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Thomas Edlinger

Moderiert gemeinsam mit Fritz Ostermayer "Im Sumpf".

27. 12. 2009 - 22:59

Ein Jahresrückblick muss sein

Die durch und duch vollversumpften Top-15 Alben des Jahres 2009.

Auch wenn die schöne alte Idee von gebündelten Songs im Konzeptformat Album von Jahr zu Jahr obsoleter erscheint; auch wenn Popmusik längst ihre Relevanz als Diskurskultur der Massen eingebüßt hat und zum Trainingslager für geschmeidiges Konformistentum zu degenieren droht; auch wenn wir wissen, dass wir oft Unvergleichbares vergleichen und keiner mehr den Überblick über das zersplitterte Ganze hat: Eine Liste, ein Jahresrückblick muss sein. Sonst wüssten wir erstens nicht mehr, wo der Bartl die Idiosynkrasien herholt und zweitens nicht mehr, was wir schon morgen wieder vergessen sollten.

Und noch eine Kleinigkeit: Weil wir diesmal einige Male recht weit auseinander lagen in unseren Einschätzungen zum Thema Schall und Rauch 2009, stellen wir diesmal auch noch unsere höchst objektiv höchst subjektiven Einzelwertungen in die Auslage – ein Schelm, wer da nicht gleich den ersten Stein werfen könnte.
Und das sind also...

DIE DURCH UND DURCH VOLLVERSUMPFTEN TOP 15 ALBEN 2009:

  • 15: Tartufi: Nests of Waves and Wires
Gemalte Wiese, Plattencober von Tartufi

Tartufi

Tartufi sind zwei weiße Trüffeljäger aus San Francisco, dem Alba Kaliforniens. Ihre Wühlarbeit in den fetten Waldböden des US-Progressive Rock fördert eigensinnige, meist weit über fünf Minuten lange Songstrukturen zutage. In der Wucht ihrer symphonischen Dröhnungen und Selbstvergrößerungen wie auch in der befremdlichen Schönheit der sich dazwischen einnistenden, melodischen Klagemantras klingt manchmal das Erbe aus dem Constellation-Umfeld von A Silver Mount Zion an. Tartufi beherrschen nicht nur das Handwerk der Dynamik, sondern beharren auf störrische Wendungen und zwingenden Härteausbrüchen. Sie gestalten verschachtelte Bastelanleitungen für experimentellen Irgendwie-dann-doch-auch-noch-Rock, ohne sich im neopsychedelischen Nebel zu verlieren. Roh, aber herzlich; stinkend, aber delikat.

  • 14: Blackout Beach: Skin Of Evil

Blackout Beach

Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, der sich seiner erregten Stimme versichern muss, um nicht unterzugehen. Es handelt sich bei Carrey Mercer, unserem Lieblingskanadier, um eine Drama-Queen, der das große Orchester abhanden gekommen ist. Also muss Mercer mit schrottreifem Equipment einen auf David Bowie in der Gosse machen. Alles, was mit seiner eh selbst auch nicht unaufgeregten Stammband Frog Eyes, nicht mehr verhandelbar ist (wegen fast schon aufdringlicher Intimität und so), das entlädt dieser Mann in seinem One-Man-Band-Projekt, bei dem allein noch seine Gattin Caroline Mark gelegentlich ihre Stimme erheben darf. "Skin Of Evil" ist großes Kino, eingeschlossen in einen klapprigen Schwarzweiß-Fernseher: also auch beklemmend, klaustrophobisch und traurig. Wäre Carrey Mercer ein Filmemacher, dürfte man Aki Kaurismäki zu ihm sagen.

