Erstellt am: 15. 12. 2009 - 05:46 Uhr
Bad Santas
"Nation! We have got an economy to save. It is every American´s duty to save for gifts their loved ones don´t want and cannot return for cash."
Stephen Colbert
„Does anyone here speak English?“,
fragt die alte Dame entnervt, als sie sich den Weg durch die Massen zu bahnen sucht. Wie zur Bestätigung ihres Ärgers kommt ein verbaler Scheeball aus der Menge geflogen „Geh hoit de Goschn!“
Man hat´s nicht leicht, wenn man in der Upper East Side leben muss. All die Shopping notgeilen Touristen, die sich auf der 5th Avenue im Grenzbereich zum New Yorker Geldadel abstressen und die verdammte Wirtschaft wiederbeleben. Die feine Lady versteht das natürlich nicht - im doppelten Wortsinn.
Christian Lehner / FM4
Mit dem halben Bronx-Zoo in Mantelform verschwindet sie in Richtung Plaza Hotel am Central Park. Vielleicht geht sie ja zur Demel Filiale im Keller des Luxus-Quartiergebers auf einen Kleinen Braunen. Der Ober spricht sogar Englisch.
„Wie ist denn New York so zu Weihnachten?“,
wollte ein Kollege unlängst wissen. Meine Antwort: Mekka zum Haddsch? Ein Lecherl dagegen! Ich sage nur: 5th Avenue in Midtown, Christmas at Rocke(r)feller Center, Bloomingdales Schuh-Abteilung am Wochenende (fighting New Jersey Housewives!), Christmas Spectacular @ Radio City Music Hall, Broadway Ecke Times Square, die wilden Horden vor den - räusper - anmutigen Schaufensterdekos von Bergdorf Goodman ...
Und ich mit der besuchenden Family mittendrin. Motto des Aufenthaltes: „I wü zum Määhzi“ (gemeint war Macys am Herald Square). Kinderfreude in Erwachsenenaugen.
Schön.
Christian Lehner / FM4
Santa Rampage
Doch irgendwas fehlt hier. Na klar - die Punschhütten! Öffentlicher Ausschank von Alkohol ist auf New Yorks Straßen strengstens verboten. Bleibt also nur der Konsumrausch.
Doch warum seh ich trotzdem doppelt, dreifach und mehr? An einem Samstagnachmittag in der Nähe der Grand Central Station?
Zuerst ein Santa, dann zwei, dann ein ganzer Trupp.
Die Mama sagt noch „liab“ da fliegt schon der erste Mülleimer auf die Straße - von "Ho Ho Ho" Gelächter begleitet. Ein Yello Cab kann gerade noch ausweichen. Die Santas werden mehr und mehr und sie sehen nicht pausbäckig rund aus, sondern Bart verrutscht und schlampig wie Billy Bob Thornton in Bad Santa.
Die Jungs (und Mädels) sporten auch keine Socken, Strümpfe oder Geschenkssäcke, sondern brown paper bags mit Bud Light und Pabst Blue Ribbon Bierdosen.
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Wir lassen die erste gröhlende Santa-Gruppe passieren und schnappen uns ein relativ nüchternes Pärchen aus der Nachhut. Die simple Frage: „What the hell is going on?“.
„SantaCon is going on“, erklären die beiden. Das ist eine Art Flash Mob Pub Crawl mit Tausenden Reserve-Santas, der alljährlich zwei Wochen vor Weihnachten durch die City prollt.
Hukedicht.
Santa goes Web 2.0 (Promille)
Christian Lehner / FM4
Mo SantaCon Pix
Tatsächlich werden uns an diesem Nachmittag in Midtown/Manhattan noch mehrere Santa-Horden über den Weg laufen. Gut 6000 Weißbärte und Rotnasen sollen sich heuer allein in New York über Social Networks wie Twitter verabredet haben. Santa goes 2.0 (Promille).
Doch auch sie verschwinden im Lauf des Tages allmählich in der amorphen Masse der Shopping Besinnungslosigkeit.
Christian Lehner / FM4
Es wird dunkel über Manhattan. Die Menschen schieben weiter. Gegen 7pm geht nichts mehr. Bis tief in die Straßenkreuzungen stehen die hupenden Taxis. Dazwischen Shopping-Fanatics mit riesigen Einkaufstaschen. Die City leuchtet wie ein Christbaum. „Peace“ steht auf einem Elektro-Weihnachtsstern an einem Ausgang von Bloomingdales.
But who's buying?