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Sonja EismannBerlin/Wien

Gender, Pop und Kritik. In allen Formaten.

5. 1. 2010 - 08:32

Die Kalender-Subkultur

DIY-Comics, süße Tiere, nackte ArtBoys oder queer-feministische Inhalte – welches Kalenderl hätten’s denn gern für 2010?

  • Queer-feministischer Taschenkalender 2010. Unrast, 256 S., 7 EUR.
  • ArtBoy Kalender 2010. Von Verena Issel. Textem Verlag, 12 Blätter, 21 EUR.
  • Murmel Kalender 2010. Murmel Comics, 60 S., 2 EUR.
  • Cute Overload Page-A-Day Calender 2010. Workman Publishing, ca. 365 S., ca. 8,40 EUR.

Weihnachten ist vorbei, die Geschenke sind eingesackt oder umgetauscht, und das neue Jahr lauert bereits pflichtschuldigst um die Ecke. Zeit also, den Kalender 2010 zu zücken. Nur welchen? Das bunte Kaminkehrerblättchen, das, oops, schon in den dunklen verspinnwebten Schlund zwischen Herd und Kühlschrank gerutscht ist? Oder doch das Werbegeschenk der Bank, das jedes Jahr pünktlich vom Onkel zu Weihnachten überreicht wird? Abhilfe von der Wiederkehr des ewig Gleichen schaffen zum Glück die vielen, sagen wir, irgendwie alternativen Kalenderkonzepte – von politisch über lustig bis simply cute.

Vielleicht wäre es überzogen zu behaupten, es habe sich mittlerweile eine Kalender-Subkultur gebildet, die das tägliche Blättern nach Terminen auch für "Andersdenkende" weniger quälend macht. Formate wie Frauenkalender und Antifaschistische Kalender gibt es schließlich schon lange (auch man sich schaudernd fragt, ob es in der Folge Varianten wie den Punk-Erotik-Kalender von abgefuckt-liebt-dich.de wirklich braucht). Aber die Ausdifferenzierung der Kalender-Szene bringt nach wie vor interessante Mikro-Projekte hervor.

kalender

Riot Skirts

Der queer-feministische

Da gibt es für 2010 z.B. erstmals den queer-feministischen Taschenkalender, in dem nicht nur, ganz klassisch, Rosa-Luxemburg-Zitate stehen, sondern auch die Geburtsdaten von Judith Butler und "Susi Bright, Sex-Positive Feministin". Daneben gibt es Artikel über Lookism (die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Äußeren), Essstörungen, Selbstverteidigung, Abtreibung; Projektvorstellungen, vegane Rezepte sowie jede Menge Comics und Illustrationen. Ganz passend kommt der Kalender mit einem kleinen Zusatzgeschenk – einem anklebbaren Schnurrbärtchen.

artboy kalender

verena issel

Der mit den ArtBoys

Den Artboy-Kalender gibt es 2010 auch zum ersten Mal, doch nähert sich dieser Wandkalender einem ähnlichen Thema auf eine ganz andere Weise. Was zuerst wirken soll wie ein Pin-Up-Kalender aus dem Art-School-Milieu (nicht ungewöhnlich, man denke nur an sich alternativ gerierende Pornos wie "Art School Slut"), entpuppt sich schnell als ironische Kritik am "männerdominierten Kunstmarkt". Unter dem Motto "Kreativ und sexy! Kunststudenten ganz privat! 12 Boys für nur 21 Euro" gibt es hysterisch lustige Bilder von Kunststudenten, die sich z.B. versonnen eine Töpferschale oder einen Fotoapparat vor das Gemächt halten oder mit "schwerer Maschinerie" hantieren. Ein Schelm, wer dabei an konventionelle Trash-Kalender denkt, die Frauen in Werkstattumgebung oder einer Alm posieren lassen.

murmel kalender

elfi spießberger

Der von Murmel Comics

Ein alter Bekannter ist mittlerweile der Murmel-Kalender, der schon seit einigen Jahren vom Murmel-Comics-Kollektiv herausgegeben wird und von der Prämisse ausgeht, dass Menschen, die Comics gerne mögen, sicherlich auch gerne jede Woche einen Comic-Strip lesen. So klebt, ganz am unteren Rand des schlanken A6-Taschenkalenders, bei jeder Woche bzw. Seite eine kleine Bildgeschichte. Das Spektrum reicht hier vom lustigen 1-Kästchen-Strip von Renée Albe bis zur seitenlangen elaborierten Geschichte über Alltags-Rassismus von Verena Weißenböck.

kalender

Meg Frost / Cute Overload

Cute Overload

Der mit den süßen Tieren

Und als Gipfel der Zuckersüße darf am Schluss natürlich auch nicht der Cute-Overload-Wandkalender fehlen, dessen dazugehörige Website allen Menschen dringend zu empfehlen ist, die an akutem Liebeskummer leiden oder in sonstiger Weise von der Schlechtigkeit der Welt überzeugt sind. Ganz wie auf der Site, auf der sich Foto an Foto mit beinahe unerträglich süßen Tiermotiven reiht, grüßen hier Tag für Tag neue Kätzchen, Hamsterchen, Igelchen und was sich sonst noch an niedlichem Getier finden lässt. Untertitelt ist dieser Wahnsinn der Niedlichkeit mit Sprüchen, die den Cute-Faktor noch mal exponentiell steigen lassen. So süß, dass man Angst hat, vor Freude zu explodieren. 2010 kann also kommen.