Erstellt am: 16. 12. 2009 - 20:45 Uhr
Journal '09: 16.12.
Die Basics zur Wiedervereinigung und weiteres Futter dazu bei Veronika Weidinger.
Und die Infos am Tag danach, Schmutzwäsche inklusive.
Am Montag gab es in der im ORF ausgestrahlten Dexter-Folge der zweiten Staffel eine bezeichnende Szene am Rande. Der bislang eher als emotionaler Gemütsmensch aufgefallene Ermittler Angel erkennt im (bewusst wirren) Bekennerschreiben des Bay Harbor Butchers (der ja sein Kollege Dexter ist) ein Zitat. Ja, stimmen zwei Kollegen zu, richtig, sie erinnern sich auch, aus Star Trek. Kollegin Kostümchen glaubt am NextGen, Kollege Anzug an Deep Space 9.
Angel, gern mit übergroßem Hawai-Hemd und lächerlichem Hut gekleidet, schüttelt den Kopf und verweist auf den Originalautor Mark Twain. Quatsch, sagen die anderen, der Butcher ist ein Trekkie, ehe der leitende FBI-Ermittler, ein Kulturmensch, der gerade Dexters Schwester unabsichtlich mit Chopin rumkriegt, milde lächelnd das zitierte Mark Twain-Werk ausweist.
Diese prototypische Szene zeigt ganz genau, wie wir referentiell denken: nicht die tatsächliche Quelle ist relevant, sondern der populäre Ausspielweg. Und die Referenz- und Zitateschleuder "Popkultur" ist da sowohl als Wissensverbreiter als auch als Verwirrer tätig.
Denn natürlich haben die Star Trek-Autoren diesen Mark Twain-Satz ganz bewusst in ihr Drehbuch geschrieben; um über diesen populären Umweg humanistisches Gedankengut unter die Menschen zu bringen.
Insofern ist Star Trek eine durchaus brauchbare Datenbank für das kollektive Denken von gleich zwei oder drei davon beeinflussten Generationen.
Unification - Wiedervereinigung
Deswegen musste ich heute knapp nach drei Uhr nachmittags, als die ersten Meldungen von einer PK um 15.30, bei der Strache und Scheuch ihr Zusammengehen bestätigen würden, zirkulierten, lachen.
Denn meine erste Assoziation war nicht politisch, philosophisch oder ideologisch, sondern ebenfalls aus Star Trek. Unification heißt eine NextGen-Doppelfolge, in der eine schwierige politische Frage als Vorwand für Intrigen und Action (und sicher auch ein paar klugen, unauffällig eingewobenen Zitaten) dient: die Wiedervereinigung der beiden vor Jahrhunderten getrennten Zivilisationen von Vulkaniern und Romulanern. Die Vulkanier (Spock und so) haben ihr kriegerisches Naturell durch zenbuddhistisch anmutende Emotionslosigkeit abgelegt, die Romulaner nicht.
Derlei spielerische Reflektionen gibt's im Star Trek-Universum zuhauf. Radikalste Variante: die Bajoraner aus DS9, eine an Befreiungsbewegungen wie die PLO oder IRA gemahnende Rebellions-Kultur.
Im Wesentlichen ist das eine Art Rerun des klassischen Konflikts zwischen Griechen und Römern (oder besser: dessen Überhöhung in der Neuzeit) und bietet somit jede Menge an Konflikten zwischen Moral, Würde und Ehrenhaftigkeit. Und natürlich ist eine solche, innerhalb einer endlosen Fortsetzungs-Geschichte wie der Weltraum-Soap eingebetteten Handlung auch dankbarer Entwicklungsrahmen für die Charakterisierung der Proponenten und wiederauftauchender Gäste (im konkreten Fall tauchen mit Spock, Sarek, T'Pau oder Gowron klassische Charaktere der Saga in staatstragenden Rollen auf).
Letztlich ist meine Assoziation, so weit weg FPÖ und BZÖ kulturell von Griechen und Römern oder gar dem humanistischen Glauben an das Gute im Menschen, dem Ideal der Trekkies, auch entfernt sein mögen, also trotzdem richtig.
Die Soap als Basis-Idee der populistischen Kommunikation
Denn genau wie bei diesen von der Popkultur-Maschinerie inszenierten Konstrukten einer politischen Grundsituation, die letztlich zur Beförderung von Stars und Identifikations-Potential dient, geht ja auch der politische Populismus vor.
Der greift in jeder Hinsicht wesentlich stärker auf Mythologie, Personalisierung und die Strukturen der Soap, die eine letztlich banale Geschichte strudelteigmäßig in die Länge zieht, zurück.