  • 13: Fuck Buttons: Tarot Sport
Das Album "Tarot Sport"

Fuck Buttons

Neu ist an einer Band wie den Fuck Buttons aus Bristol so gut wie nichts: weder die Idee der repetitiven Synth- und Keyboardschleifen, noch die zahlreich ausgelegten Noiseschlieren und schon gar nicht der Hang zu endlos ausufernden Tracks mit dann doch irgendwann eintretenden Bolero-Effekt. Neu ist bei diesem Album nur der Produzent: die Rave-Legende Andrew Weatherall. Aber auch der ist ja schon alt und geschichtsbepackt wie die Musik seiner Schützlinge. Aber was macht das alles schon, wenn man in diese Sauce hineinkippt und glückselig drin untergeht. Die Fuck Buttons sind nämlich die Super-Wellness-Wohlfühl-Version historischer und auch einst schon nie anstrengender Pop-Innovationen, die aber heute nur noch runtergehen wie Honig. Sweet-Sweet-Retro-Avantgarde. Das wüste Rauschen des Erstlings "Street Horsssing" ist einer schön polierten Hochglanzproduktion mit Rave-Bratzereien gewichen, die fährt wie Sau – und einfach ein wunderbares Gefühl von Euphorie im Veitstänzer in uns erzeugt. Triefender Kitsch on the Dancefloor, dessen Boden mit Zuckerwatte gepolstert ist. Kurz: Dan Deacon für Arme.

  • 12. Staff Benda Bilili: Tres Tres Fort

Staff BEnda Billi

Beim ersten Kontakt mit Staff Benda Bilili aus Kinshasa muss man höllisch aufpassen, dass man sich selbst nicht wie ein musikalischer Elendstourist mit Mitleidstränen in den Augen vorkommt. Denn diese lose Band aus der Hauptstadt Kongos toppt vieles, was wir unter der Terminus "Behinderung" zu sehen gewohnt sind. Kinderlähmung mangels Polioschutzimpfung bedeutet in einem armen afrikanischen Land eben nicht gleich Rollstuhl, sondern kann auch heißen: im Staub der Straße kriechen müssen. Staff Benda Bilili sind als musizierendes und auch bettelndes Kollektiv so etwas wie das ungeschönte Bild einer Welt ohne funktionierende Gesundheits-, Familien- oder sonstige Sozialpolitik. Staff Benda Bilili sind ein aus Armut zusammengeschweißter Haufen am Rande der kongolesischen Gesellschaft: Straßenkinder, Obdachlose, Schwerstbehinderte – Krüppel, hätte man früher gesagt. Diese Notgemeinschaft der Ausgestoßenen aber macht , anstatt sich ihrem grausamen Schicksal zu ergeben, die schönste und anrührendste Musik, die man sich nur vorstellen kann. Anrührend nicht deshalb, weil man um die menschlichen Tragödien der hier Musizierenden weiß. Diese Lieder brauchen den biographischen Background nicht, um direkt in unsere Herzen zu zielen, denn was Staff Benda Bilili da mit einfachsten Instrumenten schaffen, das ist große Popmusik: also stilsicher, emotionsgeladen und nicht zuletzt massentauglich, wären die Massen nicht schon so gehirngewaschen, wie sie es nun leider einmal sind.

  • 10: Soap&Skin: Lovetune For Vacuum
Das Cover von Lovetune For Vacuum

Soap&Skin

Platz 11 gibt es keinen, dafür – weil punktegleich – zwei zehnte Plätze. Zum unglaublichen Aufstieg der Anja Plaschg wollen wir hier nichts weiter mehr sagen, eben sowenig wie über die Neidgesellschaft, die man sich mit so einer steilen Karriere hierzulande eintritt. Im Fall von Soap&Skin erklären wir uns einfach befangen und freuen uns mit Anja über ihren Erfolg, der 2010 noch größer werden wird, erscheint dann "Lovetune For Vacuum" doch auch offiziell in den USA. Glück auf, Schiff ahoi – wir freuen uns derweil schon auf das Duett von Soap&Skin mit Austrofred, in dem Fred wie immer den Freddy gibt und die zierliche Anja die doch eher unzierliche Operndiva Moinserrat Caballet. Bei ihrer Version von Barcelona werden wir uns anscheißen vor Rührung und Lachen. Und Soap&Skin wird endlich auch als Komödiantin gefeiert werden.

