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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 12. 2009 - 20:09

Fußball-Journal '09-123.

Die Auslands-Österreicher in der Herbstsaison 09: Gewinner und Verliererer. Unter besonderer Berücksichtigung der Auswahl-Mannschaften.

Teil 1: Die Verlierer der Bundesliga-Herbstsaison 09: der moderne Außenverteidiger und das taktische Verständnis.

Teil 2: Die Gewinner der Bundesliga-Herbstsaison 09: der versatile Spieler, die erste Linie, ein paar Junge, der unselige Hausverstand und eine Aktion mit Philosophie.

Teil 3: Der Gewinn der Europa-League-Herbstsaison 09: was die vier Europa-Vertreter mitnehmen.

Teil 4: Das Krachen im Unterbau: Der vierte Teil der Evaluierung der Herbstsaison 09.

Die systematische Zerstörung der ÖFB-Nachwuchs-Struktur, von Leuten wie Constantini, Zsak oder Heraf absichtlich oder unabsichtlich vorangetrieben, hat dieses Halbjahr geprägt. Die planlose, einzig dem populistsischen Ehrgeiz sich medial in Szene zu setzen geschuldete, Einberufung von 16 und 17jährigen, das absurde Anzünden von Talent am falschen Ort (nämlich nicht bei der U21, die im Spätherbst als einzige noch in einem wichtigen Rennen um eine Quali-Chance war) haben fast eine Verheerung angerichtet.
Und nur ein paat Indizien von Verantwortungsträgern, die morgen schon wieder auf flasche Berater reinfallen können, sprechen derzeit dafür, dass dieser Kurs im Frühjahr nicht fortgeführt wird.

Dieses Junge-Verheizen um jeden Preis, das mich fatal an "All quiet on the western front" erinnert, wird nämlich innerhalb des ÖFB von keinerlei substanziellen Maßnahmen begleitet. Und hat damit nur innerhalb des populistischen Rahmens, in dem es Constantini (zu Beginn seiner Amtszeit noch ein dezidierter Jugend-Hasser) irgendwie passierte, Auswirkungen. Und zwar solche, die fatal zur sonstigen gesellschaftspolitischen Lage des Landes passen.

Mir brauchen kane von außen!

suggeriert Constantini (und sagt es im kleinen Kreis auch offen). Damit meint man nicht nur das Feinbild des ausländischen Trainers (der alles besser könnte, und dem Inländer-Coach der zu schwach für den globalen Markt ist, im Weg steht und die Arbeit wegnimmt), sondern neuerdings auch die Österreicher, die bei ausländischen Vereine, womöglich sogar in großen Ligen spielen.

Aktuell sind folgende Österreicher im Ausland tätig: Ralph Hasenhüttl (Haching, 3. Liga Deutschland), Gerhard Hitzel (Nachwuchs-Koordinator Lok Moskau), Günther Gorenzel-Simonitsch (Betreuer bei Rubin Kazan), Kurt Garger (Trainer Dunajska Streda, Slowakei), Michael Krenn (Sportlicher Leiter bei Labod Drava Ptuj in Slowenien), Harald Cerny (Jugendtrainer bei Bayern München), Rene Pauritsch (U21-Teamchef Liechtenstein), Alfred Riedl (Teamtrainer Laos) und Josef Hickerberger (Al Wahda FC, VAE).
Dazu die Paß-Österreicher Mischa Petrovic (Sanfrecce, Japan), Rolf Fringer (Luzern, Schweiz), Marinko Koljanin (Rijeka, Kroatien).
Mit Nik Neururer (bei Celtic) und Reinhold Hintermaier (bei Nürnberg) gibt es zwei Scouts.

Und, neu: Der Lustenauer Michael Kopf leitet seit dem Sommer den Nachwuchs (U8 bis U15) bei GC Zürich.

