Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Decemberlist, sechzehn"

Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

16. 12. 2009 - 08:00

Decemberlist, sechzehn

Von Indie über Doom zu Stoner Metal und wieder zurück laden Ulme mit "Tropic Of Taurus" herzlich ein zur Fahrt mit der Gefühlsachterbahn.

Das ist die Decemberlist
24 Stücke Musik, täglich eines, den ganzen Dezember über, vorgestellt von FM4 MusikjournalistInnen und Webhosts. CDs, die während des Jahres die FM4 Musikredaktion passiert haben und die für uns von Bedeutung waren. Zum Schenken und Beschenktwerden. Von Indie Pop bis Rare Groove, von dänischem Metal bis österreichischem Songwriter Pop.

fm4.orf.at/decemberlist

Dass es ein Album der Noiserock Pioniere Ulme überhaupt wieder gibt, ist nach dem absurden wie sehr heftigen Ende im Jahr 1999 ein kleines Wunder, denn ausgerechnet während der Release-Party zu "Green Growing Soul... In The Gala Of Love" wurde die Band aufgelöst, nachdem es dort gar zu Handgreiflichkeiten unter den Musikern gekommen war. Die Brüder Arne (Git./Voc.) und Gunnar (Bass) Heesch sowie Cousin Jan-Eric Heesch (Schlagzeug) gingen daraufhin getrennte Wege und laut Arne waren die engen Familienbande wohl auch mit ein Grund für den heftigen Split.

Comeback #2

Ulmes neues Album "Tropic Of Taurus" ist genau genommen bereits deren zweites Comeback, denn nach dem ersten Neustart zusammen mit Tim Liedtke am Bass und Cousin Jan-Eric stieg Letzterer nach dem 2007 erschienenen Album "Dreams Of The Earth" wieder aus. Bitter, denn ohne Schlagzeuger war da klarerweise an eine Tour nicht zu denken, mit Lutz Möllmann von Pendikel wurde aber zum Glück ein mehr als adäquater Ersatz gefunden und Ulme scheinen nun wohl endlich eine stabile Besetzung gefunden zu haben.

Cover des Albums "Tropic Of Taurus" von Ulme.

Ulme

Seit Anbeginn ist diese jetzt in Hamburg beheimatete Band immer schon sowas wie ein Geheimtipp und ob sich das in nächster Zeit ändert, ist auch mit einem solch emotionalen Paukenschlag wie "Tropic Of Taurus" schwer zu sagen. Recht machen wollen sie es bestimmt niemandem und verweigern auch jegliche Kategorisierung während sie irgendwo zwischen Independent, Stoner Rock und Doom Metal hin und her pendeln.

Dear lovers, fuck you all

Die Kunst ist aber, dass sich offensichtlich alle darauf einigen können und schon der Einstieg "Rubber P." ist ein beinah schizophren anmutender Bastard zwischen Indie-Gitarrengeplonker für Herren mit Hang zur Umhängetasche und Lärmwanden in Kyuss'scher Tradition für die Langhaar-Fraktion. Alles natürlich Klischees, eh klar, denn das Gute ist, dass Ulme sich auf keine sogenannte Zielgruppe festlegen lassen und das auch nicht wollen. Diese Band ist der Traum für alle mit ein wenig mehr Offenheit für Musik und gleichzeitig wahrscheinlich auch der Alptraum für jeglichen Vermarktungsmechaniker. Jeglicher Lärm wird schließlich irgendwann fad oder gar nicht mehr wahr genommen, wird er nicht ab und zu von ein wenig Fragilität unterbrochen. Nicht neu, aber auch nicht leicht hinzubekommen.

"Dynamik" ist das Zauberwort und genau die macht Lust, sich diesem Schwall an Emotionen von "Tropic Of Taurus" wieder und wieder hinzugeben. Alben wie dieses, bei denen der Ausdruck von Gänsehaut erzeugenden Emotionen einen so dermaßen in den Bann zieht, sind rar und Mastermind Arne Heesch arbeitet nach eigener Aussage darauf eine Reihe von Trennungen auf, die er in den letzten Jahren erleben musste.

Arne Heesch von Ulme.

Olli Ruhnke

Dear lovers, fuck you all
There's nothing but sky now
Don't worry, I've learned to fly
I've escaped your impotent worlds

So bewegend wie in "Sisyphus, Crack The Stone!" kann das sein und trotzdem bekommt man bei all der Offenheit nie jenes Gefühl des Fremdschämens, wenn man von einer eher oberflächlich bekannten Person mit privaten Dingen regelrecht belästigt wird, die man jetzt so genau gar nicht wissen wollte. Wer mit solchen Lyrics oder Songtiteln wie "My Heart Stops Beating (When Yours Is Near)" nichts anfangen kann, darf sich mangels Erfahrung "eigenartiger" (oder eigenartig beendeter) Beziehungen wohl glücklich schätzen. Wie auch immer, Ulme setzen diese Gefühlsachterbahn in ein adäquates musikalisches Gewand und Heesch brüllt sich dabei teilweise regelrecht die Seele aus dem Leib, um sich später bei "Light In The Trees" so sehr zurückzunehmen, dass man dazu fast weinen möchte.

Möglich gemacht hat dieses epische Werk wohl auch niemand Geringerer als Produzent Kurt Ebelhäuser (Blackmail, Scumbucket), der auch schon Harmful mit Sis Masis ganz herausragend in Szene gesetzt hat und sich für den Song "Orpheus" gar zu einem Gesangsduett mit Arne Heesch überreden ließ.

Tim Liedtke, Lutz Möllmann und Arne Heesch von Ulme.

Ulme

Ulme haben schon seit Anbeginn auf jegliche Trends gepfiffen und behalten das mit "Tropic Of Taurus" in erfrischender Art und Weise bei. Manche sprechen gar ehrfurchtsvoll von den deutschen Mastodon und speziell für deren Fans mag das keck hoch gegriffen sein. Kippt man aber bei jedem Hören mehr und mehr in dieses Album hinein, findet man diesen sehr hoch gesteckten Vergleich nicht mehr ganz so abwegig. Arne Heesch, Tim Liedtke und Lutz Möllmann sind die besten Ulme seit Bestehen dieser Band. Da bekommt man einfach Lust auf mehr und es bleibt zu hoffen, dass Herrn Heesch weitere Trennungen wie in den letzten Jahren erspart bleiben.