  • 10 - Radian: Chimeric

Radian

Das Wiener Elektroakustik-Trio Radian ist 2009 nach fünf Jahren Schaffenspause, in denen man schon fast die Lust an der Freud des Spielens verloren hatte, mit einem neuem Album zurück. "Chimeric" vereint wie gewohnt dezent swingende Jazzanleihen, warme Klangfarben und scharfkantige Brechungen. Die drei Kontrollfreaks riskieren aber darauf auch erstmals atmosphärische Ausflüge in rockig–ambientöse Soundschichtungen, die die kristallinen Strukturierungen überstrahlen.
Gitarre, Schlagzeug, Bass – ist das letztlich doch die Urformel? Der Hang zur Freiheit tut der konzeptuellen Strenge der Dekonstruktivisten, die Klänge bislang eher sezierten und in ihrer Gemachtheit ausstellten als wirkungsversessen zusammenbauten, jedenfalls hörbar gut. Chimeric lässt sich, bei allen nach wie vor ersichtlichen Vorbehalten gegen klischierte Formen und stilistische Verarmungen, als eine Annäherung an die Intensitäten eines "schimärenhaften" Noiserock lesen. Die suspekte Überwältigungskraft dieses Trugbilds wird nun nicht mehr durch Auslassung und raffinierte Enttäuschung ausgekontert, sondern als Herausforderung angenommen. Das Match steht derzeit 1:1. Für Radian.

  • 9: Broadcast and The Focus Group: Investigate Witch Cults Of The Radio Age

Broadcast and the focus group

Stimmen aus dem Jenseits antworten spätestens seit dem 30. März 1848 auf mediale Begabungen. Die Fox Rappings von Hydeville im Bundesstaat New York erzählen, gestützt durch eine eidesstattlichen Versicherung von Margret Fox, dass der Geist eines im Hause vor fünf Jahren angeblich verscharrten Toten durch Morseklopfzeichen geantwortet habe. Der moderne Okkultimus ist eine Liebesaffäre zwischen Medientechnologie und Spiritismus. Die unterstellte sympathy for the devil war im Rock&Roll seit jeher ein Angelpunkt der konservativen Anfeindungen. Diese Nachfrage nach dem Verbotenen wird dementsprechend verlässlich bis heute befriedigt - vom kurzen Flirt mit dem Jenseits der eigentlich doch eher braven Beatles bis zum totesten Kruzifix-Metal von heute, von satanistischen Gothic-Stämmen bis zum fröhlich-heidnischen Religionsremix Madonnas.
Das Birminghamer Elektronik-Duo Broadcast trägt den Willen zur Übertragung schon im Namen. Ihr aktuelles Album, das gemeinsam mit dem Ghost-Label-Betreiber und Grafiker Julian House alias The Focus Group eingespielt wurde, sollte eigentlich nur ein Vorbote auf Künftiges sein. Es geht, sowohl in den kurzen Collagen als auch in den paar Gesangstücken, um die Faszination der Soundmanipulation. Ge-broadcasted wird hier eine kühne und suggestive Verschmelzung von psychedelischen Hallräumen und eiernden Cut-Up´s. Flöten, Glocken und hübsch angestaubte Second Hand-Elektronik treffen auf verhuschte Field-Recordings von Möwen, zerbrechenden Gläsern, mysteriösen Klopf und Gehgeräuschen und was weiß ich. Effekte lassen uns ein drittes Ohr wachsen – und das lässt uns genauso an britische paganistische Folk-Obskuranten aus den frühen 70er Jahren wie Comus wie auch an die digitalen Sample-Collagen von The Books denken. Ein Blick in die Scherben eines zerbrochenen Spiegels. Darin lacht die kubistische Fratze von Sängerin Trish Keenan und bittet zum Veitstanz.