Alle nix wert, lautet die Constantini-Doktrin. Er will reinblütige Burschen vom Berg, er kommt mit echten Einheimischen, die der Scholle treu geblieben sind, hervorragend aus, er braucht Vaterlands-Verräter und Deserteure nicht.

Constantini hat innerhalb kürzester Zeit folgende Legionäre vergrault und vergrätzt: Manninger (Juventus Turin), Ibertsberger (Hoffenheim), Ivanschitz (Panathinaikos/Mainz), Gspurning (Xanthi), Stranzl (Spartak Moskau), Dag (Besiktas), Garics (Atalanta Bergamo), Christian Fuchs (Bochum). Also Leute mit Champions League-Einsätzen, Top-Statistiken in der deutscher Bundesliga und anderen erstklassigen Ligen mit hochgradiger Competition-Erfahrung.
Mit Scharner und Pogatetz hat er (richtigerweise) auf ehemalige Rebellen gesetzt, die vor Jahren zurecht Klage geführt hatten, vor allem seinen einzigen verbliebenen echten Legionär, Paul Scharner macht er aber absichtlich nach jedem Einsatz, wo er von ihm an falscher Stelle ungecoacht hingestellt wird, öffentlich zur Sau.

Legionäre als Sündeböcke

Ich unterstelle weder Constantini noch seinen Brüdern im Geiste Absicht, eine Campaign oder gar ein Komplott (auch weil ich ihnen sowas gar nicht zutraue) - diese "mir san mir! Der, wos ins Ausland gongan ist, taugt nix!"-Charakterisierung aus Herrenbauern-Tagen sitzt den zufällig zu Definitionsmacht gekommenen einfach in den Genen. Die glauben das wirklich.
Denn: warum sollte die Xenophobie, die als Grundlage für den Rechtspopulismus in diesem Land gilt, denn hier keinen Niederschlag finden. Sie existiert in allen Facetten. Und bei Reflektionslosen natürlich umso länger und ungehinderter.

Und natürlich spielt sich dasselbe auch im kleinen, bei der U20 oder der U19 ab: hier der Link zu einem Irrsinns-Beispiel.

In diesem Gesamtzusammenhang muss man also die Leistungen der österreichischen Fremdarbeiter im Ausland sehen: sie sind zunächst einmal nichts wert, weil sie im Ausland, das man nicht kennt und einschätzen kann, erbracht wurden - das ist der aktuelle Stand, auf den sich Teamchef und die ihm diesbezüglich gern nachpfeifende Presse (die auch lieber alle Objekte der Homestory/Boulevard-Begierde lieber griffbereit hat) geeinigt haben.

Und natürlich kann sich jemand, der von einem hier ansässigen bei hier ansässigen Medien angeschwärzt wird, aber in Moskau oder Istanbul sitzt, und eh keine Lobby hat, nicht wehren. Ideale Sündenböcke für alles also.

Die Gewinner

International haben nicht viele gespielt: Ekrem Dag für Besiktas in der Campions League. Alex Manninger war bei Juve nur auf der Bank. In der Europa League liefen Sebastian Prödl für Werder und Niklas Hoheneder für Sparta Prag auf

Wahr ist vielmehr das Gegenteil.
Eine große Zahl österreichischer Kicker im Ausland hatte eine formidable Halbsaison.

Andreas Ivanschitz hatte eine sensationelle Zeit: recht spät zu Mainz gekommen, trotzdem Führender im Assist-ranking der Liga, das Team in die erste Tabellenhälfte geführt, als klassischer Zehner wohlgemerkt.

Christian Fuchs ist Stammspieler bei Bochum, die fest im Abstiegstrubel drinhängen, und nicht nur defensiv und bei den Interviews sattelfest, sondern aktuell der beste Freistoßschütze der Liga (drei direkte verwandelt). Wann wurde im ÖFB-Team eigentlich zuletzt ein Freistoß verwertet und von wem?

