Erstellt am: 2. 1. 2010 - 10:03 Uhr
Ohne Models.
Das trifft sich ja gut, keiner da, die Straßen ausgestorben und sowieso schaut es aus als hätte an jeder Ecke ein Häuserkampf stattgefunden. Mein persönliches Lieblingsszenario in Rundfunk, Film und Literatur.
Wenn keiner da ist, dann kann ich ja auch beruhigt einmal in Glamorous nicht einen lustigen Schwank aus meinem Modeleben erzählen, sondern mit einer kleinen Medienkritik loslegen.
Die große deutsche Frauenzeitschrift "Brigitte" zielt jetzt nicht unbedingt auf die schmale Demografie der FM4 Hörerinnen ab, aber sie wird das Thema sein.
Models haben zwar auch echte Körper, aber die sind nun mal sehr zierlich.
"Brigitte" hat uns nämlich im Herbst etwas versprochen: Ab der ersten Ausgabe 2010 werden in den Modestrecken keine Models mehr verwendet werden. Sondern echte Frauen, mit echten Körpern.
steven meisel
"In the spring of 2004, the Prada campaign, shot by Steven Meisel, had a retro, vacationy look—tie-dyed cardigans, hairbands, sailboat prints. Using a Photoshop tool called a smudge brush, Patrick Dangin applied extra color to every pixel, giving the pictures—hard and flat, at the outset—a dreamy, impressionistic texture, as if they had been wrought in oil and chalk."
Es sind ja nicht nur die Models allein.
Da waren wir sehr gespannt. Kann das ein Schritt in die richtige Richtung sein, eine Entspannung der Situation, in der sogar Jessica Alba auf Fotos einige Rippen weggephotoshoppt werden, damit sie dünner aussieht? Eine miserable Situation, in der wir versuchen, uns an Körpern zu messen, die eigentlich nicht mehr fotografiert, sondern frei nach Fantasie gemalt sind.
campari
Bei der Brigitte jedenfalls hat man das Heft zur Feier des Tages mit einer hoffnungsvoll grauen Papierschleife umwickelt, da steht drauf:
- "Die erste Brigitte ohne Models. Freuen sie sich auf über 60 Seiten neue Mode - und neue Gesichter." Na wie lieb ist das denn.
fm4
Und drinnen sind dann tatsächlich italienische Köchinnen auf Capri mit nicht ganz so langen Beinen, knorrige Isländerinnen in Abendkleidern und, oh mein Gott, das ist doch wirklich eine junge Frau in einem roten Satinkleid, und der Satin spannt über ihrem Bauch, wie das Satin nun einmal tut, wenn man einatmet.
dove
"I mentioned the Dove ad campaign that proudly featured lumpier-than-usual “real women” in their undergarments. It turned out that it was a Patrick Dangin job. 'Do you know how much retouching was on that?', he asked. 'But it was great to do, a challenge, to keep everyone’s skin and faces showing the mileage but not looking unattractive'."
Zur Erklärung und um nochmal das Echo auf diesen Schritt des Magazins zu reflektieren, gibt es auch ein paar schöne Artikel, die um Häuser differenzierter sind als der übliche Pseudoselbstermächtigungsfraß, den einem Frauenzeitschriften sonst so vorsetzen. Erörtert wird: Braucht man Models, um besser vor Modebildern träumen zu können? Wie ist es für eine Photographin, mit einem Laienmodel zu arbeiten, das nicht weiß, wie man sich vor einer Kamera ins rechte Licht rückt? Und interessante Faktoiden wie, dass bei den Idealmaßen 90-60-90 die 60er Taille eigentlich der eines 4jährigen Kindes entspricht. Oha. Und auch Tchibo-Hausundhof-Modeschöpfer Michael Michalsky darf so richtig unsympathisch rüberkommen, wenn er spitz fragt, wie das die Brigitte denn bitte anstellen will mit den normalen Frauen, wenn die Muster der Kollektionen einfach immer nur in small oder x-small hergestellt werden.
Leider nur zu wahr. In allen Fotostrecken ist sichtbar: Normale Frau ja, aber nicht außerhalb der 36/38. Ohne Models heißt eben nicht ohne Normgrössen.
Ich schlage das Heft wieder zu. Schluck! Ich sehe, was unter der grauen „Ohne Models“ Papierschleife auf dem Cover steht.
fm4
„Die neue Brigitte - Diät. So passt sie in ihr Leben!“
Aua. Epic fail.
Da kann noch so trotzig im Editorial stehen, "Das ist kein Schlankheitswahn,
das dient der Gesundheit."
Gründlich zwischen die Stühle gesetzt, Brigitte. Der Popsch wird noch lange wehtun.