  • 8: The XX: XX
Weißes X auf schwarzem Hintergrund, Albumcover von XX der Band The XX

The XX

Die Chromatics, ein Duo aus Portland, versuchte sich vor zwei Jahren an einem Nico-geschulten Pop-Existentialismus, der sich auch in der Nacht hinter schwarzen Sonnenbrillen verstecken muss. Das Leben nach der Disco-Sperrstunde ist hart. So hart, dass man nicht mehr viele Töne spucken bzw. hauchen kann als ganz irdisch aus der After Hour-Geworfener. Monotonie und Alltag.
Ähnlich gestrickt dürften die britischen Wahlverwandten von The XX sein. XX ist ein blutjunges, aber ob der Last der 80er Jahre und ihrer New Order-Lastigkeit schon schwer mürbes Herrschergeschlecht des britischen Pop. Es besticht mit eher sprödem Charme, hält mit minimalen Mitteln die Balance zwischen Coolness und Intimität, abgeklärtem Minimalismus und entrücktem Dream-Pop. Sängerin Romy Madley Croft ist nah und weit weg zugleich, wie es eine Königin halt sein muss, ihr Part Time-Duettpartner Oliver Sim regiert den Bass mit wenigen, effizienten Handgriffen. Synthesizertasten werden ab und an mit Bedacht bedient. Intensität entsteht vor allem aus dem Dazwischen der Töne, aus dem bloss Angedeuteten, Angedachten. Gemeinsam wippt The XX, das Zentrum unsere Zensurphantasien, mit dem schwarzen Sohlen zu zeitgenössischen Dancefloorkürzeln und gibt sich im Hinterzimmer manchmal gar den verbotenen Träumen von den Sehnsuchtsfigurationen der Gitarre des Chris Isaac hin. Junge, gefühllose Giganten halt.

  • 7: Scott Matthew: There Is An Ocean That Divides And With My Longing I Can Charge It With A Voltage That´s So Violent To Cross It Could Mean Death

Scott Matthew

Dieses Jahr kam man ja ganz gut an Antony vorbei, der sich vielleicht schon ein wenig zu sehr im kammermusikalischen Klassizismus weidete. Dafür rückte ein anderer Kummernummer-Lieferant in die erste Reihe auf: Scott Matthew, ein Drama-King der neuen Innerlichkeit, die ihr am Barte des Propheten und seinen gar lustig-langen Albumtiteln erkennen sollt. Der gebürtige Australier fiel erstmals mit seinem Beitrag zum Soundtrack der recht expliziten New Yorker Genderkomödie "Shortbus" auf und lieferte nun eine Folktragödie allererster Güte in elf Akten ab. 1001 Tränen tief. Dieses Jahr größer als Jesus und Scott Walker zusammen.

  • 6: Jamie T: Kings and Queens

Jamie T

Himmel hilf, dass dieser Rotzlöffel nie erwachsen wird. Der junge Mann aus London hat nach wie vor keinen Respekt vor nichts und niemandem, und das ist gut so. Und so ist "Kings and Queens", das Nachfolgealbum zum nervösen "Panic Prevention" vielleicht noch eine Spur lässiger geraten. Die Rede von den sich auflösenden Genregrenzen, von der Hybridität des Produzierens im I-Phone-Zeitalter, gleicht ja mittlerweile selbst fast schon einem Kampf gegen Windmühlen. Gibt es da draußen überhaupt noch die Gralshüter einer reinen Leere des Rap oder der Gitarren-Klasse von 2009? Jamie T. hat diese Debatten um Schwarz und Weiß, Soul und Rock, Beats und Sounds seit jeher instinktiv nicht einmal ignoriert. Deshalb geht bei ihm auf traumwandlerisch geschmackssichere Weise alles zusammen, was nicht zusammengehört. Zum Beispiel die Verbeugung vor Joan Baez im Intro zu Earth, Wind and Fire, die hinterfotzige Pathos-Appropriation im Stile von Pater Bono und ein klappriger Old-School-Beat, der uns bedeuten mag: Nicht nur in der Londoner Nacht kann man König oder Königin oder sonst irgendein Held für einen Tag sein. Immer noch.

