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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

4. 1. 2010 - 15:12

Nach dem Rausch ist vor dem Rausch

Alles dreht sich, alles bewegt sich: ein Kinojahr geht zu Ende, ein neues beginnt. Eine Vorschau auf all das, womit die Leinwände 2010 bespielt werden.

Es ist an der Zeit, aufzutauchen aus dem leidigen Rückblicks-Rausch, dem Wühlen in Erinnerungen und dem bemühten Einordnen derselben in Listen, die dann erst recht die flüchtige Schönheit des Kinos vergessen. Egal, wer wann wie viele Oscars zugesteckt bekommen hat oder welcher Film laut den unzähligen Experten, die sich über die letzten Wochen hinweg zu Wort gemeldet haben, von den Nuller-Jahren übrig bleibt: ein neues Jahr hat begonnen und es ist angefüllt mit möglichen Meisterwerken.

Mann

www.scificool.com

Gestatten, Robert Downey Jr., King of Cool, resurrected Icon of Yesteryear: 2010 schlägt eine große Stunde für ihn.

Männer und Monster

Eines steht schon jetzt fest: um Robert Downey Jr. wird man auch 2010 nicht herum kommen. Nicht, dass man das überhaupt wollen könnte, ist der Mittvierziger, der in den späten Neunzigern vor allem aufgrund seiner Drogensucht durch die Medien tourte, einer der wenigen Allround-Schauspieler Hollywoods, einer, der sämtliche Gegensätze in seinen Rollen mit einem feisten Grinsen überbrücken kann. Vor zwei Jahren hat Downey Jr. mit der Hauptrolle in Jon Favreaus beeindruckend konzentriertem Anti-Superheldenfilm „Iron Man“ vermutlich den entscheidenden Coup seiner Karriere gelandet: die Kämpfe der Menschmaschine mit machtgeilen Unternehmern und mit sich selbst sind an die Kinokassen-Speerspitze vorgeprescht. In Iron Man 2 (Ö-Start: 7. Mai) schießt Tony Stark unter anderem auf den russischen Bösewicht Whiplash (ein ebenfalls wiedererweckter Mickey Rourke) und auf Scarlett Johanssons „Black Widow“. Seinen ersten Kinoauftritt im neuen Jahr feiert Downey Jr. allerdings schon viel früher: in Guy Ritchies Neubearbeitung von Conan Doyles Sherlock Holmes (Ö-Start: 29. Jänner) mimt der Amerikaner die britische Detektivlegende.

Ehemals unantastbare Supermenschen auf der Leinwand zu Fall zu bringen, ist in Hollywood momentan ungefähr ebenso angesagt, wie alte und etablierte Stoffe neu zu verfilmen: beides sind Marketing-Strategien, die mit den Erinnerungen der Zuseher spielen und/oder Schindluder treiben. Jedenfalls das Horror-Genre entkommt dem obligaten Blick zurück auch im Jahr 2010 nicht: das Universal-Studio kramt nach der kommerziell erfolgreichen Wiederbelebung der „Mumie“ als Fast Food-Eventmovie vor ein paar Jahren immer noch in der studioeigenen Rumpelkiste herum und schickt in Kürze The Wolfman (Ö-Start: 12. Februar) auf Beiß-Tour. Benicio del Toro gibt im hoch budgetierten Horrorfilm den Werwolf, Anthony Hopkins darf ihn jagen. Wann genau Freddy Krueger mit seiner frisch geschliffenen Krallenhand A Nightmare on Elm Street verbreiten darf, steht noch in den Sternen, fix ist nur, dass Robert Englund in der Titelrolle durch Jackie Earle Haley ersetzt worden ist.

Werwolf

UIP

Lon Chaney Jr. hat besser ausgesehen, aber auch Benicio del Toro gibt einen guten Wolfsmenschen ab

Alte Helden

Verrückter

blogs.dailyrecord.co.uk

Johnny Depp als Mad-hatter in Alice in Wonderland

Auch einige Regisseurs-Kapazunder stellen in diesem Jahr ihre neuen Produktionen der Öffentlichkeit vor: den Anfang machen die Coen-Brüder mit ihrem autobiographisch durchwehten, skurril unterfütterten jüdischen Entwicklungsroman A Serious Man (Ö-Start: 22. Jänner), der in den Wochen vor und nach der Oscar-Verleihung wohl viele Anhänger der Statuetten-Travestieshow in die Kinos locken wird. Auch Martin Scorsese darf seinen Shutter Island (26. Februar) endlich starten, nachdem der mit Leonardo DiCaprio und Michelle Williams besetzte Psychothriller vom Studio monatelang auf Warteschleife gelegt wurde, um den zu erwartenden Einschlag gleich für die Oscar-Zeremonie ausnutzen zu können. Nur eine Woche später lässt Weirdo Tim Burton seine grotesk dunkelbunte Vision von Alice in Wonderland (Ö-Start: 4. März) auf die Kinos los.

Neue Helden

Als hätten einige der schmerbäuchigen Hollywood-Produzenten zu viel von Lewis Carrols psychedelischen Pilzen genascht, laufen sie heuer weißen Hasen nach und finanzieren seltsame Gassenhauer wie diesen: 1981 markiert „Clash of the Titans“ einen Höhepunkt in der Trickkunst von Ray Harryhausen (es ist sein letzter Film). Sam Worthington, Mads Mikkelsen, Liam Neeson und Ralph Fiennes dürfen sich im neuen Clash Of The Titans (Ö-Start: 2. April) mit allerlei digitalen Monstren prügeln. 2010 ist auch das Jahr, in dem Jake Gyllenhaal vom Indie-Buben im Kapuzenpullover zum Action-Helden mit Fitness-Titten mutieren will: jedenfalls der Trailer zur Videospiel-Verfilmung Prince Of Persia: Der Sand der Zeit (Ö-Start: 27. Mai) erinnert an einen in den Orient verlegten Michael Bay-Testosteronbomber. Der produzierende Disney-Konzern versucht damit ein neues Franchise mit der Zugkraft der mittlerweile versenkten „Pirates of the Caribbean“ zu etablieren.

Mann, nackt

Warner

Wer will sich von diesem Prinzen retten lassen?

Was sonst noch schläft...

Das digitale Animationskino gibt sich im neuen Jahr nicht nur dreidimensional, sondern auch fortsetzungsfreudig: der vierte Shrek wird zur Jahresmitte mit Pop-Referenzen um sich werfen, während die dritte Toy Story (Ö-Start: 23. September) etwas später erzählt wird. Apropos Franchises: wer sich gerade vom „New Moon“ erholt hat, darf sich auf die Eclipse freuen. Der dritte Film nach Stephenie Meyers züchtigem Vampirgroschenromanen poltert voraussichtlich im Juli über die Leinwände, während der bebrillte Zauberlehrling erst zum Jahresende hin in den letzten Kampf gegen Voldemort ziehen darf. Harry Potter und die Heiligtümer des Todes (Ö-Start: 18. November) kommt in zwei leicht verdaulichen Portionen in die Kinos: den Abschluss findet die magische Geschichte erst 2011.

Poster

Warner

"Inception" heißt so viel wie "Anfang", "Beginn" oder "Gründung"

Das Kino wäre nichts ohne seine Geheimnisse, die kleinen Filme, die sich vom Indie-Tipp zum Massen-Phänomen mausern, die billig produzierten Einmalwunder, die plötzlich da sind, an die sich später allerdings niemand mehr erinnern kann oder will, die Nebenprodukte der großen Hollywood-Studios, die ganz plötzlich neue Gangarten im Kino etablieren. Alle Augen richten sich jedenfalls im Spätsommer auf Christopher Nolan, der sich mit seinem mysteriösen Inception selbst übertreffen will. Was von all dem obigen zu halten ist, was bleiben wird und was nicht, das steht spätestens in etwas weniger als zwölf Monaten gut verpackt, fest verschnürt und runterschluckfertig in Listen bereit.