Andreas Ibertsberger sieht manchmal, wenn ich ihn ausschnittsweise sehe, ungelenk aus bei Hoffenheim, aber sorry, die Beharrlichkeit mit der ihn ein Klasse-Coach wie Ralf Rangnick sowohl links als auch rechts bringt (bei genügend Auswahl) zeigt mir dass dieser Eindruck täuscht.

Und, um in Deutschland zu bleiben: Martin Harnik ist der absolute Gewinner in der 2. Liga. Seit er bei Düsseldorf keinen rechten Mittelfeldspieler oder gar einen Rechtsverteidiger spielen muss, sondern vorderste Spitze, agiert der Piefke in Hoch-, ja in Teamform.

... auch die außerhalb Deutschlands

Der wertvollste Österreicher weltweit ist aktuell der von den heimischen Bergfexen verarschte Paul Scharner. Der hat bei Wigan, immerhin Premier League, England, nicht nur ein Stammleiberl, sondern nimmt auch drei Positionen ein. Zuletzt war er als eine Art 8er, als Verbinder zwischen Defensive und Offensive aktiv; und das nicht schlecht. In der zweiten Halbzeit gegen Spanien probierte er das auch im Team aus - ging schief, weil der Rest der Mannschaft nicht die internationale Klasse von Wigan hat, war aber im Ansatz richtig.

Am Limit spielt derzeit auch György Garics, der einzige Austro-Legionär in Italien mit Stammplatz. Sowas dauert dort, eine Saison Minimum. Und hält nur, wenn man Top-Leistung bringt.

Dasselbe, ein wenig weniger streng und taktisch strikt, spielt sich in der Türkei ab. Und, schau an, sowohl Ekrem Dag (bei Besiktas samt Champions League) als auch Tugay Bahadir (bei Bursa) sind gesetzt, als vielseitig verwendbare Mittelfeldspieler.

Am schwersten haben es die Torleute. Alex Manninger stehen nach einem Halbjahr auf der Bank jetzt wieder ein paar Spiele mit Juve bevor (Buffon hat wieder eine Operation), zwei andere haben es aber geschafft: Robert Olejnik ist bei Falkirk in Schottland die Nummer 1, Michael Gspurning bei Xanthi in Griechenland.

Darüber, dass Herr Constantini an ihrer statt lieber den Ersatztormann der Austria Wien einberuft, können diese Herren nur lachen.

Lobende Erwähnungen

muss es für einige unerwartete Steigerungen geben.
Thomas Pichlmann etwa hatte einen Lauf in der Serie B, wo sich neben Daniel Wolf endlich auch Marco Stankovic und der lange verletzte Jürgen Säumel etablieren konnten.

Alle Änderungen zur letzten Legionärsliste die Anfang Februar erneuert wird, hier: Martin Dollinger, in Österreich für 100e Spiele gesperrt, geht zu Fortuna Sittard in die zweite holländische (Jupiler) League.

Der junge Vorarlberger Seifedin Chabbi wechselt zu Hoffenheims Junioren. Christoph Beranek, zuletzt in Tschechien, ist bei den Junioren von TB Berlin gelandet, Hannes Langenecker bei denen von Burghausen. Beim dortigen B-Team ist wieder einmal Grenzgänger Oliver Stadlbauer untergekommen.

Rafael Pollacks Intermezzo beim VfB Lübeck ist beendet, Yves Sanchez Vertrag beim FC Gossau wurde ebenso beendet und Alen Oroz ist bei Siroki Brijeg rausgeflogen.
Milan Jankovic, vormals in Bulgarien unterwegs, heuerte bei Zwettl in der RLO an, Jürgen Macho (das wissen eh alle) beim LASK.

Aleksandar Popovic, Serbe mit doch zu wenigen österreichischen Wurzeln, spielt nach seinem Abgang bei Vojvodina Novi Sad jetzt bei AO Kavala in der griechischen Super-Liga. Und Michael Winsauer, ehemaliger Zweitliga-Globetrotter, ist bei Wellington in Neuseeland angekommen.