  • 5: Forest Fire: Survival
Zimmer mit Schlagzeug, Verstärkern und anderem Musikequpment, Plattencover von Forest Fire - "Survival"

Forest Fire

Zwei Frauen und zwei Männer, wohnhaft in Brooklyn, starten von der Basis Folk zu schönen Exkursen ins Jingle-Jangle-Fach, wo Gitarren plinkern, Klarinetten quertröten und Billigsynthies furzen, dass es eine jaulende Freude ist. Wenn die späten Velvet Underground sich mit den frühen Violent Femmes kurzgeschlossen hätten, dann wäre so was wie Forest Fire schon früher auf die Welt gekommen. Aufgenommen wurde "Survival", das Debütalbum, im gemeinsamen Wohn/Schlafzimmer mit zwei von der Decke baumelnden Mikros, was gar keinen so großen LoFi-Charakter erzeugt, sondern viel eher allerschönste Intimität. Und wenn am Ende auch noch eine Geige gestrichen wird, als ginge es um den Tony-Conrads-Award im Eintonspiel, dann haben ob dieser naiven Unverfrorenheit Forest Fire endgültig unser Herz erobert.

  • 4: Ja, Panik: The Angst And The Money

Ja, Panik

In gewisser Weise haben Ja, Panik gar nichts Besonderes zu sagen, aber das sagen sie verdammt gut. So gut wie es Falco nie und Lou Reed und John Cale schon lange nicht mehr konnten. Es regiert die Angst, es regiert das Geld, und dagegen sind wir. Es ist daher nicht so verwunderlich, dass im deutschen Spex seit ihrem enthusiastisch gefeierten Debüt Ja, Panik als Wahnverwandte von Tocotronic gehandelt werden. Beide Bands werden nämlich nicht müde, die im Pop konstitutive Lobrede auf das Unauthentische und den Tod des Autors weiter zu singen. Was heute, im Zeitalter der neoromantischen Ich-Bezüglichkeit im Hippie-Folk, sogar wieder angebracht sein könnte. Ansonsten ist die Welt natürlich kaputt: Kapitulation bzw. Alles ist hin, hin hin. Die Musik dazu jagt durch die Nächte. Und dann noch die lang ersehnte Wiederkehr des Achtel- und Sechzehntel-Stakkato-Klaviers wie wir es seit John Cales Geklopfe auf "Waiting For My" man so lieben. Was uns an Ja, Panik auch noch sehr gefällt: diese Burschen sind trotz allem Schlaumeiertum und Coolness-Wissen weit mehr Glamrock als Diskurspop. Und wenn das nächste Album von der Glam-Legende Tony Visconti produziert werden wird, dann muss auch der letzte Bobo erkennen: Ja, Panik sind das schönste Bindeglied zwischen literarischem Danyismus und proletarischem Glam. Ja, Panik sollen Teil einer Jugendbewegung sein.

  • 3: Laokoongruppe: Walzerkönig
Wiesenblumen, ALbumcover von "Walzerkönig" der Laokoongruppe

Laokoongruppe

Wenn die Basstrommel der Blasmusikkapellen die rustikale Entsprechung der Bass-Drum von Techno ist, dann gesellt sich zum Walzerkönig auch noch der Marschkaiser. Laokoongruppe alias Karl Schwamberger samplet sich auf seinem lange, lange erwarteten Debüt durch Schubert, Bruckner und Free Jazz und schafft dadurch wunderbare Hybride aus Lokalkolorit und Internationalität. Von den ebenso klugen wie gewitzten Texten gar nicht zu reden, die sich wie die Musik aus Gegensatzpärchen bilden, will sagen aus schlageresken Versatzstücken und politisch aufgeladener Poesie. Kurz: "Walzerkönig" strahlt als der schönste Bastard des Jahres.

