Erstellt am: 15. 12. 2009 - 08:00 Uhr
Decemberlist, fünfzehn
An Hollywood-Drehbuch-reifer Dramatik fehlt es Elvis Perkins’ Biografie nicht: Der zwischen L.A. und New York aufgewachsene Folk-Singer/Songwriter ist Sohn des Schauspielers und "Psycho"-Stars Anthony Perkins und der Fotografin Berry Berenson.
XL Recordings
Der junge Künstler verliert seine Eltern auf prekäre Weise: Sein Vater stirbt 1992 an den Folgen einer AIDS-Erkrankung. Und seine Mutter ist an Bord von Flight Number 11, eines der Flugzeuge, die an 9/11 in das World Trade Center fliegen. Was ihm seine Eltern hinterlassen haben, ist ein außergewöhnliches künstlerisches Talent, das er mit seinem Debüt "Ash Wednesday" 2007 erstmals unter Beweis gestellt hat. Sein zweites, mit "Elvis Perkins in Dearland" betiteltes Album, ist im April dieses Jahres erschienen. Und um dieses soll's hier gehen.
Wie man die Trauer zu Grabe trägt
Das ist die Decemberlist
24 Stücke Musik, täglich eines, den ganzen Dezember über, vorgestellt von FM4 MusikjournalistInnen und Webhosts. CDs, die während des Jahres die FM4 Musikredaktion passiert haben und die für uns von Bedeutung waren. Zum Schenken und Beschenktwerden. Von Indie Pop bis Rare Groove, von dänischem Metal bis österreichischem Songwriter Pop.
Eigentlich konnte ich mich nach Elvis beeindruckendem und hochberührendem Debüt kaum Einkriegen vor Freude auf den Nachfolger. Eigentlich. Tatsächlich hatte ich dann aber so meine Probleme mit dem heiß ersehnten Zweitwerk. Beim ersten Anhören stellte sich nicht gleich das erwartete Hochgefühl ein, mit dem mich das Debüt zwei Jahre zuvor zurückgelassen hatte. Auch nach weiteren frustrierenden Listening Sessions blieb die Platte im Überall und Nirgendwo, ließ sich nicht festmachen, wollte sich mir nicht so ganz eröffnen.
Ich stelle fest, das ist kein guter Start, um ein Album anzupreisen. Aber andererseits: Alles Problematische wäre somit auch schon aus dem Weg geschafft. Denn mittlerweile weiß ich, dass die Platte wie ein lang gelagerter guter Rotwein zu behandeln ist, den man nach dem Öffnen erst mal atmen lassen muss. Und ich weiß nun auch, dass die Tür bei diesem Werk von Anfang an weit offen stand und ich sie einfach nicht gleich gesehen hatte. Soll vorkommen.
XL Recordings
"Black is the colour of a strangled rainbow / That's the colour of my loss"
Mit "Ash Wednesday" hatte sich Elvis das Image eines distinguierten, leicht nerdigen und entrückten Folkbarden eingehandelt, Bob Dylan-Verweise inklusive. Das neue Werk ist musikalisch breiter angelegt: Zur Folkgitarre gesellt sich eine ganze Armada von Instrumenten - von Orgel, Pfeifen, Saxophon, Horn und Tuba bis zu Kontrabass Streichern und Banjo - allesamt bespielt von seiner dreiköpfigen Tourband, die er diesmal voll und ganz inkorporiert. Dabei erforscht er verschiedene Roots-Music-Styles, begibt sich in R&B-Gefilde und verbreitet über weite Strecken fröhlich-morbide New Orleans Begräbnismusik-Vibes. Den Dylan-Vergleich kann man sich da in die Haare schmieren, Perkins ist hier stellenweise schon näher beim Original-Elvis und bei Roy Orbison.
“One, two, three, goodbye / I love you more in death than I ever did in life"
Beggars Xl Recording
Genauso wie beim schmerzerfüllten Debüt, dem Perkins Trauer um den familiären Verlust eingeschrieben steht, ist auch auf "Elvis Perkins in Dearland" Tod und Sterben noch allgegenwärtig. Doch trotz all der Tragik kommen hier keine Depressionen auf, denn: Perkins ist ein Meister der schwarzen Worte und balanciert anmutig und erstaunlich leichtfüßig auf dem dünnen Seil zwischen Melancholie und Katharsis. Feierlich wird hier die Trauer zu Grabe getragen. "It was happy, one two three, it was sad, one two three [...] Are you ready? One, two, three, goodbye". I am ready. Für die schönste Begräbnismusik, die ich je gehört habe.