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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

7. 1. 2010 - 10:20

Oh! Naturgewalten

"An gewissen Tagen im Monat neigen Frauen zum Seitensprung."

Oh! - Irritationen im Alltag

Die Nächte sind lang, die Silvesterdepression hält inzwischen auch keine herzeigbaren Tiefen mehr bereit, und während der Hübsche neben mir ein bisschen zu laut lacht über die scharfsinnigen Witze seiner neuesten Twitter-Freundin Lexihexi, mache ich mir so meine bösen Gedanken, was (oder wen) das neue Jahr wohl bringen wird.

"Es gibt aber ein Gegenmittel" titelt da der Kurier. Auf seiner "Family Coach"-Seite wird mir erklärt, dass Frauen nur an gewissen Tagen im Monat zum Seitensprung neigen. "Das ist ganz normal. Das kann jeder passieren. Weil es die Natur so vorsieht, nach der Menschen in erster Linie auf Reproduktion ausgerichtet sind."

Schockierender Enthüllungsjournalismus im neuen Jahrzehnt also. Weiter im Text erfährt das triebgesteuerte weibliche Säugetier, dass es an seinen fruchtbaren Tagen auf Männer mit V-förmigem Oberkörper und markantem Gesicht abfährt. Natürlich nur, um "mit ihm möglichst gesunde Kinder zu zeugen". Die möglichst kranken Kinder zeugen wir dann aber mit den langgesichtigen Langweilern, "ein Symbol für Beständigkeit und Familie". Der Typ Mann eben, den wir nicht geil finden, bei dem wir aber hängenbleiben, weil jeden Tag Schwarzenegger, das hält man ja beim besten Willen nicht aus. Außerdem verrät uns Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger: "Diese maskulinen Machotypen mögen gute Gene haben, treu sein können sie jedoch nicht."

Comicstil; jemand denkt an einen Muskelmann.

elisabeth gollackner, fm4

Bei uns Weibern ist das egal, Schwammgesicht oder Drahtseilhals - wenn die bestimmten Tage kommen, dann gehts ab und von Treue keine Spur. Wie gesagt: Ist ganz normal, kann jeder passieren. Weil es die Natur so vorsieht, dass wir herumpimpern, bis uns die Zähne ausfallen. Oder länger.

Und an diesem Punkt muss sich der sexy Servicebeitrag eingestehen, dass "die Natur" mit ihrer unumstößlichen Weisheit leider auch Fallstricke birgt. Denn was würden wohl Papa Langgesicht und die kranken Kinder sagen, wenn Mama jedes Monat drei Tage lang die Sau rausließe? Deshalb bietet die Zeitung uns geilen Frauen auch gleich die Lösung an. Selbstkontrolle statt Sex. Gerade noch im feministischen Munitionsladen als Symbol sexueller Freiheit, und schon auf unserer Neo-Kons-Showbühne: Die Anti-Baby-Pille!
Family-Coach Leibovici-Mühlberger erklärt: Durch die Anti-Baby-Pille kommt es zu keinem Eisprung, damit zu geringerer hormonellen Beeinflussung der Frau, sie ist dadurch "stabiler [sic!] in der Partnerwahl und kann den äußeren Merkmalen der Männer leichter widerstehen."

Falls wir geilen Weiber das mit der Pille doch falsch verstehen, hin und wieder den äußeren Merkmalen von Alphamännchen nicht widerstehen wollen und dann - man hat es uns doch gesagt! - plötzlich alleine dastehen, bietet ein kleiner Infokasten am linken unteren Blattrand Hilfe. Neben dem traurigen Hinweis, dass "schlechte Beziehungen nicht mehr halten, weil Frauen heute selbständig und wirtschaftlich unabhängig sind", bietet Frau Family-Coach auch "Beratung rund um die Uhr".
Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.