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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 12. 2009 - 17:05

Fußball-Journal '09-120.

Die Gewinner der Bundesliga-Herbstsaison 09: der versatile Spieler, der unselige Hausverstand, die erste Linie, ein paar Junge und eine Aktion mit Philosophie.

Hier ein paar Bundesliga-Kennzahlen: Zuschauer-Zahlen, Daten zum Österreicher-Anteil und ein paar Einsatz-Daten samt Links.

Was mit dem "Hausverstand" am besten zu geschehen habe, das können Attwenger besser sagen, er der Herr Karl unter den Lebenseinsichten jedenfalls hat in diesem Herbst ein nicht wirklich logisches, aus einem Versehen entstandenes Comeback gefeiert und ist der klare Sieger der Halb-Saison.

Deshalb ist der Fußball an sich, jede Möglichkeit der Entwicklung hin zu einer zeitgemäßen Philosophie und Taktik automatisch der Verlierer der Bundesliga-Herbstsaison 09 wie es in Teil 1 dieser Mini-Reihe ausführlich nachzulesen ist.

Dieser zweite Part hier soll und will sich aber mit den Positiva auseinandersetzen.
Was an einem Tag, an dem der Irrsinn (oder das "Business" wie es Markus Rogan nennen würde) wieder zugeschlagen hat, ist das nicht so leicht.
Denn eigentlich hätte das was Helmut Kraft beim Magna-Verein in Neustadt geleistet hat, hier auch Thema sein sollen.

Kraft durch Kraft

Jetzt, nach seiner HalsüberKopf-Entlassung sackt all das wieder ins Negative. Erstens, weil ich Nachfolger Schöttel nicht arg viel zutraue (auf welcher Basis auch?), zweitens weil die ersten Begründungen der Club-Bosse zeigen, dass man dort (seit dem allerersten Fehler, der Prohaska-Entlassung nichts gelernt hat).

Kraft hat mit Guido Burgstaller, Mario Reiter, Alex Grünwald und Tomas Simkovic ein ganzes Mittelfeld von Anfang-20jährigen bundesligareif gemacht, anstatt wie Kollegen mit 30jährigen Ausländern auf Nummer Sicher zu gehen. Er hat mit Taner Ari und vor allem Christian Ramsebner auch in der Abwehr zwei tadellose Junge hochgezogen. Und er hat aus Ronald Gercaliu, der heuer aus dem Nationalteam gekippt ist, einen Chef gemacht, indem er ihn in der Mittelfeld-Zentrale ausprobiert hat, wo Gercaliu eine grandiose Figurt abgab, als Spielgestalter der neuen Sorte, von hintenraus, mit Übersicht, Cleverness und manchmal überraschendem Druck nach vorne. Xavi spielt das (auf Milchstraßen-Niveau) in Spanien, Paul Scharner sieht man auf einer ähnlichen Position seit Wochen bei Wigan durchaus funkeln.

Damit wird es im neuen Schöttelismus wohl vorbei sein: da wird eher wieder die brave Un-Strategie der Biederkeit herrschen, wie sie bei den meisten Bundesliga-Mannschaften, egal welcher Leistungsstufe üblich ist.

Einspruch gegen branchenfremde Befehlsketten

Und das alles, weil Heli Kraft widerspruchen hat, in der unseligen Kuljic-Affäre: er war angewiesen worden den schwierigen Stürmer nicht mehr einzusetzen, weil er einen dieser Verträge hatte, die sich ab einer gewissen Anzahl von Spielen automatisch verlängern (was nicht gewünscht war). Weil Kraft aber außer Kuljic keinen Stürmer mehr hatte, falls sich einer der Stammkräfte verletzt hätte, setzte er ihn am Samstag auf die Bank. Zuviel Eigeninitiative, zu sehr an die Mannschaft und ihr Fortkommen, zu wenig an die Bedeutung der Befehlskette gedacht, sagten sich Stronach/Neumann und entließen Kraft heute.

Da Magna ebenso wie das Hypo-gebeutelte Land Kärnten vor wirtschaftlich nicht gerade leichten Zeiten steht, kann dieser neuerliche Hakenschlag auch den Anfang vom Ende des Engagements der historisch ja bewiesenermaßen sprunghaften und nichtnachvollziehbaren Magna-Spitze aus dem Profi-Fußball bedeuten.
Und für die Austria Kärnten wird es, falls sie nicht noch durch ein Wunder (etwa einen Absteiger via Wettskandal-Sperre) dem Abstieg entgehen, im Sommer definitiv vorbei sein, weil jetzt die noch von LH Haider angeordneten Geldflüsse via Hausbank ausbleiben müssen.

Ob man das jetzt als positiv oder negativ für die Entwicklung des jeweiligen Fußball-Standortes sieht, bleibt dahingestellt.

Die erste Linie glänzt

Positiv ist in jedem Fall die erste Linie bei Red Bull Salzburg aufgefallen. Die spielt, seit sich Trainer Stevens nach Monaten des teilweise grauenerregenden Experimentierens zu einer passenden Stategie eines sehr starren Systems (das er seitdem nie gewechselt hat) entschlossen hat, echt EinsA.

Im System "Gustafsson; Schwegler, Sekagya, Afolabi, Ulmer; Schiemer; Tchoyi, Leitgeb, Pokrivac, Svento; Janko." stechen objektiv natürlich Sekagya und Tchoyi hervor, auch auf die beiden entscheidenden Nachvornbringer-Spätkäufe Afolabi und Pokrivac ist bereits verwiesen worden, die einzigen als echte Flügelzwickzange eingesetzten Außenverteidiger der Liga habe ich gestern bereits als mitentscheidenden Teil des Erfolgs herausgehoben.

