das ist der aktuellste Vorschlag der Innenministerin im Verschärfungsgalopp ums Asylrecht.

Aufkleber: Flucht ist kein Verbrechen

Radio FM4 / Claus Pirschner

Erst am 1. Jänner 2010 trat die letzte Reform des Asylgesetzes in Kraft - die vierte Novelle seit 2005. Mehr Schubhaft, schnelleres Abschieben, also vor allem Verschärfungen sind Kern der Novelle. Seit Jahresbeginn dürfen Flüchtlinge den Bezirk während des Erstverfahrens nicht mehr verlassen. Nun scheint die fast jährliche Verschärfung des Asylrechts von einem wöchentlichen Restriktionsstakkato abgelöst zu werden, zumindest diskursiv. Nun fordert Innenministerin Maria Fekter eine einmonatige "Anwesenheitspflicht" für AsylwerberInnen im Erstaufnahmezentrum. Die Idee dazu wäre ihr gekommen, nachdem die Mehrheit der Bevölkerung im burgenländischen Eberau gegen das dort geplante Erstaufnahmezentrum ist. "Wenn die Sorge ist, dass die Leute zu viel Bewegungsfreiheit haben, dann muss man reagieren", so Fekter. Es folgt ein (zur Parteienprofilierung inszenierter?) Koalitionskrach.

"Man kann nicht alle einfach einsperren"

Ahmed

Radio FM4 / Claus Pirschner

PolitikerInnen, RechtsexpertInnen und NGOs haben seit Sonntag den Vorschlag der Internierung heftigst diskutiert. Aber was sagen Betroffene, Flüchtlinge dazu, zum Beispiel Bewohner in einem Flüchtlingshaus der Diakonie in Wien?

Der 18-jährige Ahmed ist vor eineinhalb Jahren aus Afghanistan nach Österreich geflüchtet: "Wir sind doch Menschen. Wir haben Probleme und sind deshalb hierhergeflohen. Und uns nun hier einzusperren wie in ein Gefängnis, das ist gegen die Menschenrechte!"

Über ein halbes Jahr ließen ihn die Behörden in Traiskirchen auf ihre Antwort warten, ob er hier einen Asylantrag stellen darf. Er erzählt von Schmutz im Lager, Problemen mit dem Essen, schlechtem Schlaf im 8-Personen-Zimmer. Wie wäre es erst, wenn Flüchtlinge das Erstaufnahmezentrum einen Monat lang nicht verlassen dürften? Kein Spaziergang außerhalb des Zentrums, keine Erledigungen, keine Unternehmungen: "Ich habe dort sieben Monate sozusagen 'frei' gelebt und ich hatte kein gutes Leben. Tschetschenen- und Afghanengruppen haben miteinander gekämpft. Wenn zugesperrt wird, dann werden diese Konflikte zunehmen, weil die Leute dadurch mehr Stress kriegen. Das ist nicht gut." Nur weil einer von hundert Asylwerbern schlecht sei, könne man nicht alle einfach einsperren.

Der 28-jährige Trezor aus dem Kongo versteht die Forderung auch nicht: "Jedes Land macht seine eigenen Gesetze. Aber es ist eigenartig. Ich habe zum Beispiel Familie in Wien. Die soll ich dann nicht besuchen dürfen?"

Christoph Riedl, der Geschäftsführer des Flüchtlingsservice der Diakonie, ist fassungslos: "Was ist dann die nächste Maßnahme? Wird man sie dann überhaupt ans Bett fesseln? Die Diskussion wird langsam ein bisschen absurd."

Rechtens oder nicht?

Zahlreiche Rechtsexperten bewerten den Vorschlag der einmonatigen Internierung als Verstoß gegen die Verfassung und die Menschenrechtskonvention. Auch die EU-Asylverfahrensrichtlinie untersagt eine Inhaftierung, die nur wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt. Allerdings ist Freiheitsentzug möglich, wenn Indizien auf eine letztliche Abschiebung hinweisen. In Großbritannien gibt es etwa ein solches Internierungslager. In Österreich hat der Verfassungsgerichtshof eine ähnliche im Asylgesetz vorgesehene Internierung aber schon 1992 aufgehoben. Hierzulande wären höchstens kürzere Kasernierungen von ein paar Tagen rechtlich möglich. Wohin steuert eine Asylpolitik, wenn AsylwerberInnen zusehends mit Kriminellen gleichgesetzt werden, und sich dadurch die Angst im Wahlvolk immer weiter ausbreitet ?

"Es handelt sich hier um Schutzsuchende"

Radio FM4 / Claus Pirschner

Christoph Riedl, Geschäftsführer vom Diakonie Flüchtlingsservice

NGOs wie die Caritas, Diakonie und SOS Mitmensch schlagen im aktuellen Konflikt um ein Erstaufnahmezentrum mehrere kleine Asylbetreuungsstellen, etwa pro Bundesland eines, vor. Erstaufnahme und behördliche Prüfung, ob ein Asylantrag in Österreich gestellt werden darf, sollen getrennt werden. Nach einer ersten Befragung sollen Flüchtlinge nach ein paar Tagen auf kleine Betreuungsstellen aufgeteilt werden.

Christoph Riedl von der Diakonie appelliert an die Innenministerin, alle ihre Verantwortlichkeiten wahrzunehmen: "Die Frau Innenminister muss sich stärker bewusst werden, dass sie nicht nur für Sicherheits- und Polizeiagenden zuständig ist, sondern auch für den Flüchtlingsschutz. Es handelt sich hier um Schutzsuchende, die nichts anderes tun, als in Österreich einen Asylantrag zu stellen."