Erstellt am: 24. 12. 2009 - 16:05 Uhr
Fremde Weihnachten
Im Aufenthaltsraum steht ein Christbaum. In der Küche kochen die jungen Flüchtlinge, die im Laura-Gatner-Haus leben, gemeinsam mit den Betreuern das Abendessen: Zur Feier des Tages gibt es Lammfleisch mit Orangen - und danach Süßigkeiten. Sonst scheint im Laura-Gatner-Haus aber alles wie immer zu sein. Wie üblich haben zwei Betreuer Dienst. Herbert Steiner ist einer davon. Er arbeitet seit sechs Jahren als Betreuer und wird nun schon zum dritten Mal den Heiligen Abend hier verbringen. Dieser wird "ziemlich gemütlich" verlaufen, meint er. Die Betreuer werden mit den Burschen im Aufenthaltsraum zusammensitzen, man wird ein bisschen plaudern und Gesellschaftspiele spielen.
Diakonie/Laura-Gatner-Haus
Weihnachtlich ist es im Laura-Gatner-Haus nicht unbedingt. Vielmehr ist es so wie an einem normalen Sonntagabend. Die Betreuer wollen den Burschen das Weihnachtsfest nicht aufdrängen oder sie "missionieren", wie Herbert Steiner sagt. Die meisten seiner Schützlinge kommen nämlich aus Afghanistan und sind Muslime. Weihnachten haben diese Burschen in ihren Heimatländern nie gefeiert, man hat das Fest höchstens aus dem Fernsehen gekannt. Weihnachten hat deshalb auch nicht die Bedeutung eines Familienfestes, was ihnen vielleicht noch bewusster machen würde, dass sie ohne ihre Familie bzw. Angehörige in Österreich sind. Viel problematischer sei da zum Beispiel das Ende von Ramadan, erzählt Herbert Steiner. Der letzte Tag des muslimischen Fastenmonats wird normalerweise im Kreis der Familie gefeiert. An diesem Tag ist die Stimmung im Laura-Gatner-Haus gedrückt, nicht nur weil die Burschen vier Wochen lang gefastet haben, sondern auch, weil sie dieses Fest nicht wie früher mit ihren Familien feiern können.
Diakonie/Laura-Gatner-Haus
Isetula kommt aus Afghanistan und ist Muslim. Er mag Weihnachten in Österreich, auch wenn er dadurch in einen kleinen Zwiespalt gerät. Am 18. Dezember hat Muharram, der erste Monat im muslimischen Kalender begonnen. Für schiitische Muslime wie Isetula beginnt an diesem Tag nämlich ein zehntägiges Trauerfest.
Einer der wenigen Christen im Haus ist Sylvester. Im Gegensatz zur Mehrheit seiner Mitbewohner im Laura-Gatner-Haus hat Sylvester in Nigeria Weihnachten gefeiert, wenn auch etwas anders als in Österreich. Sylvester kann sich an Weihnachten erinnern, an denen sein Vater eine Kuh gekauft und geschlachtet hat für die vielen Verwandten, Freunde und Bekannten, die nach dem Kirchgang am 24. Dezember ins Haus der Familie eingeladen wurden. Etwas, das ihn am Weihnachtsfest hierzulande deshalb ein wenig befremdet, ist das Bedürfnis der Österreicher, den Heiligen Abend möglichst abgeschottet im Kreis der engsten Familie zu verbringen.
Diakonie/Laura-Gatner-Haus
Weihnachten im Laura-Gatner-Haus ist jedes Jahr anders. Wie der 24. Dezember über die Bühne geht, hängt davon ab, aus welchen Ländern gerade besonders viele Burschen da sind. Herbert Steiner hat auch schon Weihnachten erlebt, die weniger ruhig waren, vor wenigen Jahren zum Beispiel, als besonders viele Burschen aus afrikanischen Ländern da waren, die den ganzen Heiligen Abend lang getrommelt und getanzt haben.