Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht"

Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

12. 12. 2009 - 10:30

Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht

"Ninja Assassin" oder das aktuelle Dilemma des Zuviel-ist-Zuviel am Beispiel eines kleinen Martial Arts-Gemetzels.

Ganz egal, wie man den aktuellen kulturellen Zustand nennt, ob das jetzt noch immer oder erst so richtig die Postmoderne ist oder eine diffuse Post-Post-Moderne, gewisse Befindlichkeiten liegen unleugbar in der Luft.

Dazu gehört unter anderem ein Gefühl, das mich an bestimmte Kinder unter dem Weihnachtsbaum erinnert, die sich mit glanzlosen Augen durch ihre unzähligen Geschenke wühlen.

Ich meine diese seltsame Leere, wenn man endlich alles bekommt, was man sich schon immer gewünscht hat - sämtliche Dinge, die früher schwer zu bekommen waren, die nur angedeutet wurden, die es bloß in winziger Dosierung gab - und jetzt, wo man rund um die Uhr davon überrollt wird, wo alles ständig und im Übermaß omnipräsent ist, lässt es einen völlig kalt.

Während avancierte Künstler längst an Strategien gegen dieses Vakuum arbeiten, in dem etwa Reduktion, Zurückhaltung oder bewusste Geheimniskrämerei einen höheren Stellenwert bekommen, setzt das Entertainmentkino weiterhin hysterisch auf die Totalbefriedigung sämtlicher Bedürfnisse.

Ninja Assassin

Warner Bros

Ein fast schon pervers passendes Beispiel sind die beiden Brüder Larry und Andy Wachowski, die mit ihrer zuckerlbunten Reizüberflutungsorgie "Speed Racer" wahrscheinlich das teuerste und gleichgültigste filmische Nichts in dieser Dekade lieferten. Auch wenn ihre neueste Produktion bei weitem nicht so schlimm geraten ist, steht auch "Ninja Assassin" für die alte Binsenweisheit der Postmoderne: Wenn alles möglich ist, geht nichts mehr.

Seit der "Matrix"-Filmreihe, falls sich daran noch wer erinnert, sind die Wachowskis extrem beeinflusst vom asiatischem Genrekino, lassen sich von der japanische Anime- und Mangakultur ebenso inspirieren wie von Actionfilmen aus Hongkong, Korea und Thailand.

Mit "Ninja Assassin" stürzt sich das Brüderpaar jedenfalls erneut auf fernöstliche Vorlagen, Regie lassen die Wachowski-Brothers aber ihren Kumpel James McTeigue ("V For Vendetta") führen. Der drehte, ganz kosmopolitisch, mit dem koreanischen Popstar Rain, der Britin Naomi Harris und diversen Kampfkunststars aus Japan in den Berliner Babelsberg-Studios.

Wer sich vom Filmtitel angesprochen fühlt und mit einschlägigen Erwartungen ins Kino geht, darf sich von der ersten Minute an auf einen übervollen Gabentisch freuen. Es wimmelt nur so vor schwarzgekleideten, blitzschnellen Ninjas, pausenlos klirren und scheppern wahnwitzige Waffen, Gefangene werden ausdrücklich keine gemacht.

Ninja Assassin

Warner Bros

Die rudimentäre Story erinnert an unzählige Low Budget-Filme aus Japan, die zuletzt in den Achtzigern die Videotheken überschwemmten.

Der junge Raizo wird von dem legendären Ozuno-Clan als Kind aus der Gosse geholt und zu einer perfekten Tötungsmaschine ausgebildet. Als die Geheimorganisation seine Freundin brutal hinrichtet, bricht er mit dem Ninja-Clan. Raizo beginnt alleine zu arbeiten, mutiert zum gefährlichsten Auftragskiller der Welt und bereitet nebenbei seine Rache vor. Ach ja, da ist auch noch eine Polizei-Agentin, die dem ganzen Fall auf der Spur ist.

Man könnte sagen, "Ninja Assassin" ist ein Streifen von Ninja-Fans für Ninja-Fans, die hier richtig auf ihre Kosten kommen. Aber Euphorieschübe und zugleich schwere Verwüstungen wird dieser Film wohl nur unter 13-jährigen Buben anrichten.

Denn James McTeigue ist kein Quentin Tarantino und die Grenzen von der bemühten Genre-Hommage zur hemmungslosen Plünderung der Vorbilder und dem kalkulierten Ausschlachten exotistischer Klischees verlaufen bei ihm fließend.

Und auch wenn die digitale Blutsuppe in Fontänen spritzt und es erstaunlich ist, wieviel explizite Härte mittlerweile im Mainstreamkino möglich ist, bleibt eben nur die eingangs beschriebene Leere zurück.

Mir fällt ein uralter Fehlfarben-Text ein: "Was ich haben will, das krieg ich nicht und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht".

Ninja Assassin

Warner Bros