Erstellt am: 26. 12. 2009 - 14:37 Uhr
Zwischen den Jahren
kubin
Ach schöne, unwirkliche Zeit zwischen den Jahren! Das alte Jahr ist fast vorbei, und das neue hat noch nicht angefangen. In dieser seltsamen Zwischenzeit setzt auch das latent schlechte Gewissen des Freiberuflers - man müsste doch arbeiten, aufräumen, lesen, dichten - aus, denn die anderen Leute arbeiten ja auch kaum zwischen den Jahren. Das hat angeblich mit Meinungsverschiedenheiten über den Zeitpunkt der Geburt Christi und des Jahresanfangs zu Beginn der neuen Zeitrechnung im Mittelalter zu tun. Zwar hat Papst Innozenz XII. im Jahre 1691 den kirchlichen Neujahrsbeginn auf den 1. Januar festgesetzt, aber die Umsetzung klappte nicht gleichzeitig, auch in benachbarten Städten gab es unterschiedliche Jahresanfänge - es entstand die Bezeichnung "Zwischen den Jahren", und mit ihr viele Regeln und Verbote.
Rösinger
Nur die notwendigsten Arbeiten durften verrichtet werden. Auf dem Land hatte das Gesinde frei. Juristen und Kaufleute verzichteten - wegen Unsicherheiten in der Datierung - in dieser Zeit auf Geschäftsabschlüsse. Schon im vorchristlichen Aberglauben begannen am Abend des 25. Dezember die Rauhnächte und dauern bis 6. Januar, eine gefährliche Zeit, in der Werwölfe umhergehen, die Tiere im Stall miteinander in Menschensprache reden und man auf keinen Fall Wäsche aufhängen darf.
In Berlin ist es leer und still, die ganzen Zugezogenen sind weg und kommen erst zu Silvester wieder. Alles ist so ruhig draußen, zwar unschön matschig, aber ungewohnt unbelebt, die vielen freien Parkplätze ergeben ein ganz anderes Straßenbild, das durch erste interessante Installationen aus halbabgezierten Christbäumen in absurden Positionen bereichert wird.
Rösinger
Die Blumenläden lassen langsam ihr winterliches Sortiment - Weihnachtkakteen, Weihnachtssterne, Tannenzweige - auslaufen und stellen auf Hyazinthen im Glas und andere erste Frühlingsboten um. So wird auch das Jahr 2010 seinen Lauf nehmen. Es gibt zwar überhaupt keinen Grund, aber vielleicht kann man trotzdem mit einem vorsichtigen Optimismus in die Zukunft schauen. Dieser neue Optimismus braucht nur eine Hand voll positiver Grundannahmen : "Es ist nicht alles schlecht, wir kommen schon irgendwie zurecht, es könnte schlimmer sein, das Leben ist doch manchmal ganz schön."