Das Redundante der Soap, das leicht Wiedererkennbare der Serie ist die Basis für die Kommunikations-Politik des Populismus. Um Inhalte kümmert man sich maximal hinter den Kulissen, so wie die Grundlagenarbeit ja auch aus den Emo-Soap-Szenen verbannt sind. Auch dort ist man maximal mit aufrüttelnden Auswirkung von Geschehnissen konfrontiert, selten (meist nur bei dilletantisch ausgespielten Parodien auf Intrigen) mit ihrer Konstruktion.
Das kommt gut an, das klappt.
Die anderen, egal ob die themenbewussten Grünen, die klientelbedachte ÖVP oder gar die auf der Suche nach sich selbst befindlichen Sozialdemokraten, sind auf Inhalte fixiert, weil die normalerweise und anderswo immer noch das entscheidende Kriterium für Wahlentscheidungen sind. Mit dem dramaturgischen Momentum der Soap, einem der Herzstücke der Popkultur, einem weit in den Mainstream reinragenden Phänomen, sind sie wenig vertraut.
Nicht weil sie's nicht kennen oder können würden - sie haben allerdings übergroße Angst vor der Unkontrollierbarkeit der Ereignisse.
Die Lust an der Improvisation als Haiders Vermächtnis
Das ist dem Dritten Lager seit Haiders Zeiten jedoch komplett egal. Haider lehrte seine Zeitgenossen und Nachfolger, dass die Improvisation eine Kunst ist, die Vergesslichkeit des Publikums eine gewichtige Größe, und dass hakenschlagende Spannung besser ankommt als das Stabile und Fade.
In der Soap, in der Serie, kommt der schillernde Charakter eben deutlich besser an als der Brave, das Simandl.
Diese Rolle zu spielen hat Haider Seinesgleichen gelehrt.
Und deshalb ist die Unification, die Wiedervereinigung der beiden Teile nur ein weiteres, lässig hin improvisiertes Kapitel in der Endlos-Soap "Rechtspopulismus in Österreich".
Motto: tu was dir in den Sinn kommt und lächle/argumentiere dich mit Chuzpe aus jeder Lage - irgendein Sündenbock steht immer bereit, zudem kannst du am nächsten Tag alles mit demselben Lächeln rückgängig machen. Wenn du machtlos bist, weil's egal ist, wenn du einmal an der Macht bist, weil du dir die bedingungslose Gefolgschaft des Plebs erkauft hast.
Also: weil die einen wissen, dass sie aus der Nummer mit der Hypo nur mit einem cleveren Schachzug im Drehbuch der anschließenden Folge rauskommen, sind die Schwüre und Versprechungen von gestern nichts mehr wert. Weil die anderen wissen, dass sie die Abtrünnigen so billig nie mehr einkassieren werden, dass damit ein paar Ungeliebte (Westenthaler, Stadler, vielleicht auch Scheibner oder der Lebensmensch) marginalisiert werden.
Wenn's nicht hinhaut - alles retour in der nächsten Staffel
Und weil alle Haider-Schüler wissen, dass sie in der nächsten Staffel im nächsten Jahr ja dann eh wieder auf sonstwas (neuerliche Trennung, neue Absplitterung) zurückgreifen können, ist es auch recht egal, ob die aktuelle Idee eine wirklich gute ist.
Mit dieser neuen Finte in der alten Soap treibt man den Rest der Serien vor sich her, und holt sich die Top-Quoten.
Denn wieder einmal sitzen wir gebannt vor so viel hakenschlagendem Irrsinn und sehen lustvoll erregt genau zu. Was der langweiligen Serie Ballhaus-Platz und der wirren, laberigen grünen Reihe, die sich nicht zwischen ATV und Okto entscheiden kann, auch die nächsten Jahre nicht gelingen wird. Einzig die Wiener-Lokalserie "Der beste Freund des Menschen", mit diesem gemütlichen rotwangigen Bierkutscher in der Hauptrolle, spielt ein bissl dagegen an.
Strategie ist schon ein wichtiger Teil dessen, was Strache, Vilimsky, Kickl und der Rest des harten Kerns, immer im Blickfeld haben. Die Kunst und die Lust der Improvisation, der auch brachial hingesetzten und völlig unglaubwürdigen Seifenoper-Wendungen hingegen ist ihnen selbstverständlich wichtiger; weil damit die Aufmerksamkeit der Menschen gewiss ist.
Wie heute wieder aufs Neue bewiesen wurde.