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Fereydoon Sepidpour

In Wien geboren, lebte im Alter von 2 bis 10 in Teheran, studierte in Wien, Queens und L.A., ist HipHop-Manager und Fahrer.

28. 12. 2009 - 18:45

Unruhen zu Ashura im Iran

Die Geschichte des Märtyrers Hussein wurde zur diesjährigen Ashura im Iran blutige Realität

Der schiitischen Lehre nach hat Imam Hussein ibn-Ali bei der Schlacht von Kerbala im Monat Moharram um 610 herum sein Leben verloren und damit den Islam gerettet. Er und seine 72 Anhänger, die sich der Armee von Yazid, dem Umayyidin Kalifen gestellt haben, opferten ihr Leben für eine größere Sache. Sozusagen "I rather die on my feet than live on my knees", die Originalversion. Nach diesem Heldentot war Yazid weder gefürchtet, noch geachtet und praktisch ohne jegliche Autorität, während Hussein zum Helden des Volkes wurde und sein Leben und sein Heldenmut nachzuahmende Tugenden wurden.

Hussein-Ali

Elias Cannetti verarbeitete seine Erfahrungen zu Muharram im Iran in "Masse und Macht".

Sehr zu empfehlen, der Film "Kinder des Propheten" von Sudabe Mortezai.

Die Geschichte von Hussein wird jedem Kind im Iran von klein auf erzählt - gewollt, weil die Eltern religiös sind, oder ungewollt, weil man es in der Schule lernen muss. Sein Tod und die dazugehörigen Zeremonien zu Ashura am 10. des arabischen Monats Moharram bilden einen traditionellen Feiertag im Iran, bei dem diverse Umzüge und Zeremonien stattfinden, Essen an Arme verteilt wird und im allgemeinen dem Tod des Imam Hussein gedacht wird. In den letzten knapp 20 Jahren war Ashura aber auch eine Möglichkeit für Mädchen und Jungs, sich heimlich zu treffen, Telefonnummern zu sammeln und gratis an gutes Essen zu kommen. Heuer war alles anders. Anscheinend wollte man heuer dem Geist von Hussein die richtige Ehre erweisen.

Video auf Youtube.com vom Umzug zu Montazeris Begräbnis

Denn kurz vor Ashura im Monat Moharram starb mit Ayatollah Hussein-Ali Montazeri die Symbolfigur des iranischen Widerstandes. Beim Umzug zu seinem Tod folgten mindestens 5 Millionen Menschen dem Sarg. Heuer gibt es zu Ashura einen aktuellen "Märtyrer" zu feiern, einen, der den Geist und die Geschichte von Hussein würdig vertreten hat. Dementsprechend war Ashura auch weniger eine Party als mehr eine Schlacht.

Begräbnis von Ayatollah Hossein- Ali Montazeri im Iran

EPA/STR

Kerbala Now

Schlecht ist, wenn ein Regime und seine Ideologie ihre eigenen Geschichten nicht versteht und keine Lehren daraus zieht. Teheran 2009 erinnert mehr an Kerbala 610 als an irgendetwas anderes. Auf der einen Seite das einfache Volk ohne Waffen und nur mit dem Glauben an eine höhere Sache. Auf der anderen Seite die mit der Macht und den Waffen. Auf der einen Seite ein geistlicher "Märtyrer" namens "Hussein-Ali", ein anderer "Hossein", nämlich Mir Hussein Mousavi, der seinen Neffen in der Schlacht verloren hat und die Geschichte von den Ereignissen, die in Form von Youtube-Videos und Nachrichten auf der ganzen Welt verbreitet werden. Auf der anderen Seite derjenige, der den Islam in die falsche Richtung geführt hat, der offizielle geistige Führer Khomenei, der auch die Nachfolge quasi als Erbrecht führen will und vor dem man keine Angst mehr zu haben braucht. Es war im Grunde zu aufgelegt, als dass man irgendwas noch machen musste.

Die Lehren aus der Geschichte

Tödliche Schüsse in Teheran: Berichterstattung auf orf.at

Wie diese Geschichte endet, kann man nicht vorhersagen. Im Boxen gibt es die Idee, den besten Schlag des Gegners einzustecken und weiter zu stehen. Wenn man das schafft, dann ist der Gegner zermürbt, weil mit mehr kann er nicht kommen. Das Regime im Iran kam bereits mit seinem bestmöglichen Schlag. Mehr als die Einschüchterungen in den letzten Monaten, durch Schauprozesse, Verhaftungen und Schüsse, können sie nicht machen. Mehr als in die Menge zu schießen, wie am Sonntag, geht auch nicht. Doch das Volk steht noch immer, viel wütender, als noch vor Monaten, wo man nur gegen das offizielle Wahlergebnis demonstriert hat und Neuwahlen wollte.

Jahrelang hat man die Geschichte eines Märtyrers erzählt, der für seinen Glauben und seine Leute gekämpft hat und gestorben ist. Anscheinend haben die Kinder, die diese Geschichte immer gehört haben, besser verstanden, worum es geht, denn eine bessere und authentischere Darstellung von Kerbala gab es noch nie auf den Straßen des Iran. Im Nachhinein eine große Leistung des Regimes seinen "Kindern" diesen Geist näher zu bringen.

Demonstranten gegen Präsident Ahmadinejad

EPA/Stringer

P.S. Montazeri war in den 80ern als Nachfolger von Khomeini nominiert, aber da er die vielen Exekutionen im Iran und die sonstige politische Richtung des Landes mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren konnte, trat er öffentlich gegen die Mächtigen auf und wurde danach von allen Ämtern und Würden enthoben und unter Hausarrest gestellt, da eine geistliche Person seines Ranges nicht exekutiert werden durfte. Montazeri gewann mit seinem Bruch jedoch den allgemeinen Respekt von allen Seiten, selbst von Menschen, die mit dem Islam nichts anfangen konnten.