Den größten Schritt hat ein Österreicher getan. Nicht Marc Janko, der stagniert auf hohem Niveau, auch nicht Christoph Leitgeb - der ist jetzt dort, wo er seit drei Jahren schon sein hätte müssen. Ich meine Franz Schiemer. Und zwar einfach, weil der jetzt deutlich mehr kann als noch im Sommer, unglaublich dazugelernt hat.
Einen schwächeren Akteur hätte die Dreier-Belastung Rechtsverteidiger-Innenverteidiger-Defensiv-Mittelfeld-Mann aus den Latschen gekippt - Schiemer nützte den Casting-Irrsinn seiner beiden Herren (Stevens/Constantini) um sich zu einem versatilen Spieler zu entwickeln. Zwar nicht mit der Gestaltungs-Power wie zuvor bei Gercaliu beschrieben, aber doch mit einer Universalität, die ihresgleichen sucht.

Die Nichtmehr-U21 funkelt

Gewinner des Halbjahres sind natürlich die jungen Österreicher, die sich zweigleisig international messen durften, im Team und in der Europa-League: Dragovic und Baumgartlinger von der Austria, Jantscher und Beichler von Sturm und Pehlivan, Drazan und Kavlak von Rapid.

Also alle, die noch U21 spielen könnten, aber bereits die Verantwortung im Nationalteam tragen müssen - weil die Vorgänger-Generationen durch die Selbst- und Gewinnsucht der Branche ja weggerodet wurden.

Dass es auch anders geht zeigt der dafür auch hochbegabte Samir Muratovic bei Sturm: dadurch das das Spiel der Grazer eben nicht auf ihn zugeschnitten ist, sind sie unausrechenbarer, macht sein Ausfall weniger aus.

Die jungen Herren haben gelernt ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, auch wenn es kritisch wird - und selbst in Untergangs-Szenarien wie gegen Spanier oder Basken oder Israelis nicht den Kopf hängen zu lassen und sich zu ergeben, wie das die 30jährigen Scheinvorbilder, die von Verblendeten zu den Fußballern des Jahres hochgejubelt wurden, immer wieder aufs Neue und Ungute vorführen.

Schönwetter-Kicker dieser Preisklasse sollen und dürfen diese Jungs nämlich nicht werden.
Sonst wär ja alles umsonst gewesen.

Und noch ein paar Sieger:

Ein Gewinner ist für mich auch Thomas Prager. Da mag der LASK noch so viele Tore kassieren: was der kleine Blonde seit seiner Rückkehr samt Verletzungsfreiheit geleistet hat ist sensationell - die Wiederbelebung des nämlich gar nicht toten Spielmachers. Da ist er das Liga-Pendant zu Andreas Ivanschitz, der ähnliches bei Mainz vollbringt.

Und auch hier, wie bei Schiemer oder Gercaliu ist es die Versatilität, die den guten Spieler ausmacht. Auch Prager kommt aus einem anderen Bereich, er war jahrelang ein exzellenter 6er, und hat deshalb einen anderen, schlaueren, effektiveren, teamdienlicheren Blick auf seine Arbeit als die pomadigen Anfangs30er, die - ganz nach der Old-School-Spielanlage der 80er - einen eigenen Adjudanten brauchen um glänzen zu können (hab ich ja gestern bereits durchbesprochen). Prager ist der Offensiv-Einfädler neuer Prägung - weshalb er nur bei einem deutschen Trainer gesetzt ist; bei einer Austro-Übernahme des LASK durch, sagen wir Peter Schöttel, wär er in 3 Spielen weg, so wie im Team.

Gewinner beim LASK ist auch Georg Margreitter. Nicht weil die Abwehr dort sio super wäre (ist sie nicht), sondern weil ihm, dem neuen Kapitän, dem jungen und überaus klugen wortgewandten und bewußten Spieler, dem Prototyp einer neuen Generation von Whizz-Kids, diese Misere nichts anhaben kann.

Und es gibt sie doch, die Philosophie

Bei Sturm Graz und der SV Ried gibt es deshalb kaum Gewinner, weil beide Vereine nach einer grandiosen Vorsaison jetzt wieder ein bisschen zurückgefallen sind.
Natürlich ist Marcel Ziegl, der am, Sonntag erst 17 wird und den mehr als doppelt so alten Kapitän Drechsel grandios ersetzt, hervorzuheben.

Wie man in Österreich mit so einem Talent umgeht, zeigt sich am Rande dieser tieftraurigen Posse rund um einen Jungen, der rauswill: da ist Ziegls völlig verkehrte Rolle bei der U19 Thema.

Die Erfolgsgeschichten bei Mattersburg heißen Manuel Seidl und vor allem Lukas Rath (17 und der erste Außenverteidiger, mit dem Trainer Lederer trainieren darf).

Und die Gewinner beim Herbst- und Wintermeister sind die Hinterbliebenen des Aderlasses Maierhofer/Hoffer. Was wurde nicht gegreint, als die beiden (des lieben Geldes wegen) gehen mußten. Und was wurde nicht übersehen, dass genau das die Seele eines Ausbildungsvereins in einer Ausbildungsliga ausmacht: auf die zur Genüge vorhandenen Zukunftskräfte zu setzen und sie weiterzubringen.

Teil 3 und 4 dieser Bilanzreihe erscheinen demnächst und werden die Europa-League und die Legionäre behandeln.

Und das führt mich zum größten Sieger des Halbjahres: das ist Alfred Hörtnagls Aktion Pro-Rapid, bei der junge Spieler gezielt und individuell betreut werden; auch in Bereichen die für die Pacults und Constantinis dieser welt das größte Pfui überhaupt sind, wie etwa Mentalcoaching.