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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

3. 1. 2010 - 19:32

School of Rock

"It Might Get Loud" erzählt auf ganz und gar nicht verstaubte Weise vom Mythos E-Gitarre.

Dieser Film hätte gründlich schiefgehen können. Schließlich gibt es wohl keine nervtötendere Spezies von Musikern als in das eigene Können verliebte, der Tradition verhaftete, puristische Gitarristen.

Lass solche Typen über ihr Instrument schwärmen, über die hohe Kunst des Gitarrenrocks, noch qualvoller, lass sie ein endloses Solo spielen, und es kann kaum schlimmer kommen. Kennt irgendjemand da draußen noch Namen wie Yngwie Malmsteen oder Joe Satriani?

Aber keine Angst. "It Might Get Loud" handelt zwar von der ewigen Anziehungskraft der E-Gitarre, aber eigentlich kreist dieser Film um die viel universelleren Themen Leidenschaft, Inspiration, rauschhafte Kreativität.

It Might Get Loud

Gartenbaukino

Der amerikanische Regisseur Davis Guggenheim, der für das Al-Gore-Umweltmanifest "An Inconvenient Truth" einen Oscar erhalten hat, rollt die Geschichte und den Mythos der elektrischen Gitarre nicht klassisch chronologisch auf.

Er lässt einfach drei Rock'n'Roller unterschiedlicher Generationen zusammenkommen und erzählen. Wie ihnen ihr Instrument den Absprung aus einem tristen Milieu und einer bisweilen feindlich gesonnenen Umwelt ermöglichte, wie im Proberaum ihrer Bands plötzlich Funken sprühten, wie die Musik letztlich zu einer lebensrettenden Kraft wurde.

Jack White, der junge Blueserneuerer aus Detroit, rollt die Saga der White Stripes auf, bastelt sich vor laufender Kamera eine Gitarre, komponiert einen Song in Minutenschnelle, lobpreist mit leuchtenden Augen Legenden wie Son House oder Robert Johnson.

Der stoische The Edge schildert den Aufstieg einer Band namens U2 von irischen Schülerkonzerten in die Stadien des Planeten. Jimmy Page verpackt die sagenumwobenen Tage von Led Zeppelin in kleine, greifbare Anekdoten, hört sich räudigen Rockabilly an und spielt zu Songs von Link Wray begeistert Luftgitarre.

It Might Get Loud

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Und schon nach wenigen Minuten sind wir angefixt, auch die berechtigten Skeptiker im Publikum, die dem symbolträchtigen Instrument gespalten gegenüber stehen. Denn in diesem rasanten Mix aus Interviews, Archivaufnahmen und Livesessions ist nur wenig Platz für öde Rockistenklischees.

Statt einem einheitlichen Loblied auf die Virtuosität und den Triumph der handgemachten Kunst prallen Denkweisen, Ideen, Spieltechniken aufeinander.

Es ist Jack White, der jüngste im Bunde, der sich über die Gegenwart und ihre digitalen Technologien mokiert. The Edge, der Whites Vater sein könnte, steht dagegen für die Ideologie des Postpunk, schwärmt von elektronischen Trickkisten und Ambientflächen. Jimmy Page, der Großvater, begeistert einfach mit ungebrochenem Enthusiasmus.

It Might Get Loud

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Es sind gerade die vielen Widersprüche, in die sich die Protagonisten verstricken, ob im Gespräch miteinander oder sich selbst gegenüber, die für die spannendsten Momente sorgen.

Wenn etwa Jack White sich als glamouröser Gockel präsentiert, der auf Selbstinszenierung den größten Wert legt und gleichzeitig ein Loblied auf die Einfachheit und das Bodenständische singt. Oder im Gegenzug der U2-Multimillionär The Edge mit glaubwürdiger Zurückhaltung von DIY-Methoden erzählt und einen fortschrittlichen Blickwinkel einfordert.

"It Might Get Loud" unterläuft wie seine drei Hauptdarsteller im besten Sinn gängige Erwartungen. Fans von masturbatorischen Griffbrett-Rutschereien werden eventuell enttäuscht sein. Aufgeschlossene Rock'n'Roller erwartet dagegen ein wunderschönes Tribut an die Magie des Musikmachens.

It Might Get Loud

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