Erstellt am: 11. 12. 2009 - 18:05 Uhr
Journal '09: 11.12.
Es hat eigentlich nichts mit Grönland an sich zu tun, obwohl uns dort ja das dort abschmelzende Gletschereis gefühlt grad wie die Sintflut um die Ohren fließt.
Es war einfach nur eine ganz normale ZDF-Nachrichtensendung, bei der sich mein Blick (es war bei einer mäßiger interessanten Deutschland-Meldung) im Hintergrund verfing. Dort prangt - wie bei vielen News-Sendungen die Welt, also die Weltkarte.
Und sie sieht dort so aus, grundfalsch nämlich:
zdf
Grönland, das mittige Ding oben ist größer als Europa und Südamerika, Alaska und Sibirien detto, Australien ist so winzig, quasi nicht zu sehen.
Für alle, die von Weltkarten dieser Blödigkeitsstufe bereits denkassimiliert wurden, die Fakten:
Grönland: 2.166tausend km²
Australien: 7.692tausend km²
Europa: 10.180tausend km²
Südamerika: 17.843tausend km².
Die Welt sieht tendenziell so aus wie auf der Karte einer anderen News-Show, der von Saturday Night Live (auch wenn die nur eine Parodie sind):
Apropos SNL: watch this, Lady Gaga versus Madonna, ein Traum!
snl
Obwohl: auch hier wird im Norden dann wild auseinandergezogen. Aber immerhin stellt man hier die Regionen unterhalb des Äquators richtig dar.
Und setzt damit auch die journalistische Qualität der Nachrichten in eine korrekte Relation. Die SNL-News sind zwar kabarettistisch und überzogen, aber sie stellen sich niemals wider besseres Wissen blöd wie das die Nachrichten des alten Medien-Stils (entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe) heute flächendeckend tun.
Halbwegs opportun und realistisch ist diese Karte da:
geo
Belästigt und in meiner Intelligenz beleidigt werde ich aber allenthalben von Spiegel-und-Lachkabinetts-Nummern wie dieser:
geo
Nun weiß ich ja durchaus und ausführlichst um die Problematik dahinter: ein Experte hat mir einmal händeringend erklärt, dass es so quasi unmöglich sei die Oberfläche einer Kugel auf eine Fläche umzurechnen, dass man da automatische Verzerrungen in Kauf nehmen müßte. Der Experte hatte sogar schöne Namen für jede der angesprochenen Unsinnigkeiten.
Ich wurde nicht sein Freund, weil ich meine Position von vor dieser Erkärung nicht verlassen konnte: dass es in einer postindustrialierten, computermodellgestützten Welt der Wissenschaft unter Garantie irgendwie zu schaffen ist die Land und Wassermassen unseres Planeten in einer flächenmäßig richtigen, oder zumindest richtigeren Relation darzustellen. Und dass mich kein einzige Entschuldigung oder Ausrede von dieser Forderung abbringen kann: weil sie eine Minimalforderung ist. Und weil Begriffe wie "unlösbar" Unfug sind. Und weil das Sich-Zufriedengeben mit Karten wie der des ZDF nur eine lachhafte Kapitulation sind.
geo
Das sehen andere nicht so starr, meinte der Experte.
Ja, Idioten vielleicht, sagte ich, Idioten, die alles fressen. Leider werde ich mich nicht an denen orientieren können.
Ich will eine Karte, die der Wirklichkeit entspricht.
Die Idioten sind offenbar immer noch zufrieden damit, wie ihnen noch immer, auch an scheinbar gebildeten Orten, eine verzerrte Parodie einer Weltkarte zugemutet wird. Die Verursacher, die Wahrheitsverschieber und Relations-Nichtwahrnehmer, reden sich weiter gern auf schlechtes Raumgefühl, auf Winkelverzerrungen aus. Anstatt das Problem zu lösen, oder zumindest die Lage zu verbessern und sich an Annäherungswerte zu wagen, reden sie sich raus.
Das ist meiner Ansicht nach inakzeptabel.
Ich bin in dieser Hinsicht, das weiß ich, wirklich nicht verständnisvoll.
