Erstellt am: 4. 1. 2010 - 17:39 Uhr
In For The Kill
blumenbar verlag
"Blut im Wasser" von Alexander Schimmelbusch ist im Blumenbar Verlag erschienen.
Pia und Alex hätten wohl eine gute Zeit miteinander verlebt. Beide stammen aus betuchtem Frankfurter Hause. Die standesgemäße Obsorge der Eltern hat die üblichen Spuren hinterlassen. Die Kinder pflegen einen lockeren Umgang mit Lobster und Linguine, bedienen den Society-Schalthebel mit links. Aber zwischen den Schauplätzen Long Island, Washington, Deutschland fördert der Autor eine weltgewandte Entfremdung zu Tage. Heute ist Pia todkrank. Vor Jahren hat sie Alex zuletzt gesehen, irgendwas ist damals passiert, egal, sie wünscht ihn sich jetzt noch einmal zurück an ihre Seite. Ruft in Windeseile eine traumtänzerische Kindheit in Erinnerung, die schon die ersten Spuren jener Verwüstung aufweist, die später zwischen den beiden stehen wird.
An klaren Herbsttagen saßen Alex und ich auf dem Dach des Hauses auf einer hölzernen Bank, ich hatte einen Lammfellmantel und Alex immer nur einen dünnen Pullover an, und wenn ich zu frieren begann, rannten wir in den Weinkeller hinab, wo uns niemand vermutete, wir hatten beide sehr früh entdeckt, wie sanft das Leben mit Wein sein kann, unter der Festung saßen wir in einem alten Ohrensessel, wir tranken Rotwein.
Keine Frage, das konnte nicht gut gehen. Siehe Gegenüber: Kühler Pathos liegt über Alex' zwischengeschalteten Erkundungen, die sich im Hier und Jetzt bewegen. Kein Wort von Pia oder der kühnen Fabelwelt, zu der sie die gemeinsame Zeit verklärt. Alex inszeniert seine Unbarmherzigkeit mit links - der Fahrer, der Wagen, die Geliebte, alles blitzblank polierte Instrumente für eine Operation ohne Maß und Ziel.
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Nach einer kleinen Schale Asarimuscheln, die mir die Kellnerin aus der Küche bringt, wobei ich ihren Duft in die Nase bekommen, einen Duft von Hermès, der mich an eine Roomservicekraft aus dem Carlyle erinnert, die ich im letzten Jahr öfter mal in meine Wohnung gelockt habe, beginnt das Omakase heute mit Bluefin Toro aus North Carolina, line caught, wie der Meister grummelt, und er greift in den Reiskocher, reibt frische Wasabiwurzel auf die kleinen Ovale, presst den Toro darauf, und als ich mit bloßer Hand das erste Stück an meine Lippen führe, meine Augen schließe, um mich auf die Textur zu konzentrieren, als der Meister leise Kanpai schnarrt und ich die Frische der "Tränen aus Nacht" in meiner Kehle spüre, ist mir bewusst, dass ich mich mit meiner Umwelt seit vielen Jahren nicht mehr derart im Einklang gefühlt habe.
Viel passiert dann nicht mehr, benebelt stolpern die Zeugnisse der beiden nebeneinander her. Wehmütiges Gossip Girl im Todestrakt versus völlig manierenbefreites Gfrast: Eh immer noch beides schiach, reaktionär und kein geeigneter roter Faden für einen gelassenen Lebenslauf. Aber einwandfreie Kraftnahrung für den anspruchsvollen Fragmentjunkie von heute. Der Autor hat an Originalschauplätzen studiert und betet den ausufernden Lebenswandel seiner Schützlinge fehlerfrei runter. "Blut im Wasser" funktioniert wie ein anonymisierter Societyblog ohne traurige Backstory im Rücken. Quasi ein Fast Food-Bruder im Geiste für das fliegende Plastiksackerl und den Moment of Truth.