Zwei gezeichnete Hände, Plattencover von "Hospice" der Antlers

Antlers

  • 2: The Antlers: Hospice

Überbordend und aufwühlend, dann wieder im Nebel des Pastelligen versinkend. Peter Silberman, genialer Knödeltenor und Frontman der Antlers aus Brooklyn durchleidet emphatisch die fast ausgestorbene Kategorie Konzeptalbum, als gäbe es im Pop noch das große Ganze. Anachronistisch, aber toll. In den Staaten ziehen sie zu Recht Parallelen zu Arcade Fire und deren Hymnik, auch wenn dieser Vergleich zu kurz greift. Wenn, dann gehören auch noch Xiu Xiu, The Walkmen, die Parenthetical Girls, die Sparks und unterschwellig auch noch Freddy Mercury und seine Queen genannt. Dass das alles tatsächlich unter einen Hut geht und nicht als eine Orgie des Eklektizismus daher kommt, zeugt nicht zuletzt von der Qualität der Songs und Arrangements der Antlers.

  • 1: Kreisky: Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld
Die Band Kreisky in einem Auto, Albumcover zu "Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld"

Ingo Pertramer, Klaus Mitter

Eigentlich haben wir immer schon gewusst, dass die unbeirrbar dahindreschenden Grantler von The Fall eigentlich Österreicher sind. Nur mit dem Unterschied, dass die österreichischen Fall mittlerweile vielmehr am Punkt sind als die Part-Time-Söldner um Diktator Mark E. Smith: scharfkantig, tight, dynamisch und souverän zwischen (Element Of Crime der Frühphase-artigen) Schunkelballaden und Splittergranatenrock changierend. Denn meist sind die Gitarren auf diesem entgegen dem Titel eigentlich gar nicht katholisch inspirierten Alltagsbewältigungsalbum eben doch geladene Gewehre und haben obendrein den urbanen Blues. Der Gesang ist Geschrei, das Geschrei ist Gesang, und der Gesang hat manchmal auch offensichtlichen Witz. Und er hat (ohne das Österreichische zu verleugnen) niemals etwas Raunzerisches, sondern kommt von einem verwundeten Tier, das mehr sieht und hört als all die dummen Schweine rund um die vier Sonnenkaiser – oder doch nicht?

Wen's interessiert, hier sind noch unsere beiden Einzelwertungen:

Fritz Ostermayer:

  • 1. Laokoongruppe: Walzerkönig.
  • 2. The Antlers: Hospice
  • 3. Kreisky: Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld
  • 4. Forest Fire: Survival
  • 5. Soap&Skin: Lovetune For Vaccum
  • 6. Staff Benda Bilili: Tres Tres Fort
  • 7. Blackout Beach: Skin Of Evil
  • 8. Fuck Buttons: Tarot Sport
  • 9. Ja, Panik: The Angst And The Money
  • 10. Filastine: Dirty Bomb
  • 11. Das trojanische Pferd: Das trojanische Pferd
  • 12. Volcano Choir: Unmap
  • 13. Former Ghosts: Fleurs
  • 14. Yacht: See Mystery Lights
  • 15: Wolf Van der End: Stills From Travelling Light

Thomas Edlinger

  • 1. Jamie T: Kings and Queens
  • 2. Scott Matthew: There Is An Ocean That Divides And With My Longing I Can Charge It With A Voltage That´s So Violent To Cross It Could Mean Death
  • 3. The XX: XX
  • 4. Broadcast and The Focus Group: Investigate Witch Cults Of The Radio Age
  • 5. Radian: Chimeric
  • 6. Kreisky: Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld
  • 7. Ja, Panik: The Angst and The Money
  • 8. Tartufi: Nests of Waves and Wires
  • 9. Phoenix: Wolfgang Amadeus Phoenix
  • 10.The Antlers: Hospice
  • 11. Atlas Sound: Logos
  • 12. Laokoongruppe: Walzerkönig
  • 13 . Forest Fire: Survival
  • 14. Das trojanische Pferd: Das trojanische Pferd
  • 15. Fuck Buttons: Tarot Sport