Erstellt am: 9. 1. 2010 - 19:01 Uhr
Die Sterne
"24/7" von den Sternen erscheint am 22. Februar 2010 auf Materie Records.
"Schall & Wahn" von Tocotronic erscheint am 22. Jänner auf Universal.
"Weil die drei Säulen, auf denen unser Tempel steht, Blumfeld, Die Sterne und Tocotronic heissen" heißt's in einer Zeile, als ich vor kurzem durch das Tocotronix-Forum stolpere. Wie wahr. Denn wie abgesprochen, mit vereinten Kräften, ploppen seit einiger Zeit von allen Seiten neue Werke altbekannter Ikonen am Pop-Horizont auf, um wieder Glanz und Gloria in den deuschsprachigen Pop-Palast einziehen zu lassen. Das Fundament war immerhin solide gebaut, es war nur der Zahn der Zeit, der den Lack ein klitzekleines bisschen bröseln ließ und sich wie leichter Staub auf die Kronleuchter gelegt hatte.
Darunter ein Juwel.
Da funkeln die neuen Tocotronic, da bereisen manche einen neuen Soundkosmos bei die Goldenen Zitronen, da entdeckt man gar neue, glitzernde Galaxien wie bei der Sologeschichte des Herrn Distelmayer und manchmal entdeckt man gar einen neuen Himmelskörper am Firmament namens Ja, Panik.
Im Winter sieht man die Sterne eben besser. Und bei den Hamburgern selbst, die stets Garant für intelligente und in höchsten Tönen unterhaltsame Pop-Passagen im deutschsprachigen Raum waren, liest sich schon allein der Klappentext des neuen Werkes "24/7" mit seinen 12 Kapiteln wie eine Offenbarung:
"Himmel", "Depressionen aus der Hölle", "Du Schwein" und
"Nach Fest kommt Lose". Schon allein in der Auffädelung dieser Titelkette steckt mehr Geist und unbeschwerte Poesie als manch einer in seitenlangen Geschwülsten zu verbreiten mag. Das ist Musik für junge Leute. Zum Totschlagen zu schön. Schon das Video.
Frank Spilker hat uns schon vergangenen Sommer am Donauinselfest im Interview verraten, "dass das neue Werk sehr discolastig werden wird".
Für eingefleischte Sterne-Fans jetzt auch nicht unbedingt die große Überraschung, liebäugelten die Sterne doch schon immer mit der polierten, funky Tanzfläche. Und da ließ man sich auch selbst nie lange große bitten: Wer beim Universal Tellerwäscher oder Akstrakt nur dumm am Rande des Geschehens gestanden ist, um in die Luft zu schauen, und am lauwarmen Bier zu nippen, dessen Herz schlägt sicherlich im falschen Takt.
Nicht zuletzt ist die Discoliebe bei den Sternen aber sowieso schon ein wirklich alter Hut: Passend zur allerersten Maxi zogen die Sterne schon 1993 mit einer Tour Namens "Aspirin und Drogenbeat" durch die Clubs der Städte, im Gepäck eine Handvoll DJs. Die durften dann an den Reglern herumschrauben und windschiefe Beats zusammenkochen, zu denen die Band dann lose improvisiert hat.
Man muss immer weiter durchbrechen...
Damals war das noch ein recht ungewöhnliches Unterfangen, lange bevor sich Beatfrickler und Indiewuckel endlich glücklich und tränenreich in die Arme fielen und aus House, Disco, Punk und hübschen Indiegitarren neue Genres wie "Indie Disco" und "Dance Punk" brauten. Noch laaange bevor Tocotronic, die hübsch zurecht geschniegelte Hamburger Sportjacken-Cordhosenträger-Blaupause schwarze Hemden und bunt blinkende Synthesizer für sich entdeckt und daraufhin ihren fabelhaften Kunstkniff K.O.O.K. veröffentlicht haben. Und auch lange bevor eine ganz besondere Hymne die Genre-Mauern im deutschsprachigen Pop entgültig unterspülen sollte:
Egoexpress, das bewusst dilettantisch gehaltene, beatorientierte Alter-Ego-Projekt von Goldene Zitronen-Musikant Meense Reents und seinem Kumpanen Jimi Siebels, die sich kurzerhand ihren Kollegen Dirk Von Lowtzow krallten, um sich sein Engelsstimmchen für ihren Track "Weiter" einzuverleiben und mit dieser Scheibe gar die Technohöllen zu infiltrieren. Spannende Tage waren das im Dunstkreis der Hamburger Musikanten.