Das hat mit meiner Geografie-Geschichte zu tun. Und für die kann ich nichts.
In der Unterstufe meiner Gymnasial-Karriere war ich mit einem Geo-Lehrer geschlagen, der von seinem Fach so wenig Ahnung hatte wie ich von seinem. Er war Komponist, moderne E-Musik hieß das damals, und als solcher ein kleiner Star innerhalb der Lehrerschaft. Das und seine Fähigkeit das Radfahrerprinzip des Kurt Tucholsky wie Louis de Funes auszuführen brachte ihm einen Klassenvorstand ein.
Er war auch ein elend schlechter Musiklehrer, der mich fast in die Bildnerische gedrängt hätte, aber sein Zweitfach war eine einzige Verheerung: eben die Geografie.
geo
Der "Höh!" wie wir ihn aufgrund dieser von ihm als "Achtung!" ausgestoßenen Endsilbe seines Namens nannten, hatte einfach nicht die geringste Ahnung von der aktuellen Beschaffenheit der Welt. Zum Thema Afrika brachte er etwa die Karte aus den 60ern mit, wo der Kontinant quasi noch zwischen Frankreich und dem UK aufgeteilt war. Dass Pakistan und Indien kein britisches Protektorat mehr waren, bekam er erst anläßlich des Krieg um Bangladesch 1971 mit.
Die Welt in ihren Maßen und Realtionen
Der Mann wusste und konnte also nichts, weshalb mir nichts anderes überblieb als mich selber zu bilden. Denn das Zeug interessierte mich, nicht zuletzt weil ich mich mit zehn, elf grade durch die klassischen Entdecker-Geschichten gelesen habe.
Als wir in der Fünften von der Inkompetenz des Höh! erlöst wurden, kam mir das zugute, weil auch seine Nachfolgerin eine hauptsächlich mit ihrer Durchsetzungs-Kompetenz beschäftigte, inhaltlich aber überforderte Person war. Sie rettete sich, indem sie die Wirtschaftskunde präferierte und zu diesem Behufe von einer Bank verfasste Unterrichtshilfen vorlas und wortgenau abprüfte - ohne sie zu verstehen oder Verständnis vermittelt zu haben.
geo
Wenn meine Klassenkollegen sich auf der Weltkarte oder im Wirtschafsleben besser zurechtfinden als die US-Kids der Public Schools, dann ist das ausschließlich ihrem eigenen Ehrgeiz zu verdanken.
Seitdem ist es mir einfach unmöglich mich mit falschen Angaben in diesem Bereich zufriedenzugeben. Ich habe acht Jahre in erfolgreicher Widerständigkeit gegen borniertes und stolzes Nichtwissen verbracht, das sich im Abseiern von Komponistenschicksals-Tiraden und Autoritätsproblem-Sitzungen erschöpft hat.
Wer mir erzählt dass es irgendwie nicht wirklich geht, dass eine Weltkarte die Welt in ihren Maßen und Relationen so abbildet wie sie ist ohne sie zu verzerren, der schrumpft in meiner Wahrnehmung also sofort zum Höh! oder zu der ihm nachfolgenden Schnatter/Laber-Person, zum mit seinen/ihren kleinkarierten Eitelkeiten beschäftigten Geisteszwerg, zur Witzfigur.
Also, ihr Lehrer aller Art: Stellt die Welt gefälligst so dar, wie sie ist, ohne Ausreden-Gebrabbel und gefälschte Flächenangaben. Wenn es da ein Problem gibt, dann löst es gefälligst. Muss nicht morgen sein, aber dieses Ausreden-Gesuder hab ich satt.
geo
Ich hab' einen langen Atem was meinen Spott und herausragende Erfahrung was die Verächtlichmachung der Ausflüchtigen, die sich selbst gegen Verbesserungs-Versuche sperren und am Status Quo hängen wie am Rockzipfel der Mama, betrifft.
PS:
Dieser Clip aus "West Wing" faßt alles, vor allem die politischen Hintergründe, warum eine seriöse Weltkarte nicht gewollt wird, auf wunderbar sarkastische Art und Weise zusammen: