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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 12. 2009 - 14:37

Fußball-Journal '09-118.

Die Verdummbeutelung des österreichischen Fußballs und seiner ihn begleitenden Medien durch die komplett fehlende reflektive Distanz zu sich selber - samt Abwesenheit des Verstehens dieser Problematik - zeigt sich an diesem Tag im Jahr immer drastisch selber an.

Hier die Fakten.
Eine um die internen Nomninierungen bereinigte Liste geht so:
1. Steffen Hofmann
2. Milenko Acimovic
3. Marc Janko
4. Christoph Leitgeb
5. Jakob Jantscher
6. Sekagya und Glasner.

Es ist nämlich der Tag der Wahl des Fußballer des Jahres.

Keine Sorge: es geht mir gar nicht um das, was dabei herauskommt. Hofmann, Acimovic, Janko... das bringt das Jahr schon auf den Punkt.
Es geht - wie immer, seit Jahren schon - um das Wie.
Um das Zustandekommen dieser Liste.

Weltweit ist es nämlich Usus, dass bei vergleichbaren Fußballer-Wahlen die Befragten selbstverständlich alles dürfen, jeden Hunds- oder Badkicker nominieren können - abgesehen natürlich von Leuten aus der eigenen Truppe.
Weltweit.
Weltweit?

In Österreich gilt das nicht.
In Österreich ist es vielmehr seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten scheinbar Pflicht, diese völlig logische und folgerichtige Gepflogenheit zu konterkarieren.
Ostentativ.
Die Wahl zum Fußballer des Jahres dient hierzulande nämlich nicht in erster Linie dazu, halbwegs objektiv abzubilden, wer der Beste gewesen sein könnte - nein, in Österreich gilt das als interne Zeugnis-Verteilung, als herrschaftliches Getätschel.

Dadurch, dass die Coaches - entgegen einer seriösen Umsetzung der Aufgabe als Juror - ihre eigenen Spieler damit auszeichnen oder durch Ignoranz strafen.

Ois Kasperln!

In der heurigen Praxis etwa will uns Rapid-Trainer Pacult mit seiner Nominierung von Hofmann-Hoffer-Maierhofer (mit den beiden letzten steht er im übrigen ganz alleine da, sowas aber auch...) folgendes sagen (anders geht es scheinbar nicht, seine Kommunikations-Probleme sind ja bekannt): Hofmann ist sein Chef und er selber ist der Ur-Gott, weil er - obwohl ihm die zwei anderenganz bös weggenommen wurden - trotzdem Herbst/Winterkönig ist; was ihm selbstverständlich arg viel bedeutet, "es Kasperln!".

Huub Stevens will uns mit der Nominierung seines Kapitäns mitteilen wie wichtig der für das Team und überhaupt für ... (treffende Floskel bitte selber einsetzen) ... ist; Karl Daxbacher exakt desgleichen; Paul Gludovatz will mit der Nominierung seines altgedienten Abwehrchefs dasselbe. Der Neue, Mathias Hamann, tut das Nämliche bei Roman Wallner, weil der halt Streicheleinheiten braucht um zu funktionieren und selbst Franco Foda kippt rein.

Eh schön, diese internen Ehrerbietungen und strategischen Schachzüge. Durchaus fein eingewoben, diese Tätscheleien, in die herrenbäuerlichen Strukturen der meisten Vereine.
Nur, was hätte das mit einer seriösen Wahl des besten Kickers des Landes zu tun?
In Österreich scheinbar alles.

Was die unreflektierte Bezugslosigkeit, mit der die hiesigen Coaches, Manager und Funktionäre durch ihren Arbeitsalltag gammeln, massiv auf den Punkt bringt.

Unvereinbarkeit? Geh bitte.
Man hat gerade wieder einen Vereins-Chef, also einen Parteiischen und Höchstbefangenen zum Vorsitzenden der Liga gemacht.
Objektivierung? Wozu? Lieber die eigenen Fascho-Fans reinwaschen.
Evalierungs-Fähigkeit? Voll schwul, Oida!

Unvereinbarkeit und Klüngelei als Basis

Selbstreferentielle Klüngelei ist also der Basis-Motor der gesamten Branche.
Drüber nachdenken, was das bedeutet? Hallo? Bringt das was, finanziell oder gar imagemäßig? Eben, kommt weder bei den Ultras noch bei den Medien an.

Dort setzt sich das Problem ja fort.
Dort wird dieses Kochen im eigenen Sud ja forciert, Jahr für Jahr.

Aber natürlich ist es keine Ausrede, dass der Umfrager, die österreichische Nachrichten-Agentur APA, diese Unsitte fördert und zuläßt (da mir bekannt ist, wie umstritten diese Maßnahme in dere APA-Sportredaktion intern ist, darf ich meiner Verwunderung, dass dieser Unsinn jedes Jahr aufs Neue durchgezogen wird, hier nur zarten Ausdruck verleihen. Jeder, wie er meint...):

Niemand ist nämlich gezwungen sich an schwache Regeln und dürftige Usancen zu halten.
Es gibt keine Ausrede für das offene Ausleben von Kumpanei und die international durchaus beschämende Variante einer Fußballer-Wahl. Es braucht nur etwa 3 Deka Mut diese unschöne Peinlichkeit zu druchbrechen.

Alljährliche Mistsuppe

Ja, es mag fast dasselbe Ergebnis rauskommen, weil sich die lokalen Intern-Schmeicheleien natürlich aufheben. Die Liste selber enthält allesamt ehrenwerte Namen.

Sie ist aber das alljährlich wiederkehrende Zeichen für die mistige Suppe, in der Österreichs Fußball schwimmt, das Signal für die Unfähigkeit über sich und seinen Status auch nur für eine Sekunde nachzudenken; für die ausgesprochenen und auch die unausgesprochenen Denk- und Aktions-Blockaden in diesem strukturell stockreaktionären Geflecht aus Medien-Kumpanei, Wegschauen und Zuschieberei. In einer inhaltlich noch in den 50er Jahren lokalisierbaren männerbündelnden vernagelten Stammtisch-Partie.

Ja, es ist nur eine symbolische Fußballer des Jahres-Wahl. Die sich auch durch diese dreiste Vorgangsweise inhaltlich nicht einmal wirklich beschädigen läßt.

Aber es ist in seiner dumpfen alljährlichen Wiederkehr ein echtes Fanal der Erstarrung einer ganzen Branche. Ihrer Bewegungslosigkeit und ihrem Unwillen an die primitivsten zivilisatorischen Errungenschaften anzudocken.

Und wohl auch deren Unfähigkeit dieses Groundhog-Day-Indiz der gesamten Problematik überhaupt erkennen zu können (das gilt für die weniger Begabten) oder zu wollen (das gilt für die G'scheiteren).