Nix geworden ist es aus Zulechner/Viborg, Kienast/Doncaster, Gotal/Gladbach, Kuljic/Larissa und Marcel Ritzmaier/PSV.
Und, letzte Meldung, Dominik Rotter, der Sohn des Rapid-Poldl, kommt bei Arminia Bielefelds B-Team unter.

David Alaba, der junge Shooting Star, hat sich bei den Bayern festgesetzt und der nächste, Christoph Knasmüllner, rückt schon nach. Clemens Walch kam völlig überraschend in den Kader des VfB Stuttgart, und in den Regionalligen konnten sich Sargon Duran, Radovan Vujanovic und Rolf Landerl bei ihren Teams als Leader etablieren.
Der lange Zeit arbeitslose Marco Knaller konnte sich beim FCK über die Amateure einen Profi-Vertrag verdienen.

Markus Seelaus setzte sich als einziger österreichischer Spieler bei Dunajska Streda durch; und der Ex-Admira-Aushelfer Frank Egharevba ist beim 7. der serbischen Liga gut dabei.

Comme ci, comme ca

Martin Stranzl war zwischen Abreise, Bank und Stammplatz gefangen, in Moskau ist immer was los. Stefan Maierhofer ist zwischen Debut-Tor/himmelhochjauchzend und schwächster Wolf am Platz/zu Tode betrübt. Johnny Ertl gefällt's in London so gut, dass ihm sein Mittelmaß aktuell genügt, ebenso wie Daniel Sikorski seines bei Bayern II.
Niklas Hoheneder hat ein hartes Lehrjahr bei Sparta Prag, immerhin samt Europa-League-Einsätzen. Und was David Witteveen in Schottland, Daniel Kastner in Lettand, Gucher/Elsneg bei Frosinone oder Mario Hieblinger in Griechenland leisten, läßt sich aus der Ferne einfach nicht sagen.

Verletzt

war Marko Arnautovic zu lange um sich bei Inter in drn Vordergrund zu spielen. Jetzt tobt ein Vertragskrieg - nicht gut für die Entwicklung des teuersten österreichischen Spielers.
Die Verletzung von Emanuel Pogatetz ist für sein Fortkommen bei M'Boro weniger schlimm, man zählt auf ihn. So wie auf Sebastian Prödl bei Werder. Und hoffentlich auch auf Ümit Korkmaz bei Frankfurt; gefühlt ist der Kleine jetzt nämlich schon seit der Euro dauerverletzt.

Oweh

Jimmy Hoffer in Neapel, es war zu schön um wahr zu werden. Als Stürmer Nummer 5 gekommen, das bedeutet Angriff und dabei nix verlieren können. Was Italien aber (siehe Garics) noch bedeutet, ist mentale und strategische Beschäftigung mit Fußball - und die hat dem Naturkind Hoffer nie jemand beigebracht (wobei es auch die wenigsten gekonnt hätten).

Schlecht sieht es aus für die Torleute Özcan und Langer in Deutschland, beide stehn auf der Abschußliste, auch nicht gerade alles Roger ist bei den Berger-Brüdern in Portugal,bei Taboga und vor allem Kienast in Norwegen, bei Öbster bei RBNY und auch bei Roli Linz, der bei Gaziantep sang- und klanglos untergegangen ist.

Zwei komplette Nationalmannschaften

kriegt man aus diesen Herren zusammen, ohne dabei auf die derzeit ganz schlecht beinandernen zurückgreifen zu müssen. Dazu müßte man aber die Scholle verlassen, vor allem geistig; und das Fenster öffnen um den Mief auszulüften, der sich durch das populistische, an Bundesheer-Rituale gemahnende Jungmänner-Gehabe, das ja in Wahrheit das Gegenteil von Ernstnehmen der Jungen, sondern ihre bloße Ausbeutung darstellt, gebildet hat.