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Elisabeth Scharang

Geschichten über besondere Menschen und Gedankenschrott, der für Freunde bestimmt ist.

31. 12. 2009 - 16:13

Das Leben ist ein Spiel

Dieter Meier, Schweizer Dandy, Musiker, Lebenskünstler und mein Schlüssel zu den Antworten auf essentielle Lebensfragen.

Das Doppelzimmer spezial mit Dieter Meier am 1.Jänner um 13 Uhr

Die Begegnung mit Dieter Meier ist für mich eine der erfreulichsten des vergangenen Jahres. Weil er der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit war. Für mich richtig. Nun muss ich ein wenig ausholen. Der Zeitpunkt, an dem mein bester Freund aufstöhnt, und mich ersucht, die Geschichte doch ohne Umschweife auf den Punkt zu bringen. Aber das geht manchmal nicht. Und das geht in diesem Fall nicht. Also steigt ihr am besten jetzt aus oder begebt euch mit mir auf Umwege.

Die Krise

Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich eine Krise. Nur kam meine aus heiterem Himmel und hatte nichts mit Geld zu tun. Ich bin durch die Straßen gegangen und hatte keine Freude mehr. Nicht an lustigen Wolken. Nicht an lustigen Hunden. Nicht an Gesprächen mit meinen Freunden. Und nicht an meiner Arbeit. Ich hatte die Freude an meinem Leben verloren. Und ich weiß nicht, wo und wie es passiert ist. Wo mir doch theoretisch viele Türen offen stünden , kommentierten Beobachter von außen erstaunt meine Lage. Aber wozu Möglichkeiten in beide Hände nehmen und glücklich durchs Leben spazieren, wenn man die Motivation verloren hat. Es war eine mühsame Zeit. Und sie ist vorbei. Über das Gespräch mit Dieter Meier, dem Musiker, Biobauer, Vater von vier Kindern, Schriftsteller, kurzum: dem Lebenskünstler, habe ich meinen damaligen Zustand auf den Punkt bringen können und Worte für die Ursache gefunden, die ich wohl wusste, sie aber noch nicht benennen konnte: Lebe deine Interessen und nimm dich dabei nicht zu ernst. Die Ernsthaftigkeit von Filmproduzenten, FilmkollegInnen, Filminstitutionen hatte mich gepackt. Und ich hatte es nicht einmal gemerkt. Der Hang, sich und sein Tun zu wichtig zu nehmen, nimmt mir die Luft. Während der Vorbereitungen für einen Film bin ich eingegangen wie eine Pflanze, die nicht gegossen wird. Ich wusste nicht mehr, wofür ich all die Strapazen auf mich nehmen soll, weil die Ziele meines Berufsumfeldes nicht auf mich umzulegen sind und ich meinen Weg aus den Augen verloren hatte.

Das Leben, ein Spiel

Für Dieter Meier ist das Leben ein Spiel. Er nimmt weder sich, noch die Dinge, die er gerade tut zu ernst. Was niemals bedeutet, dass er sie nicht mit ganzer Leidenschaft betreibt. Seine Biografie liest sich wie eine Provokation für Spezialisten; ein bisschen Musik hier, ein wenig Kunst da, ein Stückchen Film links, ein landwirtschaftliches Konzept rechts. Und rundherum die Welt des Dieter Meier, die ihn so nehmen muss, wie er ist, weil das seine Qualität ausmacht. Nach der Matura, absolviert in seiner Heimatstadt Zürich, versteckt sich der junge Meier vor dem Leben und den anstehenden Lebensentscheidungen hinter Pokerkarten. Er spielt, um weiterzuspielen. Nicht, um zu gewinnen. Während die Eltern ihn im Hörsaal vermuten, zockt Dieter Meier, als ginge es um alles. - Erzählt sich amüsant, solange es einen nicht betrifft. - Die Begegnung mit einem Kartenabreißer der Züricher Oper hat alles verändert. Aber das erzählt Herrn Meier viel besser als ich, deshalb übergebe ich an dieser Stelle an den O-Ton. Und hoppe ein Stück weiter.

Die Band Yello

myspace.com/yellosolidpleasure

Yello in den Siebziger, Dieter Meier ganz links

Dass Dieter Meier mit dem Elektronik-Pop-Duo Yello in den 80iger Jahren eine musikalische Weltkarriere startet, ist Zufall. Zwei Männer, nicht mehr ganz jung, die beide kein Instrument spielen und eigentlich auch nicht singen können, tun sich zusammen. Boris Blank, ein LKW-Fahrer, der zu Hause Geräusche erzeugt, mit dem Kassettenrekorder aufnimmt, abspielt und dabei wieder verändert – also sampelt. Dieter Meier, der in der Zwischenzeit Experimentalfilme dreht, selbst vertont und dabei auf die Geräusche des anderen stößt. Die anarchistische Art von Yello, die sich an keine Markströmung angelehnt hat, lässt die Platten von damals heute noch unglaublich frisch klingen. Das Video zu „The Race“, eine Nummer, die wir alle als Kennung von Autorennen rund um den Globus kennen, ist sehr witzig und viel einfallsreicher als der computergenerierte Schnickschnack der neunziger Jahre. Die erste Platte landete durch Zufall auf dem Plattenteller eines New Yorker DJs. Und in den New Yorker Clubs begann auch die Erfolgsgeschichte von Yello – mit mehr als 10 Millionen verkauften Platten als Resultat. Die beiden spielen bis heute keine Live-Konzerte. Vielleicht hat einer von euch das virtuelle Konzert im Gartenbaukino gesehen, das Yello dem Publikum zum 30-jährigen Bestehen geschenkt hat.

Das Leben ist ein Spiel. Und wenn man keine Ambitionen hat, sich in welcher Branche auch immer nach oben zu arbeiten, dann kann man die Spielregeln oft selbst bestimmen. Dieter Meier surrt mit sonorer Stimme Sätze, die seinen Mund nicht als Plattitüden verlassen. Er tut, was er sagt. Er zweifelt an sich. Er scheitert an sich. Er ist bestimmt oft unerträglich. Aber er lebt seine Ideen. Er ist wendig und es ist ein unglaublicher Genuss, sich mit ihm zu unterhalten. Und aus seiner Erfahrung zu lernen.

Eigentlich könnte ich an dieser Stelle gleich weiterschreiben: über meine Begegnung mit Jan Delay. Einer, der sich zu ernst nimmt, weil er an das System der Nummer-1-Hits glaubt. Einer, der sich zu ernst nimmt. Und das macht wenig Spaß. Aber man beißt sich ja gerne manchmal die Zähne aus. Zu hören am 6.Jänner um 13 Uhr.

Zum Nachhören

Das Doppelzimmer Spezial mit Dieter Meier gibt's ab sofort zum Nachhören:

artist song  
Yello The Race  
Manhead Birth, School, Work, Death  
Coeur De Pi Comme Des Enfants  
Filewile Number One Kid  
Yello Out Of Dawn  
Stefan Remmler Keine Sterne In Athen  
Marvin Gaye I Heard It Through The Grapevine  
The Normal Warm Leatherette  
Velvet Underground Sunday Morning  
Feist 1 2 3 4  
2RaumWohnung Ich Und Elaine  
King Biscuit Time I Walk The Earth  
James Brown Sex Machine  
Afrika Bambaata Planet Rock  
Mozart Concerto No.1 in B-Flat Major, K207