Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Freund oder Feind? Colorblind!"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

16. 12. 2009 - 11:01

Freund oder Feind? Colorblind!

Ich bin Gamer, habe eine Farbschwäche und bin nicht allein. Eine Petition fordert mehr Bewusstsein bei Spieleentwicklern.

Angefangen hat alles beim Amtsarzt. Der hat mir diese seltsamen Ishihara-Tafeln - dieser Name hat sich mir seither in meine Synapsen eingebrannt - vor die Nase gehalten. Ich wusste nicht, was das soll. Unterschiedlich große Punkte in verschiedenen Schattierungen? "Welche Zahl sehen Sie?" Wieso Zahlen, wo?

Ein Beispiel für eine Ishihara-Tafel.

[gemeinfrei]

WTF?

So lernte ich also meine Rot-Grün-Farbschwäche kennen, musste dem Augenarzt 500 Schilling für das entsprechende Attest bezahlen und im Führerschein steht davon erst recht nichts drinnen. Meine weise Mutter hat anschließend wissend kundgetan, dass ihr das ja schon immer aufgefallen sei, mein Großvater würde unter den selben Symptomen leiden. Ach, fein.

Nun verhält sich die Sache im Alltag so, dass mir mein leichter Gendefekt selbst quasi nie auffällt. Außer, wenn mich von Menschen geschaffene Schikanen in die Falle laufen lassen: Tabellen mit superdünnen Linien, die dunkelblau, lila und violett eingefärbt sind. Braune Schrift auf rotem Hintergrund. Türkise Silhouetten auf einer hellblauen Fläche. Ein Hellgrün, das in ein exakt gleich aussehendes Hellgelb übergeht. Nicht nur ein Mal habe ich den Arbeitstag meiner KollegInnen in der FM4 Internetredaktion versüßt, als ich wieder mal grummelnd an irgendsoeinem versteckten Farbenrätsel einer Website gescheitert bin, für das die anderen nur mal schnell hinschauen mussten.

Wie ist das denn so, siehst du nur Grautöne?

Ein Beispiel für eine Ishihara-Tafel.

[gemeinfrei]

Das erkenn' ich ausnahmsweise.

Gleich vorab: Eine komplette Farbenblindheit, dass man also nur monochrom sieht, ist höchst selten und hat mit der vor allem bei Männern weitverbreiteten Rot-Grün-Sehschwäche (9%) gar nichts zu tun.

Ohne die "gesunde" visuelle Farbwahrnehmung des Menschen zur Gänze zu kennen, behaupte ich für mich, alles ebenfalls korrekt wahrzunehmen - bloß bei der Intensität und der damit einhergehenden Unterscheidbarkeit bei ähnlichen Farbtönen haperts.

Diese Selbstdiagnose klingt harmlos, ist im Alltag aber schwer zu kommunizieren. Die meisten gehen zunächst mal davon aus, dass man eben gar keine Farben sieht oder - wegen des Namens! - Rot und Grün immer als eine Farbe wahrnimmt. Klar, man kann sich fiese Tricks wie diese Tafeln einfallen lassen, um mich aufs Glatteis zu führen. Die satten, bunten Lichter der Verkehrsampeln täuschen mich auch bei 50 Meter Entfernung und halb zugekniffenen Augen nicht.

Farbführerschein für Spiele

Bildschirmfoto des Videospiels "Puzzle Quest Galactrix".

D3Publisher of Europe

In meiner bereits über 25 Jahre andauernden Gamer-Laufbahn sind aber nicht Ampeln das Problem, sondern Puzzlespiele, bei denen man mehreckige Flächen, Kugeln oder Steine verschieben muss. Diese unterscheiden sich nicht in Form oder Größe sondern so gut immer durch Farben. Und ihr könnt einen drauf wetten, dass neben einem kräftigen Rot (sticht immer so wunderbar heraus) auch jedes Mal dieses Gelbgrün und Blauviolett dabei ist. Das sind jeweils zwei unterschiedliche Farben, gell. Ich erkenne sie aber schlecht.

Neulich im Flugzeug habe ich es mal wieder tapfer ausprobiert, "Puzzle Quest Galactrix" hieß das, ein bizarrer Mix aus Weltraumeroberung und Blockverschieben. Weil das aber auf dem tragbaren Nintendo DS daher kommt, ist die Darstellung klein und verpixelt. Da hilft es auch nichts, wenn zusätzlich komische Zeichen in den Blöcken drin sind - das ist die gängige Methode, Farbenblinde mit ins Boot zu holen. Ich halte den DS fünf Zentimeter vors Gesicht, starre, blinzle und kneife unentwegt mit den Augen und lasse das ganze bald wieder sein.

Petition für mehr Farbfreiheit

Farbschwächen waren schon ein paar Mal Thema auf Games-Portalen, hier etwa, oder dort. Bis auf Analysen, welche Spiele diesbezüglich schwer oder gar unspielbar sind und das für Betroffene angenehme Gefühl, nicht allein zu sein, hatten diese Stories aber wenig Effekt. Das ändert sich nun mit einer Petition an den Entwickler des massiv populären First-Person-Shooters "Call of Duty: Modern Warfare 2": Freund und Feind werden dabei in Mehrspielerpartien via roter und grüner Schrift angezeigt. Wer Sekundenbruchteile länger als alle anderen braucht, um die jeweilige Farbe herauszufinden, hat erhebliche Nachteile.

Screenshot aus einer Mehrspielerpartie des Computerspiels "Call of Duty: Modern Warfare 2".

Activision

Großen Wirbel wird die Debatte um die (nicht vorhandene) Rücksicht der Entwickler auf die Minderheit der farbschwachen Gamer zwar nicht auslösen. 95% der Spiele machen dabei ohnehin kaum bis keine Probleme. Interessant ist die Forderung aber trotzdem, bringt sie doch den allgemein unverhältnismäßig hohen Schwerpunkt visueller Reize bei Computerspielen aufs Tapet. Spiele für Blinde, die mit präzisen akustischen Signalen arbeiten, sind hingegen seit Jahren hinweg weitgehend unbekannte Experimente. Auch Games, die viel mit Dunkelheit arbeiten, und so die Gewichtung zwischen akustischen und visuellen Reizen zumindest vorübergehend gleichmäßig verteilen, sind meist nur bei ungewöhnlichen Projekten diverser Indie-Game-Entwickler zu finden.

Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Peggle".

PopCap Games

Computer- und Videospiele bleiben also weiterhin in erster Linie ein Augenspektakel. Wer das Glück hat, mehr oder weniger gut zu sehen und sich bloß über eine gängige Farbschwäche beklagen kann, wird aber manchmal sogar jetzt schon speziell versorgt: "Peggle", der frenetische Mix aus Glücks- und Geschicklichkeitsspiel etwa, macht aus grünen Steinchen gut sichtbare Dreiecke und schraubt darüber hinaus die Farbsättigung nach oben. Das ist dann fast so, wie wenn wir der Ampel beim Wechseln der bestens unterscheidbaren Lichter zusehen.