Dass sich die zwei strikt getrennten Welten der als kühl und verschachtelt gehandelten Welt der Electonica und die des klaren Systems des Popsongs verschränken konnten, liegt nicht zuletzt auch an den Sternen und ihrem immer schon vorhandenen und äußerst ansteckenden Bestreben, echte Gitarren und funkelnde Beats zu fusionieren und in einer ausschweifenden Leidenschaft für den Tanz und Ekstase münden zu lassen:
"Du kannst es sagen, du kannst es tanzen!"
Eben! Solche Wahrheiten findet man in Stücken wie "Passwort" auf "24/7".
Die Sterne
Ich gehe in die Disco, ich will da wohnen
Radio FM4
Marmelade im Schuh
Hier gibt's das komplette Lineup (mit Get Well Soon, Blood Red Shoes, Die Sterne und vielen mehr) und alle Infos zum FM4 Geburtstagsfest am 23. Jänner 2010 in der Wiener Arena!
Auch auf "24/7" treffen wieder hübsche Welten aufeinander. Diesmal bewusst kleiner gehaltene Gitarrenparts, jedoch nicht auf Kosten der für die Sterne so wichtigen funkigen Melodien, eines ihrer großen Wahrzeichen. Die kommen nämlich nun vermehrt vom Keyboard und bauen sich zu verwaschenen, trancehaften Nebelfeldern auf, im Hintergrund der Beat entspannt brutzelnd, der Bass beiläufig pulsierend und das Piano leise klimpernd, wie etwa in "Wie ein Schwein".
Da trifft ein zappeliger Billy Jean auf mantrahafte, psychedelische Krautrockgitarren und zwischen all dem diesmal gewichtiger wirkenden musikalischen Firlefanz sind dann äußerst reduzierte Sterne-Lyrics verwoben. So werden etwa im Stück "Himmel" dann tatsächlich sieben Minuten lang nur alle möglichen "Himmelssorten" aufgelistet, that's it und es klingt geil:
"Elektrohimmel, Kleintierhimmel, Fliegenhimmel, Säuferhimmel, Pornohimmel, Autohimmel, Sofahimmel, Kifferhimmel. Du hast deine Vision, ich hab' meine Vision, er hat keine Vision! Leck mich Himmel"
Zwischen den Zeilen wird auf "24/7" dann über das kleine Individuum in der großen Welt philosphiert, dem nicht viel mehr übrig bleibt, als sich die quälenden Psychosen und den Schock beim Anblick des Kontoauszugs in der Großraumdisco abzuschütteln.
"Wohin zur Hölle mit den Depressionen?
Ich gehe in die Disco,
ich will da wohnen!"
(Aus: "Depressionen aus der Hölle")
Man hört schon das Getose...
"24/7" ist der Soundtrack für den großen Club genauso wie für die spontane Wohnzimmerparty. Anfangs stehen noch alle zaghaft aber gut gelaunt herum, die Räume füllen sich immer mehr mit altbekannten Gesichtern, die eine Menge neuer Leute im Schlepptau haben. Und ein paar Stunden später kugeln sich dann alle berauscht über den Wohnzimmerteppich und in der mit einer billigen Neonröhre ausgeleuchteten Küche wird getanzt und über Gott, die Welt und Ladenschlusszeiten philosophiert.
Es ist eine Platte, die dem immer noch textverliebten, verschrobenen Indiebuben, der es nie übers Herz gebracht hat, seine alte Sportjacke wegzuwerfen und der einstweilen im Flur steht und alle Texte im Schlaf mitsingen kann, genauso gut gefallen wird, wie der jungen, eben erst in die Großstadt gezogenen Bio-Studentin mit der Leinenhose und drei Schichten an verwaschenen T-Shirts am Leib, die zufällig hier gelandet ist und sich im Wohnzimmer im Ausdruckstanz übt. Das könnte die große Liebe werden. Da ist für jeden was dabei. Die Sterne sind für dich da:
"Auch wenn du ein Arschloch bist,
wir haben für dich auf! 24/7!"
(Die Sterne, "Convenience Shop")
Die Sterne sind am 21. April 2010 im Wiener WUK zu sehen.